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Kapitel 10

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Fünf sah den beiden Fremden zu, wie sie das Institut verließen. Sie hatten gefunden, was sie suchten, da war er sich sicher. Dieser Ausdruck von Zufriedenheit auf ihren Zügen am Ende des Tages verriet sie. Er musste handeln. Sie nahmen ein Taxi. Fünf war nicht in Eile. Er wusste, dass sie in ihr Hotel zurückkehren würden. Sie würden irgendwo etwas essen, im Hotel oder in der Stadt. Fünf vermutete, dass sie in die Stadt gehen würden, da er sie am Abend zuvor im Hotelrestaurant gesehen hatte. Es machte keinen Unterschied. Wenn sie nach Einbruch der Dunkelheit in der Innenstadt unterwegs waren, erleichterte das seine Aufgabe. Wenn sie das Hotel wählten, musste er warten, bis sie wieder auf ihren Zimmern waren. So oder so war es keine ernsthafte Herausforderung für ihn.

Wie sich herausstellte, entschieden sie sich für die Innenstadt. Fünf folgte ihnen vom Hotel zu einem Lokal, das von Ausländern betrieben wurde und für seine Auswahl an scharf gewürzten, einheimischen Speisen bekannt war. Von einem Türeingang aus behielt er die Straßenseite im Auge. Er spürte das Gewicht des Dolches unter seinem Burnus. Ein vertrauter Freund. Es war komplett dunkel geworden, als sie das Lokal verließen. Hier gab es keine Taxis. Sie begannen, zum Hotel zurückzulaufen. Die Straße war menschenleer. Helles Mondlicht warf lange Schatten über den bleichen Sand. Türen und Fenster zeichneten sich als schwarze Löcher in den Lehmwänden der Gebäude ab. Der schwache Geruch von Süßwasser und Blumen wurde aus verborgenen Gärten in die Nachtluft getragen. Fünf kam von hinten an sie heran, lautlos wie der Sand. Er konzentrierte sich auf das Genick des Mannes, direkt an der Schädelbasis. Er zog den Dolch. Dann geschah etwas, das ihm noch nie passiert war.

Der Dolch verfing sich im Stoff seines Burnus und erzeugte einen leisen Laut, ein kaum hörbares Geräusch, kaum mehr als ein Flüstern im Nachtwind. Carter wirbelte ohne nachzudenken herum und hob abwehrend den linken Arm, um den Dolchstoß abzulenken. Die Waffe glänzte im Mondlicht. Carter versuchte, einen Handkantenschlag anzubringen. Fünf blockte ihn und konterte mit einem Fußtritt in die Weichteile. Nick drehte sich gerade weit genug, dass der Tritt nur seine Hüfte traf. Die Wucht des Treffers warf ihn gegen die Hauswand hinter ihm. Sein linkes Bein gab nach. Er fiel auf die Knie. Fünf wollte nachsetzen, machte dabei aber einen weiteren Fehler: Er beachtete die Frau nicht. Selenas Fuß traf ihn seitlich in die Nieren. Mit schmerzverzerrtem Gesicht taumelte Fünf zurück.

Er wirbelte herum und stellte verblüfft fest, dass die Frau ihm ebenbürtig war. Selena und Fünf bewegten sich in einem wilden Schlagabtausch hin und her, der fast einem Tanz glich, schlagend und blockend. Eine Klinge blitzte im Mondlicht auf. Ein Kampf auf Leben und Tod. Carter kämpfte sich auf die Beine. In seinem Kopf hörte er das Feuer der AKs und hatte den Geruch vom Staub einer afghanischen Straße in der Nase. Er musste es abschütteln. Selena schien in Schwierigkeiten zu stecken. Kampfkunst wie die vor seinen Augen hatte er noch nie zuvor gesehen. Es lag außerhalb seiner Liga, aber er wollte es versuchen. Bevor er eingreifen konnte, landete Selena einen Tritt am Brustkorb ihres Gegners. Fünf taumelte und verlor seinen Dolch. Selena setzte nach, traf seinen Oberschenkel und rotierte wie eine Tänzerin, wobei ihr nächster Fußtritt seinen Hals traf.

Nick konnte hören, wie ein Knochen brach. Es war vorbei. Selena sank auf ein Knie hinunter und schnappte nach Luft. Nick kniete sich neben sie. »Bist du verletzt? Ist alles in Ordnung?«

»Mir geht es gut.« Sie holte noch einmal tief Luft. »Nur außer Atem. Ich muss einfach mehr trainieren.«

»Mehr trainieren? Selena, ist das dein Ernst?!«

»Ich glaube, ich hab mir eine Rippe angeknackst«, sagte sie.

»Das war übel. Ich dachte schon, er hätte dich.«

»Zwanzig Jahre Erfahrung und es hat doch nicht gereicht. Wenn ich Meister Kim das nächste Mal sehe, werde ich ihm danken.«

Carter sah auf den Toten hinunter, der vor ihnen im Sand lag. »Er hat ein Tattoo auf dem Arm. Scheint arabisch zu sein.«

Selena stand auf und hielt sich dabei die Seite. Sie verzog das Gesicht. Dann beugte sie sich über die Leiche und sah sich das Tattoo genauer an. Die Tinte war alt, das Blau bereits verblasst. Er hatte dieses Tattoo schon sehr lange. »Es bedeutet: Fünf.«

»Ist das alles? Nur Fünf?«

»Vielleicht ist es eine Stammestätowierung.«

Nick untersuchte den Körper. Auf dem anderen Arm war ein weiteres Tattoo – das bekannte Schia-Ambigramm.

»Das war einer dieser Assassinen.«

»Warum sollten die hinter uns her sein?« Nick sah auf sein pockennarbiges Gesicht herunter. »Den habe ich schon in der Bibliothek gesehen. Er muss uns beobachtet haben, als du das Manuskript studiert hast. Es hat uns vermutlich zu Zielscheiben gemacht.«

»Aber er hätte hier doch ewig warten können. Vielleicht wäre nie jemand aufgetaucht, um sich die Schriften anzusehen.«

»Hat für sie wohl keine Rolle gespielt. Vielleicht überwachen sie die Bibliothek aber auch erst, seit sie wieder angefangen haben, Leute umzubringen.«

»Dann muss ich wohl etwas Wichtiges entdeckt haben.«

»Stimmt.«

DIE SIEBTE SÄULE (Project 3)

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