Читать книгу DIE SIEBTE SÄULE (Project 3) - Alex Lukeman - Страница 17
Kapitel 12
ОглавлениеNick fragte sich am Flughafen durch und machte einen amerikanischen Piloten namens Harmon ausfindig. Harmon verabredete sich mit ihnen in einer Bar, seiner Aussage nach die einzige Kneipe in der Stadt, die kaltes Bier servierte. In Mali praktizierte man einen toleranten Islam, die Art von Glauben, der den Fanatikern ein Dorn im Auge war. Muslimische Länder waren generell nicht bekannt für ihre große Auswahl an Bars, aber ein paar gab es schon.
Der Laden wirkte wie ein Zeitsprung in die Dreißiger. Er war je zur Hälfte mit Einheimischen und Ausländern gefüllt. Der Bartender trug ein weißes Jackett, das schon bessere Zeiten gesehen hatte. An der Rückwand der Bar waren fleckige Spiegel und etwa ein Dutzend Flaschen in einem hölzernen Regal. Deckenventilatoren bemühten sich vergeblich, die stickige Luft in Bewegung zu versetzen. Zerkratzte Tische waren willkürlich im Raum verteilt. Ein altes Wandpiano stand neben einer kleinen Bühne. Ein fetter Weißer in einem hellen Anzug mit Panamahut lümmelte sich auf einem Barhocker. Das Einzige, was noch fehlte, waren Humphrey Bogart und jemand, der ein Stück von Cole Porter spielte. Hinter der Bühne erkannte Nick einen fadenscheinigen Vorhang. Er erwartete jeden Moment, dass Marlene Dietrich oder Amelia Earhart dahinter hervortraten und einen Song zum Besten gaben. In einer Ecke saßen vier Amerikaner in Zivil, alle mit breiten Schultern und verdächtig kurzen Haaren. Sie unterhielten sich. Er erkannte den Haarschnitt: Spezialkräfte, vermutlich Army Ranger. Die USA hatten Militärberater im Land. Mali war eine der neuen Fronten im sogenannten Krieg gegen den Terror. Französischer Euro-Rock malträtierte die Ohren aus krächzenden Lautsprechern in der Decke.
Niemand tanzte. Die Bar war bunt. Sie war laut. Sie war exotisch. Sie war deprimierend. Ein Kellner nahm ihre Bestellung auf. Die Getränke kamen an den Tisch. Carter nahm einen Schluck aus der Flasche und sah auf das Etikett. Castel, die selbsternannte ›Königin der Biere‹. »Nicht übel.«
»Willst du probieren?« Selena hatte einen Amarula, einen afrikanischen Likör, der wie Baileys und Khalua schmeckte, gemischt mit Schokolade. Wie ein alkoholischer Milchshake.
»Nein, danke. Da kommt auch schon unser Pilot.«
Ein Mann kam durch die Tür der Bar, nur eine Silhouette im gleißenden Sonnenlicht. Er war nicht groß, aber er strahlte Selbstvertrauen aus. Er hatte kurz geschnittenes, schwarzes Haar und wirkte wie ein Ex-Militär, dessen Dienstzeit noch nicht lange zurücklag. Er trug khakifarbene Kleidung, die aus einem Armeeladen oder einem L.L. Bean stammen mochte. Sein Name war Joe Harmon. Carter hatte Selena gebeten, ihn vorab zu überprüfen. Er war ein Pilot ohne Flugzeug. Das ausgebrannte Wrack, das sie bei ihrer Ankunft auf dem Timbuktu International gesehen hatten, war seine letzte Maschine gewesen. Harmon war in der Army gewesen, ein Hubschrauberpilot, der als WO-3, Chief Warrant Officer Cl. 3, den Dienst quittiert hatte. Kampferfahrung im Irak und in Afghanistan. Ein Mann nach Nicks Geschmack. Er hob die Hand. Harmon kam auf sie zu und setzte sich zu ihnen.
»Selena, das ist Joe Harmon.«
»Ist mir ein Vergnügen.«
Carter bemerkte, wie Harmon sie unauffällig musterte. Es überraschte ihn nicht. Jedes männliche Wesen, das noch etwas Leben in sich hatte, hätte sie abgecheckt. Er winkte den Kellner herbei und Harmon bestellte ein Bier. »War ziemliches Pech mit Ihrem Flugzeug.«
»Stimmt. Bin direkt in einen Haboob geraten. Die Motoren fraßen Sand und schon ging es abwärts.«
»Was ist ein Haboob?«, fragte Selena.
»Ein besonders übler Sandsturm. Der schlimmste, den ich je erlebt habe. Ich kam aus Burkina Faso mit einer Ladung Schweißzubehör. Hatte nicht genug Sprit, um einfach umzudrehen. Hätte es auch beinahe geschafft.« Er zuckte mit den Achseln, als wäre es keine große Sache. Aber Carter wusste, dass Harmon hier gestrandet war.
»Ihre Versicherung wollte nicht zahlen. Muss ein schwerer Schlag gewesen sein.«
»Woher wissen Sie das?«
»Wir haben Sie natürlich überprüft.«
»Sind Sie von der CIA?«
»Nein, aber wir haben gute Verbindungen und würden Ihnen gern ein Angebot machen.«
Harmon trank aus seiner Flasche. »Dann lassen Sie mal hören.«
»Wir brauchen jemanden, der uns nach Norden fliegt, nach Algerien. Wir wollen uns dort nur etwas umsehen und versuchen, ein bestimmtes Fahrzeug aufzuspüren.«
»Ist das Gebiet der AKIM.«
»Das Fahrzeug könnte Teil einer al-Qaida-Operation sein.« Carter wollte Harmon gerade genug Informationen geben, um ihn neugierig zu machen. Er hatte eine saubere Militärakte. Nick vermutete, dass ihm sein Land nicht egal war.
»Sie sind doch von der Agency«, sagte Harmon.
»Nein, aber so ähnlich. Es ist wirklich wichtig für uns, diesen Lastwagen zu finden. Wir müssen nichts weiter tun, als versuchen, ihn zu finden. Vom Boden aus geht das nicht. Wir brauchen den Blick aus der Luft. Und wir möchten keinen der Einheimischen einsetzen.«
»Die würden Sie da sowieso nicht hinbringen.«
»Können Sie ein Flugzeug besorgen?«
»Das kann ich tatsächlich.« Gedankenverloren zeichnete er mit seiner Bierflasche Ringe auf die Tischplatte. Carter wartete ab.
Selena beobachtete die beiden Männer. Sie vermutete eines dieser Männerrituale. Zwei Löwen, die sich umkreisten. Sie hielt sich lieber da raus.
»Hier in der Stadt soll es eine alte französische Maschine geben. Der Mann, dem sie gehört, ist Mechaniker. Hab sie mir noch nicht angesehen. Er sagt, sie sei in gutem Zustand, aber er kann sie selbst nicht fliegen. Er ist durch eine Augeninfektion erblindet, die er sich vor Jahren am Fluss geholt hat. Er würde mir die Maschine vermieten. Ist ein Viersitzer.«
»Ein blinder Mechaniker?«
»Genau.«
»Ein alter französischer Viersitzer?«
Harmon nickte.
Carter dachte nach. Ein altes Flugzeug und ein blinder Mechaniker. Irgendwie passend.
»Was würden Sie zahlen?« Harmon winkte den Kellner herbei.
»Fünfhundert pro Tag, ab heute. Sie fliegen uns da rauf. Wir sehen uns um. Wir fliegen zurück. Das war’s.«
»Euro oder Dollar?«
»Dollar.«
»Wer zahlt für das Flugzeug, die Vorräte und den Sprit? All das kostet Geld.«
»Wir kommen für alles auf.«
Harmon spielte wieder mit seiner Flasche. »Vielleicht könnten Sie mir da bei einer Sache behilflich sein. Mit Ihren Verbindungen.« Carter horchte auf. »Es gibt da einen Bullen namens Samake. Ist beim Sicherheitsdienst, dem hiesigen Geheimdienst, aus Bamako.«
»Wir sind ihm begegnet.«
»Ich hatte zweihundert Flaschen Sauerstoff und Acetylen im Frachtraum, als ich abstürzte. Die Maschine fing Feuer. Ich rannte wie der Teufel und die Maschine ging hoch. Jetzt denkt Samake, ich hätte Material für Terroristen an Bord gehabt. Irgendwelchen Sprengstoff. Er hat meinen Pass behalten. Bis zum Abschluss der Untersuchungen, sagte er. Sie holen ihn mir wieder und mich raus aus diesem Drecksloch, dann sind wir im Geschäft.«
»Ich denke, das lässt sich arrangieren. Aber wir müssten uns zuerst das Flugzeug ansehen.«
»Klingt fair. Wie wäre es, wenn wir uns morgen vor dem Hotel de Colombe treffen und es uns anschauen? Sie wissen doch, wo das Colombe ist?«
»Wir wohnen dort.«
Harmon leerte seine Flasche. »Morgen früh um sieben. Bevor es richtig heiß wird.« Er deutete auf die leeren Flaschen auf dem Tisch. »Die gehen dann wohl auf Sie.«