Читать книгу 9 ungewöhnliche Western April 2020: Western Sammelband 9006 - Alfred Bekker - Страница 26
19
ОглавлениеIm Crystal Palace Hotel zu Phoenix stand zur selben Zeit der vornehme Titus Lancaster an einem Fenster in der von ihm gemieteten Zimmerflucht und schaute auf das rege Treiben der Hauptstraße hinunter.
Lancaster war ein sechs Fuß großer, breitschultriger, etwas massiger Mann mit vollen, aschblonden Haaren. Buschige Brauen ließen seine hellblauen Augen dunkler erscheinen, als sie tatsächlich waren, und durch den sauber gestutzten Schnurrbart wirkte er etwas älter, als es seinen fünfundfünfzig Jahren entsprach.
Lancaster trug einen auf Maß geschnittenen Cordanzug von hellgrauer Farbe, ein weißes Hemd mit kostbaren Rüschen und eine weinrote Samtschleife. Lackschuhe und Gamaschen vervollständigten den vornehmen Eindruck.
Napoleon, Lancasters Diener und Kutscher, stand in devoter Haltung ein paar Schritte hinter seinem Herrn am Nussholzschreibtisch und wartete, dass Lancaster sich umwenden würde, was jedoch noch nicht geschah. Der Diener war von hochgewachsener, kräftiger Gestalt, hatte einen markanten Schädel und kleidete sich selbst so erlesen, dass er nicht wie der Diener, sondern eher wie der Bruder des Bosses aussah.
„Hast du Saint gefunden?“, fragte Lancaster gegen die Scheibe.
„Ja, Sir. Er lebt in einer kleinen Absteige in einer Nebengasse und hat einen verletzten Kumpan bei sich.“
„Wie ist dein Eindruck?“
„Es geht ihm offenbar nicht besonders gut, Sir.“
Lancaster wandte sich um. „Er soll mich aufsuchen. Aber durch den Hintereingang.“
Napoleon deutete eine Verbeugung an und verließ das Zimmer. „Napoleon!“
Der Diener wandte sich, schon draußen, um. „Sir?“
„Wo ist Uvalde?“
„Mister Uvalde wollte zum Bahnhof.“ Ein Grinsen huschte über das Gesicht Napoleons. „Der Zug von Norden herunter muss in dieser Stunde eintreffen.“
„Ach so. Ja, es ist gut.“
Napoleon schloss die Tür. Lancaster schaute wieder auf das bunte Treiben hinunter. „Der Zug von Norden.“ Er lachte spöttisch. Aber der hässliche Ausdruck verschwand schon in der nächsten Sekunde von seinem Gesicht. Nichts verriet mehr den skrupellosen Geschäftsmann in ihm. Die feine, kultivierte Fassade verbarg alle Bösartigkeit und Brutalität, die ein wesentlicher Zug seiner Persönlichkeit waren und ihn befähigten, auch mit lichtscheuem Gesindel, mit Gaunern, Betrügern, Dieben und großkalibrigen Halunken zusammenzuarbeiten, wenn dies seinen vielfältigen Interessen und Zielen diente.