Читать книгу Romantic Thriller Sommer 2020: 9 Romane um Liebe und Geheimnis - Alfred Bekker - Страница 47
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Es roch nach Moder und Verwesung. Die grob behauenen Wände waren feucht und glitschig, Moose und Flechten fristeten ein karges Leben, Spinnen hatten ihre Netze großzügig gewebt, in der Hoffnung auf leichte Beute. Kleine Tiere huschten am Boden davon, verschwanden in irgendwelchen Nischen, aufgeschreckt durch die ungewohnten Geräusche und das grelle Licht.
Eine ganze Zeit ging es so voran, doch irgendwann gabelte sich der Gang.
„Wohin jetzt?“, fragte Maggie, die immer noch voranging. Ihre Stimme klang gespenstisch hohl, und als sie neugierig die Taschenlampe gegen die Decke richtete, flog eine ganze Schar Fledermäuse auf. In wilder Panik umschwirrten sie die Menschen und verfingen sich in der Kleidung und den Haaren, als die drei erschreckt Abwehrbewegungen machten.
„Das war keine gute Idee“, brüllte Felton.
Die Tiere schienen in den höchsten Tonlagen zu kreischen, und schließlich sanken die Menschen zu Boden und hielten sich nur noch die Ohren zu.
Aber schließlich ließ das Inferno nach.
Die Taschenlampen lagen am Boden und beleuchteten die kahlen Wände, und Maggie, die erschöpft am Boden saß, bemerkte plötzlich eine Fuge in der sonst glatten Wand.
„Da ist etwas“, flüsterte sie.
Alle nahmen ihre Taschenlampen wieder auf und beleuchteten die Stelle, die Maggie ihnen wies.
„Ein Riss im Felsen“, meinte Felton abfällig.
„Nein, sehen Sie her, das sieht aus wie eine Tür“, stellte McBride fest.
„Na toll, und wo ist dann die Klinke?“
„Sie sind ein Ignorant!“
„Fangt ihr schon wieder an?“, fauchte die junge Frau dazwischen. „Sucht lieber sorgfältig. Vielleicht gibt es irgendwo einen Kontakt wie in der Bücherei.“
„Du lieber Himmel, wer hätte sich denn solche Arbeit machen wollen?“, fragte Felton ungläubig.
„Ihre schmuggelnden Vorfahren“, erklärte sie mit sanfter Ironie. „Oder was glauben Sie, wo wir letztendlich herauskommen werden? Ich möchte jedenfalls wetten, in einer Höhle direkt am Wasser. Das würde auch die Feuchtigkeit hier unten erklären.“
„Lassen Sie uns noch weitersuchen“, schlug auch Kevin vor. „Vielleicht finden wir noch eine Kiste uralten Whisky. Der könnte uns wärmen.“
„Ich sehe schon, Sie beide nehmen das hier nicht ernst“, seufzte Felton.
„Aber natürlich doch“, erwiderte Maggie sanft. „Auch Ihnen müsste Ihr gesunder Menschenverstand sagen, dass wir keine Möglichkeit auslassen dürfen. Es könnte ja schließlich sein, dass der Goldschatz dahinter liegt.“
„Wie kommt es nur, dass Sie bei all Ihrer Unlogik und Ihrem Leichtsinn auch noch recht haben könnten?“, fragte der Gutsherr schließlich mit gespielter Verzweiflung.
Nun begann sie zu suchen und die Wände abzutasten, doch außer schmutzigen und schmierigen Händen erreichten sie zunächst gar nichts. Schließlich nahm Kevin sein großes Taschenmesser heraus und steckte es in die Fuge. Langsam und vorsichtig, aber systematisch ließ er die lange scharfe Klinge den Schlitz entlanggleiten. Plötzlich traf er auf Widerstand, Eisen schien auf Eisen zu schaben, und ein schauerliches Knarren ertönte.
„Weg, beiseite!“, brüllte der Tierarzt und brachte sich mit einem raschen Sprung selbst auf die Seite in Sicherheit.
Die Tür, oder wie immer man dieses Gebilde aus grobem Stein nennen wollte, schwang wie in Zeitlupe auf, wobei die rostigen Scharniere einen fürchterlichen Lärm verbreiteten. Mit einem letzten schrillen Kreischen brach das Geräusch ab, und die Öffnung, die sich gebildet hatte, bot gerade mal Platz für einen sehr schlanken Menschen.
„Ich gehe“, bestimmte Maggie, nachdem sie den schmalen Durchgang gemustert hatte.
„Seien Sie ja vorsichtig“, riet Felton.
Kevin sagte nichts. Er starrte sie nur mit brennenden Augen an, und in dem seltsamen Licht schien sein Gesicht sehr bleich.
Die junge Frau zwängte sich durch die schmale Öffnung, leuchtete ein wenig mit der Lampe umher und machte ein, zwei Schritte. Dann begann sie heftig zu husten.
Sie stellte fest, dass sie sich in einem regelrechten Raum befand.
„Igitt“, rief sie plötzlich aus.
„Was ist?“, fragte McBride alarmiert.
Abscheu und Ekel klangen aus Maggies Worten, als sie jetzt antwortete.
„Hier liegen zwei Skelette. Kein sehr schöner Anblick.“
„Die tun Ihnen aber vermutlich nichts mehr“, stellte Felton lakonisch fest. „Ist da sonst nichts?“
„Du meine Güte, sind Sie herzlos. Vielleicht hat man die beiden hier noch lebend eingesperrt? Jedenfalls sieht das aus, als hätten sie sich im Tode noch umarmt. Berührt Sie das überhaupt nicht?“
„Nein, im Augenblick nicht. Sie dürfen aber später oben in der Chronik nachschlagen, vielleicht finden Sie etwas darüber. Aber ich denke, die haben mit unserer Sache nichts zu tun.“
„Hier steht noch eine Kiste“, rief Maggie. „Mal sehen, ob ich die aufkriege, die Schlösser sind ganz schön verrostet.“
Sie stöhnte bei der Anstrengung, doch schließlich gelang es ihr, den Deckel anzuheben.
„Oh“, rief sie. „Das stinkt vielleicht. Hier waren scheinbar Kleider oder so etwas drin. O Mann. He, George, ich habe hier ein Collier und ein Armband gefunden. Fehlt Ihnen das vielleicht?“
Die Miene des Gutsherrn wurde plötzlich nachdenklich.
„Bringen Sie die beiden Teile bitte mit. Und nun kommen Sie wieder heraus, oder ist da noch etwas?“
„Nein, ich denke, das war es dann.“
Gleich darauf schlüpfte sie wieder durch die Öffnung und hielt Felton triumphierend die Schmuckstücke hin. Er und McBride leuchteten mit ihren Lampen auf funkelndes Gold und kostbare Smaragde. Kevin pfiff bewundernd durch die Zähne. „Das hat sich gelohnt“, stellte er fest.
George Felton betrachtete nachdenklich die beiden wunderschönen Gebilde, die Eicheln und Eichenblättern nachgebildet waren, dann reichte er sie Maggie.
„Bitte, nehmen Sie das an. Ich will diese Schmuckstücke nicht. Und schließlich haben Sie sie gefunden.“
Maggie starrte ihn an wie das achte Weltwunder.
„Bei Ihnen piepts wohl“, stellte sie dann respektlos fest. „Das kann ich auf keinen Fall annehmen.“
Felton lächelte schmerzlich. „Es handelt sich dabei um eine Art Kriegsbeute. Einer meiner Vorfahren hatte einen Krieg gegen einen anderen Clan geführt, um eine Frau zu erobern. Er schaffte es auch, die anderen zu besiegen und führte die Frau heim. Doch sie verweigerte sich ihm, sie liebte einen anderen. Daraufhin ließ mein Ahnherr die beiden samt dieser Morgengabe hier unten einsperren. Das Vorhandensein der beiden Schmuckstücke rief mir diese dunkle Geschichte wieder ins Gedächtnis.“
„Tolle Vorfahren können Sie haben“, stellte Maggie noch immer ungerührt fest. „Aber das ist kein Grund für mich, ein solches Geschenk anzunehmen.“
„Auch nicht, wenn ich Sie ehrlich darum bitte?“
„Nun nehmen Sie schon, Maggie“, drängte Kevin. „Und dann lassen Sie uns weitergehen. Mir ist kalt. Außerdem denke ich, haben wir genügend Zeit hier vergeudet.“
Sie zögerte nun nicht mehr länger, aber so ganz wohl war ihr immer noch nicht. Was würde Felton irgendwann als Gegenleistung verlangen?