Читать книгу Romantic Thriller Sommer 2020: 9 Romane um Liebe und Geheimnis - Alfred Bekker - Страница 50
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George Felton war unzufrieden mit sich selbst. Aus einer Anwandlung heraus hatte er Maggie den Schmuck geschenkt. Er wollte sie sich immer mehr verpflichten, so dass sie endlich eine Verbindung mit ihm in Betracht zog, das war schon richtig. Und doch wäre es logisch gewesen, hätte er den Schmuck behalten und der jungen Frau einen ansehnlichen Finderlohn gezahlt. Doch er befand sich wirklich in erheblichen Geldschwierigkeiten. Das Gestüt allein verschlang schon ein Vermögen, das längst nicht durch die Pflege der eingestellten Fremdtiere abgedeckt war. Dazu kam die Renovierung des Herrenhauses, die alle Kostenvoranschläge überschritten hatte. Er brauchte dringend Geld, egal, aus welcher Quelle. Da war es eigentlich unsinnig gewesen, den schier unschätzbaren Schmuck aus den Händen zu geben. Und doch hatte er es getan. Natürlich, McBride war dabei gewesen, dem gegenüber musste er sich schon generös zeigen. Aber vielleicht erwärmte sich Maggie O’Connor wirklich für ihn, dann kam der Schmuck ohnehin zurück in Familienbesitz. Sie war zwar nicht reich, kam aber aus guter Familie und hatte einen Beruf, der seinen Interessen entgegenkam. Und sie sah gut aus.
Felton hegte also teilweise recht erfreuliche Gedanken, als Sinclair noch hereinkam.
„Gibt es noch etwas Wichtiges?“, wollte der Gutsherr etwas ungehalten wissen. „Es ist spät, und wenn es nicht schon lebenswichtig ist, würde ich das Gespräch gerne auf morgen verschieben.“
„Nein, Sir, ich kann und will dieses Gespräch nicht mehr verschieben.“
Felton horchte auf. „Was ist denn los? Haben Sie private Probleme? Wenn ich kann, dann will ich Ihnen gerne helfen. Brauchen Sie Geld, einen Rat oder sonst etwas?“
„Sie sind äußerst großzügig, Mister Felton“, sagte Sinclair. Felton spürte eine verhaltene Erregung bei seinem Stallmeister, schob diese jedoch auf das vermeintliche Privatproblem des Mannes.
„Nun, dann reden Sie schon, was kann ich für Sie tun?“, fragte er dann jovial. „Aber setzen Sie sich doch vorher.“ Aufmerksam schaute er seinen Stallmeister an. Felton hatte es immer gut verstanden, seine Leute an sich zu binden, denn er war auch für persönliche Probleme ansprechbar. Dass es ihm zur Zeit eigentlich nicht passte, spielte keine Rolle. Er war trotzdem bereit, sich die Zeit zu nehmen, das machte einen Großteil seiner Beliebtheit unter dem Personal aus. Also schob er seine eigenen Probleme erst mal an die Seite und konzentrierte sich auf Sinclair.
Der kratzte sich am Hinterkopf, eine Angewohnheit, die er jedesmal ausführte, wenn er verlegen war.
„Es ist so“, begann er etwas umständlich. „Ich wollte mit Ihnen über meine Mutter reden.“
„Oh, geht es ihr nicht gut? Brauchen Sie Urlaub?“
„Nein, das ist es nicht. Meine Mutter ist schon tot. Kannten Sie sie?“
Felton schüttelte etwas ratlos den Kopf. Worauf wollte dieser Mann hinaus?
„Nun, Ihr Vater kannte sie aber, sehr gut sogar.“
„Und was bitte, hat das jetzt mit Ihnen und mir zu tun? Entschuldigen Sie, Sinclair, aber kommen Sie bitte zur Sache.“
„Ganz wie Sie meinen. Also, meine Mutter und Ihr Vater hatten vor vielen Jahren ein Verhältnis. Und ich - ich bin das Ergebnis daraus.“
Felton war schockiert und sprachlos, nur mühsam fasste er sich.
„Nun gut, ich nehme an, Sie können diese äußerst kühne Behauptung auch beweisen. Denn das würde ja bedeuten, dass...“ Er brach ab, und seine Augen weiteten sich, als würde er erst jetzt voll begreifen, was Sinclair ihm da gerade eröffnet hatte.
„Ja, ich bin Ihr Halbbruder, George Felton. Aber mich hat niemand so gefördert und verwöhnt wie Sie. Ich habe nicht die besten Schulen des Landes besuchen dürfen. Ich bin nicht behütet aufgewachsen mit teurer Kleidung, Freunden aus den besten Kreisen und einem Auto, als ich sechzehn wurde. Mein Leben bestand aus Armut und harter Arbeit.“ Die Stimme Sinclairs klang hart und bitter, und Felton konnte das irgendwie verstehen. Wenn es stimmte, was der Mann sagte, dann musste er sich betrogen fühlen.
„Warum hat Ihre Mutter nie etwas gesagt? Und warum haben Sie so lange geschwiegen? Das musste doch nicht sein?“, forschte Felton noch immer erschüttert. Er stand auf und goss sich einen Whisky ein, zögerte einen Moment und bereitete dann auch Sinclair einen Drink. „Warum kommen Sie erst heute Abend damit heraus?“
Der Stallmeister nahm das Glas, das Felton ihm reichte, aber er trank nicht, er starrte sein Gegenüber voller Hass an. „Ich kann es nicht mehr mit ansehen, wie Sie hier satt und zufrieden im Herrenhaus sitzen und die Befehle geben, während Ihnen schon längst finanziell das Wasser bis zum Halse steht. Ich will nicht nur meinen Anteil an all diesem hier. Nein, ich will das Gestüt.“
„Sie sind ja verrückt!“, stieß Felton hervor.
„Ganz und gar nicht. Ich habe die Mittel, Sie auszuzahlen, wenn Sie sich vernünftig zeigen. Denn ich bin im Besitz der dritten Schachfigur, die mir den Weg zu dem Goldschatz weist. Ich will Clarion Manors, Mister Felton. Und ich werde es bekommen.“
„Das ist absolut absurd. Nicht nur, dass Sie bisher noch keinen Beweis für Ihre Behauptungen geliefert haben, Sie versteigen sich hier zu Forderungen, die außerhalb aller Realität liegen. Ich bin gerne bereit, nach einer Möglichkeit zu suchen, die Ihnen einen angemessenen Ausgleich verschafft, auch wenn ich Sie nicht in vollem Umfang an meinem Erbe beteiligen kann. Mein Vater hat Sie nicht anerkannt, und wie gesagt, ich muss erst einmal einen Beweis sehen, bevor ich glauben kann. Aber im Augenblick gehe ich davon aus, dass Sie die Wahrheit sagen. Vermutlich hat Ihre Mutter Ihnen das alles erzählt, und ich bedaure es sehr, dass ich vorher nichts davon wusste. Aber wie kommen Sie an die dritte Schachfigur?“
„Sie sind ein Narr, Felton. Ich biete Ihnen einen ehrenvollen Rückzug und ein Vermögen, wenn Sie nur auf das Gestüt verzichten. Ich liebe die Pferde, das habe ich immer gesagt. Nun, Sie wollen wissen, wie das alles abgelaufen ist? Meine Mutter, war die Tochter eines Fischers, der nur recht und schlecht seine Familie ernähren konnte. Schön früh wurde meine Mutter Küchenmädchen auf Clarion Manors. Sie war gerade mal fünfzehn, als Ihr Vater begann sie zu bedrängen. Oh, ich beschuldige ihn nicht sie gezwungen zu haben, nein. Sie war blutjung und ungebildet, unerfahren im Umgang mit Männern. Er war reich, wesentlich älter und ein weltoffener Mann. Er beeindruckte das junge Mädchen, machte ihr kleine Geschenke und nahm es dann als selbstverständlich hin, saß sie sich ihm hingab. Als sie dann voller Entsetzen feststellte, dass sie schwanger war, bat sie ihn, sie zu heiraten. Doch er lachte nur und lehnte entrüstet ab, er war mit Ihrer Mutter bereits verlobt. Und ein armes Mädchen wie meine Mutter nahm man für ein paar vergnügliche Stunden, aber man heiratete es nicht. Er gab ihr also etwas Geld und schickte sie weg. Zuhause bei ihren Eltern wurde meine Mutter mit Schimpf und Schande ebenfalls hinausgeworfen, und sie wollte sich schon selbst töten. Doch ein gütiges Schicksal in Form des Pfarrers bewahrte sie vor diesem Schicksal.
Er nahm sie im Pfarrhaus auf, betreute sie, und als das Kind, als ich, kam, sorgte er dafür, dass das Gerede im Ort aufhörte und meine Mutter wieder Arbeit bekam.
Ihr Vater, George Felton, lehnte jede Verantwortung ab, behauptete sogar, da könnte ja jeder der Vater sein. Meine Mutter war zu stolz, um ihn zu verklagen. Sie vertraute mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit an, wer ich war, und nahm mir kurz vor ihrem Tod das Versprechen ab, mir irgendwann meine Rechte, die mir vorenthalten wurden zu nehmen.
Als auch der Pfarrer starb, gab er mir auf dem Totenbett die Schachfigur und erzählte mir, was es damit auf sich hat. So, nun kennen Sie die Hintergründe, Mister Felton.“
Er spuckte die letzten Worte regelrecht aus.
Felton hatte voller Erschütterung zugehört. Er verstand nun den Hass, der über viele Jahre hinweg in Sinclair geschwelt haben musste. Aber warum kam er jetzt zum Ausbruch?
„Ich wiederhole mich, Mister Sinclair“, sagte er dann gezwungen ruhig. „Gleich morgen werde ich meine Anwälte anrufen und mich nach einer angemessenen Möglichkeit umsehen, Ihnen Wiedergutmachung widerfahren zu lassen.“
„Ich wiederhole mich auch: Sie sind ein Narr, Felton. Ich habe Ihnen gesagt, ich will Clarion Manors, weil es mir zusteht, und ich will es heute noch. All die Jahre habe ich hier geschuftet wie ein Verrückter. Ich habe Ihre Vorhaben unterstützt ein Gestüt einzurichten, eine wunderbare Idee. Ich liebe jedes einzelne Tier. Aber wenn Sie nicht heute noch vernünftig werden, dann sorge ich dafür, dass keiner von uns beiden noch etwas davon hat.“