Читать книгу Fünf Mörder: 5 dicke Strand Krimis - Alfred Bekker - Страница 26
17.
ОглавлениеEr lauschte.
Kein Geräusch, nur das Summen des eigenen Blutes.
Schuster schlug die Augen auf. Das trübe Dämmerlicht, das durch das winzige Fenster fiel, blendete ihn nicht. Er erinnerte sich wieder, wo er war. Dann spürte er den Schmerz im rechten Handgelenk.
Er hob die Hand ein wenig an, bis die Handschelle klirrte. Das Gelenk war geschwollen.
Er hatte sehr unruhig geschlafen in dieser Nacht. Jetzt war es früher Morgen. Er konnte seine Uhr sehen.
Bernd wälzte sich herum und schwang die Beine auf den Boden. Sie wirkten schwer wie Blei. Er betrachtete die Handschelle, aber das hatte er schon ausgiebig getan, seit man ihn hier zurückgelassen hatte. Ohne Hilfsmittel war die stählerne Fessel nicht aufzubekommen.
Er verspürte Durst und wühlte in der Papiertüte, die ihm seine Entführer freundlicherweise hingestellt hatten. Er entdeckte eine Plastikflasche mit irgendeinem Saft, der scheußlich schmeckte und überdies lauwarm war. Aber wenigstens war sein Durst gestillt.
Die Isolierung seiner Zelle war wirklich gut. Obwohl er sich mitten im Ort befand, hörte er keinen Laut. Er fragte sich, was die Gangster wohl vorhatten. Nun, die Antwort war nicht allzu schwierig. Sie würden vermutlich einen neuen Versuch machen, die Geheimnisse von Romann Electronics zu stehlen.
Bernd musterte sein Gefängnis. Sein Blick fiel auf die Tür. Sie war natürlich abgeschlossen, aber vielleicht doch einer näheren Untersuchung wert.
Er stand auf und zog versuchsweise an dem Bettgestell. Es rührte sich nicht von der Stelle. Er zog stärker, und dann bewegte es sich ein paar Zentimeter. Bernd fluchte leise und verdoppelte seine Anstrengungen.
Dann sah er, dass die Beine am Boden festgeschraubt waren. Zumindest an zwei Stellen. Eine der Schrauben hatte er bereits ein Stück herausgerissen, aber die andere saß bombenfest. Er bückte sich und prüfte das Hindernis. Er brauchte einen Hebel!
Der einzige Gegenstand, der sich noch im Raum befand, war der alte Kohlenofen. Wenn er sich ausstreckte, konnte er ihn berühren.
In diesem Moment hörte er ein Geräusch, unmittelbar vor der Tür. Die Männer kamen zurück. Rasch legte Bernd sich wieder auf das Bettgestell und drehte den Kopf zur Tür.
Ein Schlüssel drehte sich im Schloss, dann ging sie auf. Dahinter entdeckte er die grinsenden Gesichter seiner beiden Freunde. Sie sahen richtig zufrieden aus, und dies konnte eigentlich nichts Gutes bedeuten.
„Haben Sie sich schön ausgeruht?", erkundigte sich der mit den kalten Augen.
„Ist doch gemütlich, nicht?“ assistierte der andere.
Bernd verzog das Gesicht. „Es hätte ein schöner Tag werden können, wenn Sie nicht gekommen wären."
„Unser kleiner Witzbold!“ Die beiden lachten, dann kümmerten sie sich nicht mehr um ihn, und Bernd hatte Gelegenheit, sie zu beobachten. Er wusste, dass sie ihn umbringen wollten, sonst hätten sie sich nicht so sorglos benommen. Er musste sich etwas einfallen lassen, wenn er sein Leben retten wollte. Es blieb nicht mehr viel Zeit.
Die beiden holten aus dem Vorraum Tisch und Stühle und stellten sie an der Tür auf. Dann schütteten sie aus einem großen Beutel jede Menge Papiere und andere Dinge auf den Tisch. Sie beugten sich darüber und wühlten darin herum.
Der mit den kalten Augen, der etwas Größere von ihnen, wählte einiges aus und legte es zur Seite.
„Ich denke, dass wir unserem Freund nicht alles geben. Wir sollten einiges behalten, entweder als Druckmittel oder zum Verkauf an andere.“
„Wer käme dafür in Frage?“, wandte der andere ein.
„Das wird sich finden. Jedenfalls verstecken wir am besten die Computerbänder. Sie sind das Wichtigste. Vielleicht weiß der Kunde nicht, dass es sie gibt. Mit den anderen Dingen kann er nicht sehr viel anfangen. Aber er ist sicher kein Fachmann."
Er kicherte. „Das werden erst die Spezialisten merken, aber dann ist es zu spät.“
Bernd begriff sofort, worum es ging. Die beiden hatten die Unterlagen von Romann erbeutet und machten sich daran, sie jetzt zu verscherbeln. Offenbar gab es bereits einen Interessenten, den sie aber übers Ohr zu hauen gedachten. Ganoven blieben eben Ganoven.
„Was haben Sie mit mir vor?“, fragte Bernd.
Der Größere drehte sich um. „Sie müssen schon noch ein bisschen unser Gast bleiben, bis wir das Geschäft abgewickelt haben. Es wird nicht mehr lange dauern.“
Bernd sah, dass sie die Bänder zusammentrugen und wieder in den Beutel steckten. Dann verschwand der Kleinere mit den Sachen nach draußen und rumorte dort herum.
Anschließend rauchten die beiden genüsslich eine Zigarette, und auch Bernd spürte Appetit darauf, aber er sagte nichts. Beide Männer blickten immer wieder auf ihre Uhren.
Der Kleinere drehte plötzlich den Kopf.
„Das muss er sein.“
Der andere nickte und zeigte auf Bernd. „Kümmere dich um ihn.“
Er kam mit einer dicken Wolldecke zurück und breitete sie über Schuster. Dann zurrte er sie an den Ecken fest und ermahnte Bernd, sich nicht zu bewegen, da dies als unfreundlicher Akt ausgelegt würde. „Sie dürfen unseren neuen Gast nämlich nicht sehen. In Ihrem eigenen Interesse, sonst erledigt er Sie womöglich gleich.“
Bernd ließ die Prozedur stumm über sich ergehen. Dann lauschte er nur noch. Er hörte schwere Schritte und eine fremdländisch klingende, gutturale Stimme, die ohne weitere Begrüßung gleich zur Sache kam. „Habt ihr die Unterlagen?“
„Hier sind sie“, sagte der Größere. „Es ist alles da.“
„Das will ich auch hoffen!", knurrte der Neuankömmling.
Die nächsten Minuten hörte Bernd nur Papierrascheln und ab und zu einen unterdrückten Laut. Dann war Stille. Selbst Bernd unter seiner Decke spürte die Spannung.
„Das ist nicht alles“, sagte der Neue ruhig. Die Worte lasteten im Raum. „Die Bänder fehlen.“
„Da waren keine Bänder“, entgegnete der Größere, der die Diskussion im Wesentlichen bestritt. Er schien der Kopf der beiden zu sein.
„Wir haben keine gefunden. Wir haben alles ausgeräumt, was das Zeichen XR 33 trug. Sie sehen doch, dass es ein ziemlicher Stapel ist.“
„Die Bänder sind das Wichtigste. Sie enthalten die Computer-Berechnungen, ohne die die Unterlagen hier ziemlich witzlos sind. So ein Ding zeichnen kann jeder, aber die Computerprogramme zu entwickeln dauert Jahre. Also, wo sind sie?“
„Wir haben Ihre verdammten Bänder nicht gesehen. Vielleicht befanden sie sich heute Nacht an einem anderen Platz. Es könnte doch sein, dass man sie aus Sicherheitsgründen entfernt hat, wenn sie so wichtig sind. Wir verstehen von diesen Dingen nichts. Wir haben nur gemacht, was unser Auftrag war, nämlich alles aus dem Tresor zu holen.“
Der Neuankömmling schwieg einen Moment, dann hörte Bernd seine Schritte näherkommen. „Was ist das denn?“ fragte er erstaunt.
„Das ist der Schnüffler", sagte der zweite Gangster.
„Ist er tot?“
„Nein, er erfreut sich noch bester Gesundheit."
„Das ist aber ziemlich unvorsichtig", meinte der Kunde der beiden Gangster. „Warum habt ihr ihn nicht umgelegt?“
Bernd war doch etwas verblüfft über die Kaltschnäuzigkeit, mit der hier über sein Leben diskutiert wurde.
„Das ist doch wohl eine Frage der Bezahlung“, meinte der mit den kalten Augen kühl. „Wir haben den Schnüffler aus dem Verkehr gezogen, dass er uns nicht in die Quere kommt. Alles Weitere ist eine Frage neuer Verhandlungen. Bisher haben wir nichts für ihn bekommen.“
„Mich interessiert er auch nicht, solange er nicht die Geschäfte stört, obwohl ich der Meinung bin, dass er endgültig ausgeschaltet werden sollte. Euer Auftraggeber wird sich sicher erkenntlich zeigen. Aber kommen wir zum wichtigeren Problem - den fehlenden Bändern.“
„Sie glauben uns doch hoffentlich!“
„Ich bin nicht sicher, aber ich muss die Erklärung zunächst akzeptieren. Ich werde mich mit dem Verkäufer in Verbindung setzen. Wenn Sie klug sind, rühren Sie sich unterdessen nicht von der Stelle. Ich lasse Sie unter Beobachtung. Ab jetzt werde ich die Angelegenheit übernehmen. Und ich warne Sie: keine Fehler.“
Die Stimme des Mannes war immer härter geworden. Bernd spürte, dass es sich um einen zu allem entschlossenen Mann handelte, der offenbar wusste, dass man ihn hereinlegen wollte, der dafür nur keinen Beweis hatte. Für einen Augenblick spielte Bernd mit dem Gedanken, diese Situation für sich zu nutzen, denn schließlich hätte er den Mann aufklären können, aber dann sagte er sich, dass er nur vom Regen in die Traufe käme. Von diesem Mann hatte er keine Hilfe zu erwarten.
„Hören Sie, so können Sie mit uns nicht umspringen!“, empörte sich der Größere.
„So? Kann ich nicht?“
Bernd hörte ein metallisches Geräusch und zwei überraschte Atemzüge.
„Ich spaße nicht. Bleibt also hier, bis ich den Fall geklärt habe, und Gnade euch Gott, wenn ihr versucht, mich aufs Kreuz zu legen. Ich komme in jedem Falle wieder.“
Sekunden später war er verschwunden. Ein paar Sekunden herrschte Stille, dann sagte der Kleinere: „Ich glaube, wir haben einen Fehler gemacht."
„Möglich“, meinte der andere kurz angebunden. „Dann lass uns diskutieren, wie wir aus der Sache herauskommen.“
„Wir hauen einfach ab.“
„Er sagt, er lässt uns beobachten. Ich glaube ihm. Denke daran, wie er uns neulich gefunden hat, nach unserem ersten Versuch. Aber andererseits kann er nicht den ganzen Block abriegeln.“
„Was geschieht mit ihm da hinten?“
Bernd spürte direkt, wie die beiden ihn anstarrten, dann sagte der Größere.
„Lass uns nach draußen gehen, er braucht nicht alles zu hören.“
Die Tür schloss sich hinter ihnen, und Bernd warf die Decke ab. Der Tisch an der Tür war leer. Der Käufer hatte die übrigen Unterlagen offenbar mitgenommen. Nur die Bänder mussten noch hier sein.
Bernd schwang sich wieder von der Matratze und streckte seine freie Hand zu dem Ofen aus. Er erreichte die gusseiserne Klappe, öffnete sie und hob sie ganz leicht aus den Scharnieren.
Rasch setzte er sie als Hebel an und legte sich mit seinem ganzen Körpergewicht dagegen. Ächzend kam die Schraube aus dem Holz. So lautlos wie möglich drückte er weiter, bis sie endgültig heraus war.
Er schob die Matratze von dem Gestell und musterte die Befestigung seiner Handschelle. Sie war an der Längsseite des Gestells befestigt. Wenn es ihm gelang, die Verschraubung an der Ecke aufzubekommen, konnte er sie abstreifen. Als erstes löste er die Befestigungen der Stahlfedern, die einfach eingehakt waren. Dann konnte er mit der dünnen Verriegelungsklappe der Ofentür die zwei dicken Schrauben lösen, mit denen das Gestell im rechten Winkel zusammengehalten wurde.
Es war nicht leicht, aber es ging schließlich.
Möglichst lautlos schob er die Handschelle über den Längsrahmen des Gestells. Bernd atmete auf. Endlich war er nicht mehr an das eiserne Gestell gefesselt. Zwar steckte seine rechte Hand noch in dem stählernen Ring, aber er konnte sie frei bewegen.
Bernd schlich zur Tür und legte das Ohr daran. Er hörte nur ein unverständliches Murmeln. Die beiden waren also noch da. Offensichtlich trauten sie sich nach der Drohung ihres Besuchers nicht weg. Schuster lächelte. Ganoven unter sich!
Die Frage war nur, wie er jetzt herauskam. Für seinen Begriff hatte er sich lange genug als unfreiwilliger Gast der beiden Gangster aufgehalten. In diesem Fall gab es noch eine Menge für ihn zu tun, und allmählich wurden auch die Hintergründe klarer, auch wenn einige Konturen noch verschwommen blieben.
Immerhin wusste er jetzt, wer für den Einbruch bei Romann Electronics verantwortlich zeichnete. Aber die beiden waren letztlich auch nur Werkzeuge. Es gab jemanden, der die Ware angeboten hatte, und es gab jemanden, der sie kaufte. Dieser Mann war gerade hier gewesen, und Bernd hatte den Eindruck, dass es sich um den Agenten einer fremden Macht gehandelt hatte. Es lag auch auf der Hand, wenn man daran dachte, welcher Art die gestohlenen Geheimnisse waren.
Der Auftraggeber musste sich im Werk auskennen, und er musste an einen der Schlüssel herankommen. Karsten Romann selbst? Vielleicht sein Bruder? Bernd schüttelte unbewusst den Kopf.
Auch Susanne Wille durfte er nicht außer Acht lassen. Als Chefsekretärin besaß sie sicher eine Gelegenheit, sich einen Schlüssel zu beschaffen. Dann war da noch Manfred Klein, der Sicherheitschef, der ebenfalls einen Schlüssel besaß. Diese Personen waren alle verdächtig. Schuster war noch mit seinen Überlegungen beschäftigt, als draußen plötzlich andere Geräusche zu hören waren.
Dann krachte ein Schuss, und eine Stimme schrie: „Ihr habt mich hereingelegt! Dafür werdet ihr jetzt bezahlen!“
Es war der Mann, der gerade erst die gestohlenen Unterlagen abgeholt hatte. Bernd erkannte ihn an seinem Akzent wieder. Der Mann hatte ziemlich schnell bemerkt, dass die beiden ihn aufs Kreuz gelegt hatten. Ein Anruf verriet ihm vermutlich rasch die Wahrheit.
Bernd überlegte weiter. Wenn der Fremde so schnell erfahren konnte, dass bestimmte Dinge fehlten, nämlich die Computerbänder, dann musste sein Informant genau darüber Bescheid wissen, was im Tresor gelegen hatte. Er musste auch wissen, was jetzt noch darin lag. Es blieb also beim Kreis seiner Hauptverdächtigen.
Aber jetzt ging es zunächst einmal darum, unverletzt aus dieser Geschichte herauszukommen. Noch war kein weiterer Schuss gefallen, aber das hatte nichts zu bedeuten. Die verfeindeten Parteien würden versuchen, eine vorteilhaftere Position zu erringen.
Bernd dachte nach, wie der vordere Raum ausgesehen hatte. Ein ziemlich geräumiger Schuppen, in dessen Mitte zur Zeit sein Wagen stand. Soweit er sich erinnerte, gab es nur die breite Doppeltür am schmalen Ende. Natürlich gab es noch eine ganze Reihe Fenster. Für zwei Personen war es schwer, den Schuppen zu verteidigen. Sie konnten nicht alle Fenster gleichzeitig überwachen.
Auf jeden Fall würden sie im Augenblick nicht auf die kleine Tür im Hintergrund achten, denn hier konnte von außen niemand eindringen, und sicher glaubten sie Bernd noch an das Bettgestell gefesselt.
Ganz langsam drückte er die Tür auf und spähte hinaus. Hier draußen war es heller. Der eine der beiden hockte neben Bernds Wagen und kontrollierte die vordere Front des Schuppens. In seiner Hand hielt er eine Pistole. Der zweite stand ein Stück entfernt und beobachtete die Fenster der linken Seite. Sie waren vollkommen konzentrier.
An seinen Wagen konnte Bernd im Moment nicht kommen. Sie hätten ihn sofort bemerkt. Der Schlüssel steckte noch, und der Wagen war stark genug, die Schuppentür aus den Angeln zu reißen, aber diese Idee musste er sich zunächst aus dem Kopf schlagen.
Bernd schob sich ganz in den Raum, drückte die Tür hinter sich wieder zu und huschte hinter einen der dicken Balken, der das Dach an der Seite abstütze. Hier war er nicht nur vor Blicken, sondern auch vor Kugeln geschützt.
Von draußen kam wieder die bekannte Stimme.
„Ich gebe euch noch eine Chance! Rückt die Bänder heraus und schmeißt die Kanonen weg! Dann lasse ich euch laufen!“
Für einen Augenblick war Stille. Dann sagte einer der beiden: „Was meinst du, Freddy? Können wir ihm glauben?“
Der andere schüttelte den Kopf, wobei er seine Waffe fest in der Hand behielt. „Nein, Skotty. Auf diesen Uralttrick falle ich nicht herein. Der Kerl will es sich leichtmachen. Aber wenn er uns kriegen will, muss er uns holen und das ist nicht so einfach.“
Bernd prägte sich die Vornamen der beiden ein. Jetzt wusste er wenigstens etwas von ihnen, auch wenn ihm das im Augenblick verdammt wenig half.
„Was glaubst du, wie viele es sind?“ fragte Skotty.
„Ich schätze, nicht mehr als drei. Vielleicht vier. Wir sollten mit ihnen fertig werden. Ich glaube nämlich, dass unser Freund uns unterschätzt. Er hält uns für harmlose Einbrecher. Das ist sein Fehler.“
„Hoffentlich hast du recht. Ich muss sagen, der Kerl macht mir Angst. Und du weißt, dass das bei mir selten vorkommt.“
Freddy lachte kurz auf. „Du hast doch deine Knarre. Du brauchst nur abzudrücken, wenn er versucht, hereinzukommen. Wo ist da das Problem? Wir werden schon mit ihm fertig. Außerdem kann er uns hier nicht ewig belagern.“
Plötzlich klirrte eine Scheibe. Ein Ziegelstein hatte sie durchschlagen. Alle zuckten zusammen. Von draußen hörte man dröhnendes Lachen. Die Belagerer probten den Nervenkrieg.
„Dieser verdammte Bastard!“, knurrte Skotty. „Wir hätten ihn gleich umlegen sollen, als wir die Gelegenheit dazu hatten. Jetzt ist es zu spät.“
„Reg’ dich nicht auf. Er will uns provozieren. Wenn wir die Nerven behalten, haben wir gewonnen.“
„Und wenn wir ihm diese Mistbänder einfach geben?“, fragte Skotty. „Schließlich hat er dafür bezahlt.“
„Ja, aber nicht uns“, erwiderte Freddy. „Die Bänder sind sicher im Kofferraum dieses schönen Wagens versteckt, der dem Schnüffler gehört. Ich denke nicht daran, sie herauszugeben. Im Übrigen will der Kerl unser Blut. Ich kenne diese Typen. Jetzt müssen wir die Sache bis zum Ende durchstehen, und das werden wir auch.“
Dieser Skotty schien nicht ganz so optimistisch zu sein wie sein Kumpel, stellte Bernd fest. Aber die beiden würden sich nicht ergeben. Immerhin wusste er, dass die Computerbänder in seinem Wagen lagen. Das war erfreulich, sofern es ihm gelang, an den Wagen heranzukommen. Im Moment konnte er wenig tun, denn auch er hatte von dem Typ da draußen wenig Verständnis zu erwarten. Er musste sehen, wie die Sache ausging.
Dann ging alles sehr schnell. Ein Schatten glitt über das zerschlagene Fenster. Flammenzungen leckten aus einer Pistole, und das Dröhnen der Abschüsse klang überlaut.
Freddy und Skotty feuerten sofort zurück, aber sie schafften es nur, die letzten Glassplitter aus dem Rahmen zu fegen. Dann war wieder Stille.
„Hast du was abgekriegt?“ erkundigte sich Freddy.
„Nein, ich habe keine Ahnung, wohin der Kerl gefeuert hat.“
Bernd sah zumindest einen Treffer, und er zog die Augenbrauen zusammen. Im vorderen Kotflügel seines Mercedes war ein hässliches dunkles Loch zu sehen. Das würde wieder eine Menge Geld kosten!
Bernd hatte das Feuergefecht ausgenutzt, um seine Position zu verbessern. Mit einem raschen Klimmzug zog er sich an einem der Querbalken hoch und lag jetzt direkt unter dem Dach. Die Balkenverstrebungen unter dem Dach boten einen soliden Schutz, und das dämmerige Halbdunkel war eine zusätzliche Sicherheit.
Langsam schob er sich zur Mitte des Raumes, bis er sich über seinem Wagen befand. Von hier aus konnte er durch zwei Fenster auch bequem nach draußen sehen. Einen der Belagerer sah er von hier aus. Der Mann hockte hinter einem Bretterstapel im Hof und konnte von dort aus die gesamte Längsseite des Schuppens kontrollieren.
„Sollen wir einen Ausbruch riskieren?“, fragte Skotty plötzlich.
„Das ist zu riskant. Wir wissen nicht, wo die Kerle postiert sind. Sie können uns möglicherweise ins Kreuzfeuer nehmen. Nein, wir warten, bis sie ihren nächsten Angriff unternehmen.“
Bernd hätte eine andere Taktik gewählt, denn mit Abwarten allein konnte man eine solche Auseinandersetzung nicht gewinnen. Er hatte bei ähnlichen Gelegenheiten immer die Initiative ergriffen, aber schließlich wollte er den beiden keine Ratschläge geben.
Bernd schob sich noch ein Stück nach vorn. Wenn er jetzt herunterspringen würde, wäre er direkt neben der Tür auf der Beifahrerseite. Er musste nur noch auf eine Gelegenheit warten.
Sie kam schneller als er dachte.
Die Tür zum Schuppen öffnete sich langsam. Erst schwang der rechte Flügel auf, dann der linke. Es war kein Mensch zu sehen. Natürlich nicht, denn sie befanden sich hinter den Türen. Bernd hätte, wenn er auf der Gegenseite gewesen wäre, schon längst diese Maßnahme ergriffen.
„Verdammt!“, knurrte Freddy schräg unter ihm. „Gleich sind wir auf dem Präsentierteller. Geh’ dort hinüber!“
Skotty wechselte seine Stellung, und auch Freddy wollte sich gerade weiter in den Raum zurückziehen, als ein Mann vorsprang und eine lange Garbe aus seiner Maschinenpistole abfeuerte.
Er erwischte Freddy in dem Moment, als der Gangster sich erhoben hatte. Bernd nutzte die Gelegenheit aus und ließ sich fallen. Pulverdampf zog durch den Schuppen.
Die Maschinenpistole schwieg.
„Freddy!“, rief Skotty leise. „Hey, Freddy! Was ist mit dir?“
Bernd spähte unter dem Wagen durch und sah den Getroffenen auf dem Gesicht liegen, die Pistole neben sich. Hier würde jede Hilfe zu spät kommen. Der Mann war mindestens von vier oder fünf Kugeln getroffen worden.
Das musste in diesem Augenblick auch Skotty erkannt haben.
„Ihr Schweine!“, brüllte er und feuerte zweimal.
Diese Reaktion rief draußen nur ein Lachen hervor. Bernd überlegte, wie er Skotty retten konnte, denn jetzt gab er keinen Groschen mehr für dessen Leben. Er war unbewaffnet, und er konnte sich Skotty auch nicht zeigen. Der Kerl würde bestimmt sofort schießen, da er ihn für einen seiner Gegner halten musste.
Bernd konnte nur versuchen, die anderen abzulenken und zu hoffen, dass Skotty diese Chance nutzen würde.
Der Privatdetektiv öffnete die Beifahrertür. Er hoffte inständig, dass die Innenbeleuchtung nicht anging. Nein, sie tat es nicht. Er hatte den Kontakt meistens abgeschaltet, aber es hätte natürlich sein können, dass in der Zwischenzeit etwas daran geändert worden wäre.
Skotty befand sich auf der anderen Seite des Wagens, mindestens sechs Meter entfernt. Er würde seine Aufmerksamkeit auf die geöffnete Tür konzentrieren. Bernd konnte hoffen, dass man ihn nicht bemerkte.
Er schob sich vor die Sitze. Der Zündschlüssel steckte!
Es war kompliziert, aus dieser Position auf den Sitz zu gelangen, ohne ihn von draußen zu bemerken, aber er schaffte es schließlich. Die Beifahrertür stand noch offen, aber das war nicht so wichtig.
Langsam streckte er die Hand aus, bis er den Zündschlüssel berührte. Er trat die Kupplung und legte den ersten Gang ein.
Dann eine rasche Drehung, und der schwere Motor sprang sofort an. Bernd gab Gas, und der Wagen machte einen Sprung nach vorn. Dann richtete er sich weit genug aus, um gerade durch die Scheibe blicken zu können. Er sah zwei Männer aufspringen, die ihm verblüfft entgegenstarrten. Aber ehe sie ihre Waffen auf ihn richten konnten, war er schon vorbei.
Schleudernd lenkte er den Wagen über den Hof zur Ausfahrt. Hinter ihm klangen Schüsse auf, aber keiner traf den Wagen. Er konnte nur hoffen, dass Skotty eine Gelegenheit gefunden hatte, die Situation zu nutzen.
Bernd öffnete das Handschuhfach und griff zu seinem Funktelefon, um die Polizei zu alarmieren. ‚Das war mal eine Investition, die sich gelohnt hat. Gut, dass es die Dinger inzwischen zu halbwegs vernünftigen Preisen auf dem Markt gibt. Das A-Netz erreicht immerhin dreiviertel der Telefonanschlüsse im Westen. Ein wahrer Techniksegen!‘, dachte Bernd Schuster, der schon während seiner aktiven Zeit als Feldjäger den Umgang mit Funktelefonen kennen und schätzen gelernt hatte. Als er sich zu seinem Berufswechsel entschlossen hatte, war diese Anschaffung für ihn ein absolutes Muss.