Читать книгу Fünf Mörder: 5 dicke Strand Krimis - Alfred Bekker - Страница 32
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Susanne sah ihren Begleiter von der Seite an. „Ist es noch weit?"
Hansi schüttelte den kahlen Kopf. „Wir sind gleich da.“
Die Straße, in der sie sich befanden, war dunkel und unheimlich.
Sie waren zunächst in Richtung U-Bahnhof Wittenbergplatz gegangen, dort ein Stück gefahren und am Gleisdreieck ausgestiegen. Dann ging es Richtung Mauer weiter in eine Gebiet mit düsteren Mietshäusern. Hier kannte sie sich überhaupt nicht mehr aus.
Hansi warf ihr immer wieder Seitenblicke zu, die er wohl für unauffällig hielt. Führte er sie wirklich zu dem Mann, der Waffen hatte oder wollte er etwas ganz Anderes? Aber sie hatte keine andere Wahl, als mitzugehen. Sie brauchte die Pistole!
„Hier ist es!“ Hansi blieb plötzlich stehen und zeigte auf eine dunkle Toreinfahrt. „Wir müssen auf den Hof.“
Sie folgte ihm. Er schien sich hier wirklich auszukennen, denn er fand den Weg mit nachtwandlerischer Sicherheit. Als er plötzlich stehenblieb, prallte sie gegen ihn. Sie wäre gestolpert, wenn er nicht nach ihr gegriffen hätte. Hansi löste den Griff sofort wieder, aber trotzdem wich Susi unwillkürlich einen Schritt zurück.
Hansi öffnete eine Tür. Dahinter brannte freundliches Licht.
„Der alte Mann ist da“, flüsterte er.
Sie standen in einem unglaublichen Kramladen. Alles war vollgestopft mit Trödel und Gerümpel. Wertvolles neben Kitsch, zerbrochene Wagenräder neben zerbrechlichen Statuetten, alte Bücher neben neuem Schund aus Hongkong. Man würde Wochen brauchen, um sich alles anzusehen. Waffen gab es auch, allerdings keine modernen ...
„Sie meinen, dass ich hier eine Pistole bekomme?“, fragte sie zweifelnd.
„Warten Sie ab, der alte Mann hat eine Menge auf Lager. Das Problem ist nur, dass er sich ungern von seinen Sachen trennt. Sie müssen ihm einen guten Preis machen.“
Plötzlich stand er wie aus dem Boden gewachsen vor ihnen. Susanne zuckte zusammen. So alt war der Mann gar nicht, aber klein. Noch kleiner als sie.
„Welch später Besuch!“, krähte der alte Mann. Er rieb seine Hände. „Das ist Hansi, wenn mich nicht alles täuscht, und er hat eine ganz entzückende junge Dame mitgebracht.“
Hansi nickte. „Engel schickt mich.“
Der alte Mann zog ein grämliches Gesicht. „So, so, Engel schickt dich. Früher bist du auch mal allein gekommen, aber die Zeiten ändern sich. Was will Engel denn?“
„Das Mädchen hat einen ganz besonderen Wunsch, und er möchte, dass du ihn erfüllst. Er legt sogar großen Wert darauf."
Der alte Mann nickte. „Ich verstehe, und was für ein Wunsch ist das?"
„Ich will eine Pistole!“, platzte Susi heraus.
Der alte Mann schüttelte bekümmert den Kopf. „In Ihrem Alter. Ein so nettes Mädchen wie Sie! Ich muss mich doch über diese Welt wundern. Aber was soll ich tun? Ich kann sie nicht ändern. Also lebe ich mit ihr. Kommen Sie mit, vielleicht habe ich etwas für Sie.“
Sie folgte ihm weiter in das Ladenlabyrinth hinein, und er drehte sich plötzlich um. „Pistolen sind teuer, wussten Sie das?“
„Das habe ich schon gehört“, sagte sie wütend. „Machen Sie sich keine Sorgen, ich kann bezahlen.“
Er ging weiter. „Na, wenigstens ist diese Sitte noch erhalten geblieben.“ Er sah wieder über die Schulter. „Hansi, wir brauchen dich jetzt nicht mehr. Du kannst gehen. Ich zeige der jungen Dame den Rückweg.“ Sie wollte etwas sagen, aber der alte Mann schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab. „Hansi kann gehen!" Die Stimme klang plötzlich wie ein Peitschenhieb, und Susanne begriff, dass der alte Mann mehr war, als sein Äußeres erraten ließ.
Rasch drückte sie Hansi einen Zehner in die Faust, und er grinste erfreut. „Alles Gute!“, wünschte er ihr leise und verschwand.
„Kommen Sie jetzt weiter, wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.“ Susanne folgte dem alten Mann rasch.
Er blieb vor einem wirren Haufen übereinandergestapelter Tische und Stühle stehen, bückte sich und zerrte eine hölzerne Truhe hervor, deren einziger erhaltener Beschlag mit einem Vorhängeschloss gesichert war. Erstaunlicherweise stürzte der Stapel nicht in sich zusammen, und Susanne begriff, dass die abenteuerliche Gerümpelkonstruktion nur Tarnung war.
Der alte Mann fingerte einen kleinen Schlüssel aus der Tasche und öffnete das Schloss der Truhe, für die man selbst auf dem Flohmarkt keine zwanzig Mark bezahlt hätte.
Bevor er den Deckel der Truhe hochhob, richtete sich der alte Mann noch einmal auf. „Sie wollen wirklich eine Pistole kaufen? Es geht mich zwar nichts an, aber Sie sollten sich über die Folgen eines solchen Kaufs im Klaren sein.“
„Das bin ich“, entgegnete sie absichtlich hart, obwohl ihr die Worte fast in der Kehle steckenblieben.
„Na schön“, sagte er und öffnete den Deckel. Er nahm eine Wolldecke zur Seite, und Susi starrte auf ein erlesenes Sortiment von Feuerwaffen.
Zwei Maschinenpistolen unterschiedlichen Fabrikats lagen da und zahlreiche Pistolen und auch ein Revolver. Darunter befanden sich mehrere Kartons in verschiedenen Größen.
„An was hatten Sie denn gedacht?", fragte der alte Mann.
Sie sah ihn unsicher an. „Ich habe keine Ahnung. Eine Pistole eben! Das Fabrikat ist mir egal.“
„Sollte es aber nicht“, gab er ruhig zurück. „Es gibt Waffen für alle möglichen Zwecke. Der eine braucht eine Pistole mit rascher Schussfolge und hoher Durchschlagskraft, der andere braucht eine möglichst leise und unauffällige Waffe. Ein dritter zieht ein Kaliber vor, mit dem er jeden Angriff stoppen kann, eine amerikanische vierundvierziger Magnum zum Beispiel. Wie diese der Pistole hier, nehmen Sie mal in die Hand!“
Er drückte ihr das gewaltige Ding in die Hand, und sie ließ den Arm unter dem Gewicht sinken. „Nein, nein", stotterte sie. „Das ist nicht das Richtige. Ich habe an eine kleinere Waffe gedacht."
Der alte Mann lächelte. „Ich weiß immer noch nicht, wozu Sie die Waffe brauchen. Das würde uns die Entscheidung erleichtern. Hier gibt es fast alle Kaliber, aber nicht alle sind für jeden Zweck geeignet.“
Susi starrte auf den Haufen Metall. Die polierten Läufe glänzten. Sie streckte vorsichtig die Hand aus und berührte eine mittelgroße Pistole.
Der alte Mann nickte. „Eine Beretta, aha! Zuverlässig, aber nicht sehr zielgenau. Ein italienisches Modell.“
Susanne zog erschrocken die Hand zurück.
„Wenn Sie einen Mann auf kurze Distanz töten wollen, würde ich Ihnen diese Waffe empfehlen.“
Der alte Mann nahm einen Revolver mit kurzem Lauf in die Hand.
Susanne fuhr zurück. „Was erzählen Sie da! Ich brauche eine Waffe für den Notfall, zur Verteidigung!“
Er hielt ihr die Waffe auf der flachen Hand hin. „Es war ja nur ein Beispiel. Waffen sind zum Töten da. Wussten Sie das nicht? Dies ist ein sehr zuverlässiger Trommelrevolver von Smith & Wesson, millionenfach erprobt. Die Trommel fasst sechs Patronen. Wenn Sie feuern wollen, ziehen Sie einfach diesen Hebel nach hinten, damit spannen Sie die Waffe und drücken ab. Es geht ganz leicht.“
Sie nahm die Waffe in die Hand und tat, was er sagte. Mit einem scharfen metallischen Geräusch klickte der Schlagbolzen ins Leere. Der Pistole war schwerer als sie gedacht hatte, aber es würde gehen. Sie bekam ihn auch bequem in ihre Handtasche.
„Was soll das Ding kosten?“, fragte sie und bemühte sich, ihrer Stimme einen gleichgültigen Klang zu geben.
Der alte Mann zögerte. Dann sagte er langsam: „Man kann die Herkunft der Waffe nicht verfolgen. Deshalb ist sie teurer als gewöhnlich. Sonst würden Sie ja auch einfach in ein Fachgeschäft gehen. Meine Modelle haben jedoch ihre ganz bestimmten Vorteile, und danach richtet sich der Preis.“
„Wieviel?“, fragte Susi zum zweiten Mal an diesem Abend.
„Achthundert Mark.“
„Das ... das ist ein bisschen viel“, entgegnete sie überrascht.
„Eine Schachtel Munition ist im Preis drin. Damit komme ich Ihnen schon sehr entgegen. Es ist ein Freundschaftspreis, weil Engel Sie geschickt hat. Also, wollen Sie die Waffe?“
Er starrte sie unbewegt an.
Susi nickte entschlossen. „Ich nehme Sie. Mit meiner Kreditkarte kann ich wahrscheinlich nicht bezahlen.“
Sein Gesichtsausdruck änderte sich nicht. „Nein", kam es knapp. Susi griff seufzend in ihre Handtasche.
Die Augen des alten Mannes beobachteten sie, als die die Geldscheine von einem Bündel Banknoten abzählte. Eigentlich hatte sie die Summe für etwas ganz Anderes verwenden wollen, aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Sie besaß eine Waffe.
Der alte Mann steckte die Scheine gleichmütig ein. „Sie werden den Kauf nicht bereuen. Es ist eine gute und zuverlässige Waffe. Wenn Sie schießen, halten Sie den Kolben am besten mit beiden Händen fest. Dann erschreckt Sie der Rückstoß nicht allzu sehr. Ich zeige es Ihnen.“
Sie nickte und probierte die Haltung noch einmal. „Und wie wird das Ding geladen?“
„Ganz einfach.“ Er nahm ihr den Revolver wieder aus der Hand, ließ die Trommel herausklappen und schob sechs Patronen in die Kammern. „Das ist alles. Wenn die Patronen abgefeuert sind, stößt man die Hülsen wieder heraus und kann neu laden.“
Susi schob die Waffe in ihre Handtasche. „Das genügt mir. Ich denke, damit wäre alles geklärt.“
Der alte Mann nickte leicht. „Sie finden den Weg zurück?"
„Natürlich.“ Susanne Wille zitterte am ganzen Körper, als sie wieder auf der Straße stand. Von Hansi war nichts zu sehen. Sie umklammerte ihre Tasche fest mit beiden Händen und marschierte los. Trotz der Waffe wurde ihre Angst immer stärker. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie die größere Straße erreicht hatte, in der es ausreichende Beleuchtung gab. Dann sah sie die U-Bahn-Station, fuhr zurück und ging von dort zu ihrem geparkten Auto.
Wenig später hatte sie ihren Wagen erreicht und ließ sich aufatmend in die Polster sinken. Jetzt konnte sie beruhigt nach Hause fahren. Das Wichtigste hatte sie jetzt.
Susanne öffnete ihre Tasche und fühlte nach dem kalten Metall der Waffe. Es war wie ein elektrischer Schlag, der durch ihre Fingerspitzen zuckte. Jetzt konnte sie Klaus‘ Tod rächen. In der gleichen Art, wie man ihn umgebracht hatte. Es war bald soweit...