Читать книгу Fünf Mörder: 5 dicke Strand Krimis - Alfred Bekker - Страница 27
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Susanne Wille kannte den Weg zum Penthouse zur Genüge. Sie wusste nicht, wie oft sie Klaus Romann schon besucht hatte. Es war eine Beziehung, in der sie nicht besonders glücklich war, aber sie war nicht in der Lage, sich davon zu lösen.
Einerseits war sie die Chefsekretärin von Karsten Romann und gleichzeitig die Geliebte seines Bruders. Sie wusste, dass die beiden Brüder sich nicht besonders leiden konnten, und das verschlimmerte die Situation nur noch. Sie hatte in der Vergangenheit versucht, sich aus der Beziehung zu lösen, aber es war ihr nicht gelungen.
Klaus war einfach ein Mann, wie man ihn nicht alle Tage fand. Susanne wusste, dass sie attraktiv genug war, jede Menge anderer Männer zu finden, aber hier wusste sie, was sie hatte. Er verwöhnte sie und ließ ihr genügend Freiraum. Außerdem war er ein Mann, mit dem man sich sehenlassen konnte.
Sie sprachen kaum über den Betrieb, wenn sie sich trafen. Es war ein unausgesprochenes Gesetz, die Firma aus ihrer Beziehung herauszuhalten, aber manchmal ließen sich ein paar Worte nicht vermeiden. Meistens war sie es, die damit anfing. Gerade die Geschehnisse der letzten Zeit hatten ihr Sorgen bereitet. Und mit wem konnte sie ihre Sorgen teilen, wenn nicht mit Klaus Romann?
Der Lift hielt, und sie stieg aus. Die Tür wurde sofort geöffnet, als sie klingelte. Klaus nahm sie in die Arme und führte sie hinein.
„Es war ein langer Tag“, sagte sie. „Ich muss erst mal zu mir kommen.“ Sie streifte die Schuhe von den Füßen und sank in einen Sessel.
Klaus bot ihr ein Glas gekühlten Sangria mit reichlich Früchten darin an. Auf dem Tisch stand ein Glaskrug mit Eiswürfeln.
„Was war los?"
„Die Polizei schnüffelte den ganzen Tag bei uns herum. Sie haben immer noch nach Spuren gesucht, aber nichts gefunden. Auf jeden Fall steht fest, dass ein Nachschlüssel für die Panzertür benutzt wurde. Sie wollen jetzt herausbekommen, welcher Schlüssel es war.“
Romann nickte. „Da gibt es nicht allzu viele Möglichkeiten."
„Klein?“, fragte sie.
„Möglich. Wenn er beteiligt war, hat er allerdings ein schlechtes Geschäft gemacht. Er ist tot. Aber es wäre nicht ungewöhnlich, dass Gangster einen Komplizen auf diese Weise ausschalten."
Susanne schüttelte den Kopf. „Ich glaube es einfach nicht. Ich kenne Manfred Klein schon ziemlich lange. Er war einfach nicht der Mann für eine solche Sache. Nein, er hat damit nichts zu tun.“
Romann nickte. „Ich bin ganz deiner Meinung. Ich habe einen Verdacht, der in eine ganz andere Richtung geht.“
„Du denkst an deinen Bruder“, sagte sie langsam.
Klaus Romanns Gesicht wurde ernst. „Ja, das denke ich. Er braucht dringend Geld. Ich weiß, dass er bereits häufiger Gelder aus der Firmenkasse entnommen hat. Solange die Firma genügend einbrachte, haben wir diese Dinge nie an die große Glocke gehängt. Ich weiß nicht, weshalb er so viel Geld braucht. Möglicherweise ist er ein Spieler oder etwas Ähnliches. Nun, das ist auch egal. Jedenfalls könnte er versuchen, sich mit so einer Sache das notwendige Geld zu verschaffen. Ich werde morgen die Buchhaltung überprüfen, um nachzusehen, wie die Bilanz wirklich aussieht.“
Sie schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen.
„Es ist ein schrecklicher Gedanke, dass dein eigener Bruder so etwas tun sollte. Der Mann, für den ich seit Jahren arbeite. Aber er würde sich doch selbst bestehlen?“
„Im Prinzip schon. Aber er kann diese Unterlagen zu einem sehr viel höheren Preis an andere Interessenten verkaufen. Das hieße, er würde doppelt für die gleiche Erfindung kassieren.“
„Das könnte er aber einfacher haben. Er hat doch Zugang zu den geheimen Unterlagen! Also brauchte er doch bloß hinzugehen, alles zu kopieren und dann zu verkaufen. Kein Mensch würde etwas merken.“
Romann lächelte schwach. „So einfach ist das nicht. Unsere Behörden würden es rasch merken, wenn die gleiche Erfindung woanders auftaucht. Dann würde man ihn gleich verdächtigen, ein Doppelspiel zu treiben. Nein, er muss den Verdacht von sich ablenken. Dafür ist es erforderlich, dass es einen echten Einbruch gibt, an dem er selbst nachweislich nicht beteiligt ist. Dann wird man von vornherein andere verdächtigen.“
Sie schüttelte den Kopf.
„Es ist schrecklich. Ich kann mich noch nicht daran gewöhnen, meinen eigenen Chef, deinen Bruder, für einen Betrüger zu halten. Noch haben wir keinen Beweis."
„Ich hoffe, dass ich bald alles beweisen kann, so oder so.“
Klaus Romann sah sie ernst an.
Sie schwiegen ein paar Sekunden.
Dann erwiderte sie: „Dieser Detektiv, ein gewisser Schuster, ist überhaupt nicht mehr aufgetaucht. Seit dem Einbruch haben wir ihn nicht gesehen. Er ist nicht aufzufinden. Auch in seinem Büro weiß man nichts.“
Romann überlegte. „Das ist aber merkwürdig. Er hat auf mich einen sehr guten Eindruck gemacht. Zwar hat Karsten ihn engagiert, aber soweit ich weiß, geschah das nur auf Druck vom BKA. Es ist ja nicht auszuschließen, dass die Verbrecher ihn ausgeschaltet haben.“
„Aber woher sollten diese Typen Bescheid über ihn wissen?“
„Du vergisst meinen Bruder! Er weiß Bescheid. Auch das ist nur ein Verdacht. Aber er könnte dafür sorgen, dass man diesen Privatdetektiv aus dem Verkehr zieht. Mich ärgert, dass ich nicht in der Lage bin, mehr zu tun. Mein Bruder ist nicht dumm. Bisher habe ich nicht den geringsten Beweis gegen ihn in der Hand, und vielleicht bekomme ich nie einen.“
„Dann würde er sich ins Fäustchen lachen."
„Ja, und er würde den Ruf der Firma soweit ruinieren, dass wir keinen Auftrag mehr kriegen. Er hätte sein Schäfchen ins Trockene gebracht, und die anderen müssten sehen, wo sie blieben.“
„Ich möchte dir gern helfen“, sagte Susanne.
Er schüttelte den Kopf. „Du bist Karstens Sekretärin, und solange du das bist, musst du auch loyal bleiben. So oder so werden wir bald mehr wissen. Ich möchte nicht, dass du in die Angelegenheit verwickelt wirst. Es ist schon schwer genug für dich. Und nun lass uns von etwas anderem reden. Die Firma kann auch mal warten. Wir wollen uns einen gemütlichen Abend machen. Ich habe nicht nur den Sangria zur Erfrischung, sondern noch einen guten Wein gekauft.“
„Und ich mache etwas zum Essen.“
Er grinste wie ein kleiner Junge.
„Das ist nicht nötig. Heute Abend habe ich gekocht. Es ist alles fertig und steht in der Küche. Wir brauchen nur noch den Tisch zu decken.“
„Du bist ein Schatz.“ Sie gab ihm einen Kuss. „Ich gehe ins Badezimmer und mache mich frisch. Leg' in der Zwischenzeit eine schöne Platte auf.“
Susanne verschwand im Bad.
Klaus Romann ging zum Plattenspieler, und Sekunden später kamen flotte Weisen von der 1966 herausgegebenen LP Brilliant from Birth der Bee Gees aus den versteckten Lautsprechern. Er summte leise mit. Es würde ein schöner Abend werden. Die Brüder Gibb waren genau ihr Geschmack, während Klaus lieber die Beatles hörte. Aber heute wollte er ihr eine Freude bereiten.
Susi betrachtete sich in dem großen Spiegel über dem Waschbecken. Sie war mit sich zufrieden. Die Haut war straff und faltenlos. Das gepflegte Haar saß gut. Der kühle Ausdruck, den sie tagsüber zur Schau trug, war jetzt aus ihrem Gesicht verschwunden. Sie lächelte ihr Spiegelbild an, und es lächelte zurück.
In diesem Augenblick klingelte es.
„Wer kann das sein?“, fragte sie durch die geschlossene Tür. „Erwartest du um diese Zeit noch Damenbesuch?“
Romann lachte. „Natürlich, das Opernballett hat sich angesagt. Lass dir ruhig Zeit. Ich mache auf.“
Sie hörte seine Schritte durch die Wohnung gehen und ihn dann die Tür öffnen. Für eine Sekunde blieb alles ruhig. Dann hörte sie seine erstaunte Stimme: „Du? Was willst du denn hier?“
Die Antwort war ein unverständliches Gemurmel, aber die Stimme kam ihr vom Tonfall her bekannt vor.
Susanne legte das Cremetöpfchen auf die Ablage zurück und lauschte. Da sie nur ein Handtuch um die Hüften geschlungen hatte, konnte sie in diesem Aufzug schlecht ins Zimmer gehen.
„Nein, ich werde meine Meinung nicht ändern", hörte sie Klaus sagen. Es klang entschlossen.
Die andere Stimme murmelte wieder etwas. Eine Männerstimme war es auf jeden Fall, und sie klang bösartig.
„Du wirst mich nicht davon abbringen können", sagte Klaus entschlossen. „Ich tue, was ich tun muss. Alles, was du dazu sagen kannst, interessiert mich nicht, ich möchte nur die Wahrheit wissen.“
Die beiden Männer schienen noch an der Tür zu stehen. Deshalb hörte sie auch die andere Stimme so gedämpft. Klaus schien nicht die Absicht haben, seinen Besucher hereinzulassen. Wie aus dem Gespräch zu schließen war, gab es Unstimmigkeiten zwischen den beiden. Susanne hätte zu gern gewusst, wer der Besucher war. aber Klaus würde es ihr sicher gleich sagen.
Rasch fuhr sie in die schwarze Schlaghose, zog sich die weiße Bluse über und verknotete sie knapp unter der Brust. Das war die richtige Bekleidung für einen Abend, der mit Sangria begonnen hatte, die Musik der Bee Gees stimmungsvoll, aber dezent aus den Lautsprechern klang. Leider verhinderte die Musik allerdings auch, dass sie kaum etwas von dem Gespräch verstand.
Der Besucher sagte wieder etwas. Es klang drängend, ja, fast beschwörend. Aber Klaus ließ sich nicht darauf ein, denn er sagte jetzt erheblich lauter: „Nein, das ist mein letztes Wort.“
Die Stimme des Besuchers wurde erregter.
Jetzt wusste sie, wer der Besucher war, sie ahnte es zumindest. Der Tonfall klang sehr bekannt, und es gab nur einen Menschen, der in dieser Weise sprach. Nun, wenn es so war, würden sie gleich wieder ungestört sein. Aber ihr war klar, dass Klaus mit diesem späten Besucher zumindest ein paar Worte wechseln musste. Sie war gespannt zu hören, was er eigentlich wollte. Auch das würde sie gleich wissen.
Dann stieß Klaus plötzlich einen erschrockenen Schrei aus. „Nein! Das kannst du doch nicht machen! Nein!“
Es klang so verzweifelt, dass ihr fast das Herz vor Schreck stehenblieb. Und dann krachten rasch hintereinander zwei Explosionen, gefolgt von einem dumpfen Aufprall. Schritte entfernten sich eilig im Treppenhaus. Dann surrte der Fahrstuhl.
„Nein!“, stöhnte Susanne und sank in die Knie.
Sekundenlang rührte sie sich nicht. Ihr Puls jagte wie verrückt. Dann kam sie schwankend, wie eine Betrunkene, wieder hoch und legte die Hand auf die Klinke. Ihre Lippen zitterten, und sie wusste, dass sie jetzt allen Mut zusammennehmen musste.
Sie ging die wenigen Schritte durch das große Wohnzimmer in den winzigen Flur. Klaus Romann lag halb auf der Seite, mit dem Kopf zur Tür.
Mit einer automatischen Bewegung schloss sie die Tür, die noch einen Spalt offenstand.
Dann trugen ihre Beine ihr Gewicht nicht mehr, und sie sank neben dem Toten in die Knie. In seinen Augen stand noch das Erschrecken der letzten Sekunden.
Beide Schüsse hatten ihn in die Brust getroffen. Er musste sofort tot gewesen sein. Von der Waffe war nichts zu sehen. Also hatte der Mörder sie mitgenommen.
Mit einer Handbewegung schloss sie Klaus die Augen. Von einer Sekunde zur anderen ausgelöscht, wie eine Kerze, die man auspustet.
Ihre Schultern zuckten, aber in ihren Augen standen keine Tränen. Sie fühlte sich wie ausgebrannt, leer. Warum hatte man ihn getötet? Ihn, der keiner Fliege etwas zuleide tat, der die Gewalt hasste.
Dafür würde jemand bezahlen müssen, das schwor sie sich. Das Gefühl von Rache überschwemmte sie wie eine Woge, und vor ihren Augen wurde es dunkel. Susanne hielt sich nur noch mühsam aufrecht. Sie sollte einen Arzt anrufen, die Polizei! Aber es war nicht zu übersehen, dass ein Arzt hier nicht mehr helfen konnte.
Die Füße würden sie wohl kaum bis zum Telefon tragen. Sie musste etwas tun. Aber was?
Dann kam die Reaktion. Der Schmerz überwältigte sie. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie brach schluchzend über der Leiche zusammen. Alles war zu Ende. Der Mensch, den sie geliebt hatte, war tot. Nie wieder würde er sie anlächeln. Die Verzweiflung schnürte ihr die Kehle zu.
Ein Geräusch drang allmählich durch den Schleier, der ihr Bewusstsein trübte. Sie hob den Kopf und lauschte. Es war erneut das Summen des Fahrstuhls, dann hielt er, und sie hörte Schritte. War der Mörder zurückgekommen? Die Angst griff nach ihr.
Dann klingelte es.