Читать книгу Fünf Mörder: 5 dicke Strand Krimis - Alfred Bekker - Страница 38
26.
ОглавлениеBernd war mit sich zufrieden, als er zum zweiten Mal die Bleibe von Skotty ansteuerte. Alle Schlingen waren ausgelegt, in denen sich das Wild verfangen sollte. Romann würde zu dem Treffpunkt kommen. Jetzt musste er nur noch Skotty klarmachen, damit der in jedem Falle rechtzeitig dazu kam. Das durfte nicht zu schwer sein.
Pfeifend stieg er die Treppe hoch. An den Geruch hatte er sich fast schon gewöhnt. Alles sah unverändert aus. Aber plötzlich gaben seine für Gefahren hoch entwickelten Sinne ein deutliches Alarmzeichen.
Die Tür war nicht verschlossen!
Vorsichtig trat Bernd näher. Mit der Fingerspitze berührte er das Holz und drückte leicht dagegen.
In der Wohnung war es totenstill. Skotty war ganz sicher nicht der Mann, der das Haus verließ, ohne seine Wohnungstür zu verschließen. Also war etwas passiert.
Schuster tastete nach seiner Pistole und ließ die Hand am Griff, bereit zum Ziehen, als er den Flur betrat. Wie oft hatte er diese Situationen schon erlebt! Und doch war es immer wieder neu. Überraschend und gefährlich.
Er lauschte. Nichts. Nicht das geringste Geräusch.
Als er das Zimmer betrat, in dem er vor kurzem die Auseinandersetzung mit dem Gangster hatte, sah er den Grund für die tödliche Stille.
Skotty hatte die letzte Reise angetreten. Er konnte niemandem mehr schaden, aber er konnte auch niemanden mehr identifizieren. Skotty war unwiderruflich tot.
Bernd löste die Hand von der Pistole und starrte auf den Toten, der in seinen letzten Sekunden noch versucht haben musste, zu seiner eigenen Waffe zu greifen. Es hatte ihm nichts mehr genützt. Bernd erinnerte sich, wie der Pistole mitsamt Halfter unter den Schrank gerutscht war.
Als der Mörder bereits im Raum war, hatte Skotty vermutlich unter einem Vorwand versucht, an die Waffe zu kommen. Aber er hatte keine Chance gehabt. Der andere war schneller gewesen. Bernd sah die Situation so genau vor sich, als sei er dabei gewesen.
Rasch durchsuchte er den Raum, aber er fand nichts von Interesse. Ein Guthaben bei einer renommierten Bank belief sich auf immerhin 50.000 D-Mark. Bernd nickte. Die Einnahmen des Verbrecherpaares waren nicht gerade klein gewesen. Aber es hatte ihnen zum Schluss nicht das Leben gerettet. Nur die glücklichen Erben hatten etwas davon, falls es welche gab.
Irgendeinen Hinweis auf den Einbruch bei Romann Electronics fand er nicht. Aber dazu war Skotty wohl zu schlau, um in seiner eigenen Wohnung Beweismittel herumliegen zu lassen.
Bernd konnte hier nichts mehr tun. Die Frage war nur, wer Skotty erschossen hatte. Romann konnte es diesmal wirklich nicht gewesen sein. Denn Bernd war von ihm direkt hierhergefahren, und er hatte den kürzesten Weg genommen. Er schied also aus.
Blieb eigentlich nur noch der Käufer der Ware, der die verdammten Computerbänder in seinen Besitz bringen wollte. Smirnow, der KGB-Agent, hatte einen der ersten Plätze auf Bernds Verdachtsliste belegt. Aber wo sollte er den Kerl finden? Dazu brauchte er die Hilfe von Kerner, dem BKA-Beamten, der Smirnow endlich festnageln sollte.
Bernd verließ die Wohnung und schloss die Tür hinter sich. Wieder einmal musste er die Polizei über eine Leiche informieren. Das wurde allmählich zur Gewohnheit. In solchen Fällen verzichtete Bernd allerdings darauf, seinen Namen zu nennen. Er hätte sonst eine Menge Fragen beantworten müssen, anstatt weiter am Ball zu bleiben.
Bernd schwang sich wieder hinter das Steuer, und wollte gerade den Zündschlüssel herumdrehen, als sich das Autotelefon meldete.
Bernd nahm den Hörer auf. Er erwartete Franziska, seine Assistentin, die ihn manchmal auf diese Art und Weise aufzutreiben versuchte. Aber es war eine männliche Stimme am anderen Ende der Leitung.
„Sie haben sicher eine überraschende Entdeckung in der Wohnung des kleinen Gangsters gemacht“, sagte die Stimme ohne jede Emotionen.
Bernd atmete tief durch. Er kannte die Stimme. Er würde sie nicht vergessen. Sie gehörte Smirnow.
„Sie werden sich vielleicht wundern“, fuhr die Stimme fort, „dass ich Sie über das Autotelefon erreiche.“
„Nein, es wundert mich nicht", unterbrach Bernd. „Was wollen Sie und wer sind Sie eigentlich?"
Am anderen Ende ertönte ein leises Lachen. „Oh, Sie wissen sehr genau, wer ich bin. Machen Sie mir nichts vor. Sie müssen meine Stimme kennen. Ich muss Ihnen im Übrigen ein Kompliment machen. Die Nummer mit dem Auto war großartig. Wir waren alle sehr überrascht, als Sie plötzlich aus dem Schuppen herausgeschossen kamen.“
„Was wünschen Sie? Ich habe noch zu tun.“
Wieder das Lachen. „Zunächst einmal sollten Sie bleiben, wo Sie sind. Lassen Sie Ihren Motor nicht an.“
Bernd überlegte rasch. Woher konnte Smirnow wissen, dass der Motor noch nicht lief? War die Übertragung durch das Telefon so deutlich? Andererseits gab es hier genügend Straßenlärm. Es war kaum anzunehmen, dass der Russe die verschiedenen Motoren und Straßengeräusche auseinanderhalten konnte.
Stand er unter direkter Beobachtung?
„Ich kann mir vorstellen, worüber Sie sich jetzt den Kopf zerbrechen“, sagte Smirnow zufrieden. „Ich nehme an, Sie haben richtig vermutet, denn ich halte Sie für einen intelligenten Menschen. Ja, Sie werden beobachtet. Aber nicht nur das. Ich kann Ihnen versichern, dass in diesem Augenblick Ihr Kopf genau im Fadenkreuz eines Präzisionsgewehres liegt.“
„Sie machen vielleicht Witze", entgegnete Bernd dumpf.
„Keineswegs. Einer meiner Kollegen hat eine hervorragende Position eingenommen. Wenn wir uns einigen, werde ich Ihnen den Mann zeigen. Er verfügt über ein Gewehr mit Zielfernrohr und ist ein guter Schütze. Im Übrigen ist die Entfernung nicht sehr groß. Er kann Sie also auf keinen Fall verfehlen. Machen Sie also bitte keine unbedachte Bewegung, sonst wäre er gezwungen, zu schießen, und das wollen wir doch beide nicht.“
„Sie bluffen!", stieß Bernd hervor, aber im Grunde war er davon überzeugt, dass der Russe die Wahrheit sagte.
„Reizen Sie mich nicht“, sagte Smirnow ärgerlich. „Mein Kollege hört nämlich über ein Sprechfunkgerät mit. Ich brauche ihm nur ein Wort zu sagen, und der Schuss fällt. Vielleicht sollte ich Ihnen noch mitteilen, dass sein Gewehr auch über einen Schalldämpfer verfügt. Wir gehen also kein Risiko ein. Begreifen Sie das endlich.“
„Also, was wollen Sie von mir?“ Bernd wagte nicht, sich zu bewegen, obwohl er fieberhaft überlegte, wie er dieser Falle entgehen könnte.
„Ich brauche die Bänder", sagte der Russe ruhig. „Ich weiß, dass die Dinger in Ihrem Besitz sind. Machen Sie also keine Ausflüchte. Sie brauchen mir nur zu sagen, wo ich sie finde. Sie bleiben solange in Ihrem Wagen sitzen, bis ich die Bänder habe. Dann werden Sie auch aus dem Fadenkreuz verschwinden.“
„Ich habe die Bänder nicht."
Einen Augenblick herrschte Schweigen. Dann sagte Smirnow leidenschaftslos: „Gib’ ihm eine Kostprobe."
Drei Sekunden später zersplitterte die hintere Seitenscheibe. Er hatte den Abschuss nicht gehört, aber es gab keinen Zweifel, dass eine Kugel die Scheibe durchschlagen hatte.
Bernd wandte den Kopf und sah auch den Einschuss in der Polsterung. Er hatte jetzt keinen Zweifel mehr, dass der unsichtbare Schütze auch ihn töten konnte, wenn Smirnow es befahl.
Er berechnete rasch den Winkel, aus dem der Schuss gefallen war. Zwischen Scheibe und Polsterung ließ sich eine gedachte Linie ziehen und nach außen verlängern. Sie zeigte auf das oberste Stockwerk eines Hauses auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Es war ein ähnliches wie das, in dem Skotty seine Wohnung hatte.
Vermutlich saß der Schütze an einem der Fenster unter dem Dach. Bernd wollte seine Aufmerksamkeit nicht zu auffällig darauf richten.
„Nun, hat Ihnen unsere kleine Demonstration gefallen?“, erkundigte sich Smirnow.
„Sie haben mich überzeugt“, erwiderte Schuster.
„Dann können wir ja zur Sache kommen“, stellte Smirnow fest. „Ich nehme stark an, dass die Bänder noch in Ihrem Wagen sind.“
„In dieser Beziehung irren Sie“, sagte Bernd kühl.
„Ich werde mich am besten davon überzeugen. Ich befinde mich zufälligerweise ganz in der Nähe, denn ich dachte mir schon, dass Sie hierher zurückkommen würden. So konnte ich einige Vorbereitungen treffen.“ Der Russe schien seiner Sache sehr sicher zu sein.
Er musste in einer Telefonzelle sein, dachte Bernd. Die Nummer des Autotelefons herauszubekommen, war auch keine Schwierigkeit. Schließlich war es keine Geheimnummer. Bernd blickte in den Rückspiegel, ohne den Kopf zu drehen. Dort gab es eine Doppelzelle. In einer stand ein Mann, ein ziemlich großer Kerl. Das musste Smirnow sein.
„Rühren Sie sich nicht", befahl der Russe. „Ich komme jetzt zu Ihnen hinüber, und Sie schließen den Kofferraum auf.“
„Er ist offen“, brummte Bernd. „Ich habe einen Wagen mit Zentralverriegelung. Sie können gern einen Blick hineinwerfen.“
„Das werde ich auch tun, und vergessen Sie nicht das Gewehr. Jeder Trick, den Sie versuchen, wird tödlich sein. So, wie es für den guten Skotty auch tödlich gewesen ist. Ich hoffe, Sie verstehen mich.“
„Sehr gut. Also tun Sie, was Sie nicht lassen können.“ Er sah im Rückspiegel, wie Smirnow die Telefonzelle verließ und dabei ein Sprechfunkgerät in die Tasche schob. Er nutzte die Gelegenheit, um einen Blick zu dem Schützen zu werfen. Rasch suchte Bernd die oberen Stockwerke des bewussten Hauses ab. Es gab nur ein geöffnetes Fenster. Er war sich nicht sicher, ob dort ein Gewehrlauf zu erkennen war. Dazu war die Entfernung zu weit, aber er nahm es an.
Smirnow kam rasch näher. Er trat von der Beifahrerseite her an den Wagen heran, warf einen Blick auf Bernd und öffnete dann die Kofferraumklappe. Es dauerte mindestens eine Minute, bis die Klappe wieder geschlossen wurde. Dann kam Smirnow nach vorn. Sein Gesicht war vor Zorn gerötet. „Also? Wo sind die Bänder?“
Bernd grinste ihn an. „Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass ich sie nicht habe. Sie sind in Sicherheit.“
Smirnow nagte an seiner Unterlippe. „Ich glaube Ihnen nicht.“
Bernd schätzte seine Chancen ab. Er wusste, dass Smirnow ihn in jedem Falle töten würde. Der Russe konnte keine Zeugen gebrauchen, die ihn identifizieren konnten. Aber er musste zunächst die Bänder haben. Gegen ihn allein hätte Bernd einiges ausrichten können, aber da war noch dieses verdammte Gewehr!
„Herr Romann möchte die Bänder auch gerne zurückhaben“, sagte Bernd.
„So? Will er das?" Smirnow machte ein grimmiges Gesicht. „Hören Sie, Herr Schuster, dies ist kein Spaß. Einige Männer haben wegen dieser Bänder sterben müssen. Es könnte sein, dass es Sie als nächsten erwischt.“
Bernd hatte einen wahnwitzigen Plan. Da Skotty den vermutlichen Verantwortlichen, nämlich Romann, nicht mehr identifizieren konnte, war es vielleicht machbar, dass Smirnow ihm diese Arbeit abnahm. Er musste den Russen nur dahin kriegen, dass er ebenfalls zu dem Treffen mit Romann kam. Alles andere würde sich dann ergeben.
„Ich habe einen Termin mit Herrn Romann“, sagte Bernd. „Denn ich habe ihm versprochen, die Bänder zurückzugeben. Sie befinden sich im Besitz eines vertrauenswürdigen Mannes, der auch zu dem Treffen kommen wird. Er hat keine Ahnung, worum es sich handelt. Ich habe ihn nur gebeten, die Behälter mit den Magnetbändern in Verwahrung zu nehmen, bis ich mich bei ihm melde und das habe ich vorhin getan. Dieser Mann wird mit den Bändern pünktlich beim Treffpunkt sein und sie mir aushändigen.“
Smirnow überlegte. Er blickte durch das heruntergedrehte Seitenfenster und sah Bernd scharf an. Die Geschichte war zwar völlig frei erfunden, aber sie klang glaubhaft. Ein Agent wie Smirnow würde auch immer einige zusätzliche Sicherungen einbauen. Das musste Bernd gerade am eigenen Leibe erfahren.
„Wo ist dieser Treffpunkt?“, fragte Smirnow nach einer langen Pause.
Er hatte den Köder geschluckt. Bernd ließ sich nichts anmerken. Er sagte ihm den Treffpunkt.
Smirnow öffnete die Beifahrertür und setzte sich neben Bernd. Gleichzeitig zog er eine Armeepistole aus seinem Anzug und richtete die Mündung auf Schuster. „Wir werden gemeinsam zu diesem Treffpunkt fahren. Dort überlassen Sie alles mir. Wenn Sie keinen Fehler machen, ist die Sache für Sie ausgestanden. Ich bin nur an den Bändern interessiert."
„Das habe ich schon gemerkt.“ Bernd wusste sehr wohl, dass der Russe ihn in Sicherheit wiegen wollte, aber er musste auf das Spiel eingehen. Es war ein Spiel mit vielen Unbekannten, und Bernd hatte keine Ahnung, was geschehen würde, wenn Smirnow und Romann aufeinandertrafen. Irgendetwas musste geschehen, und alles war besser, als hier im Fadenkreuz eines Gewehres zu sitzen.
Smirnow zog sein Sprechfunkgerät wieder heraus und sagte ein paar Worte auf Russisch. Dann wechselte er wieder ins Deutsche. „Mein Mann wird uns begleiten.“
Bernd warf einen Blick zur Seite. Das war an sich eine gute Gelegenheit, denn das Gewehr war nicht mehr auf ihn gerichtet. Andererseits konnte auch Smirnow mit einer Waffe umgehen, und die war noch viel näher als das Gewehr. Er musste noch warten.
Wenig später stieg ein schmächtiger Bursche in einer viel zu weiten Jacke auf den Rücksitz. In der Hand trug er eine Reisetasche, die ziemlich schwer zu sein schien. Es handelte sich also um eine zusammenklappbare Waffe, stellte Bernd mit beruflichem Interesse fest, bevor er den Motor anließ.