Читать книгу Fünf Mörder: 5 dicke Strand Krimis - Alfred Bekker - Страница 36
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Bernd hatte sich diesmal nicht angemeldet. Ungehindert konnte er auf das Gelände von Romann Electronics fahren. Der Wächter kannte ihn noch. Er hatte nur gesagt, dass er zu Herrn Romann wolle. Selbst nach zwei Einbrüchen und zwei toten Männern waren die Sicherheitsmaßnahmen immer noch nicht besser geworden. Vielleicht sagte man sich auch, dass es jetzt sowieso keinen Zweck mehr hätte.
Bernd stieß die Tür zum Vorzimmer auf und strahlte Susanne Wille an, die hinter ihrer Schreibmaschine saß. Sie sah übermüdet aus, aber das war auch kein Wunder.
„Ich dachte, Sie würden sich einen Tag frei nehmen. Dafür hätte Ihr Chef sicher Verständnis.“
Sie schüttelte den Kopf. „Das hätte keinen Sinn. Hier werde ich wenigstens abgelenkt. Die Arbeit lässt mich das Schreckliche von gestern Abend vergessen. Es ist besser so.“
Ihre Augen wirkten merkwürdig starr, und sie sprach mechanisch, als würde sie einen auswendig gelernten Text hersagen.
Bernd trat dicht an sie heran, und sie ließ die Finger von der Maschine sinken. Sie wirkte ganz ruhig. Aber Bernd kannte sich mit Menschen aus. Unter der Oberfläche mussten die Emotionen brodeln.
„Sind Sie ganz sicher, dass Sie den Mörder nicht doch an der Stimme erkannt haben?“, fragte er.
Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin ganz sicher. Es war eine völlig fremde Stimme, die ich noch nie im Leben gehört habe.“
„Schade“, erwiderte er. Bernd überlegte. Sagte sie die Wahrheit? Wenn sie recht hatte, stürzte seine Theorie wie ein Kartenhaus zusammen. Dann konnte Karsten Romann unmöglich der Täter sein. Denn seine Stimme musste sie schließlich unter tausenden herauskennen. Und trotzdem: er konnte seine Theorie noch nicht aufgeben. Zuviel sprach gegen Romann. Er musste es schaffen, ihn irgendwie mit Skotty zusammenzubringen. Der Gangster musste ihn identifizieren!
Wenn sich die Wille ihrer Sache nur nicht so sicher wäre!
„Weshalb sind Sie hier?“, fragte sie. „Wollen Sie zum Chef?“ Sie zeigte mit dem Daumen zu der verschlossenen Tür.
„Er ist schließlich mein Auftraggeber", entgegnete er. „Ich muss mich zumindest wieder einmal melden.“
„Ich werde Bescheid sagen.“ Sie wollte aufstehen, aber Bernd drückte sie auf ihren Platz. „Das ist nicht nötig. Ich finde den Weg allein.“
Er sah sie intensiv an. „Ich glaube. Sie könnten mir mehr helfen, wenn Sie nur wollten. Ich spüre, dass Sie einen ganz bestimmten Plan haben. Warum sagen Sie mir nicht, worum es geht?“
Ihr Gesicht wurde verschlossen wie eine Auster. Dann schüttelte sie den Kopf. „Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Ich habe keinen Plan, ich trauere nur um Klaus. Niemand kann ihn wieder lebendig machen.“
„Nein, das nicht“, sagte er leise. „Aber Sie können dafür sorgen, dass Sie nicht noch ein weiteres Leben zerstören, nämlich Ihr eigenes. Machen Sie keinen Fehler.“
Sie begann wieder auf der Schreibmaschine zu klappern. „Lassen Sie mich in Ruhe. Sie können mir nicht helfen."
Jetzt lächelte sie sogar. „Alles wird geschehen, wie es vorbestimmt ist. Ich glaube an das Schicksal. Niemand wird ihm entgehen.“
Bernd wusste nicht, was er mit ihren rätselhaften Worten anfangen sollte, obwohl er ahnte, dass sie eine tiefere Bedeutung besaßen. Susanne Wille verfolgte einen bestimmten Plan, und sie schien sicher zu sein, dass nur sie diesen Plan erfüllen konnte. Betrachtete sie sich als Werkzeug des Schicksals? Sie machte an sich nicht den Eindruck einer Spinnerin. Andererseits wusste man nie, was der Schock des Mordes an ihrem Freund ausgelöst hatte. Bernd nahm sich vor, das Mädchen im Auge zu behalten. Aber zunächst wollte er sich um Karsten Romann kümmern.
Rasch durchquerte er das Büro und öffnete die zweite Tür.
Romann sah auf, und in seinem Gesicht spiegelte sich der rasch wechselnde Ausdruck von Überraschung, Furcht und fieberhafter Überlegung.
„Da bin ich wieder“, sagte Bernd munter.
„Welch eine Freude, Sie gesund wiederzusehen, Herr Schuster.“
Romanns Gesicht strafte seine Worte Lügen.
Bernd ließ sich in einem Besucherstuhl nieder. „Ich denke, es ist an der Zeit, Ihnen Bericht zu erstatten.“
„Wo haben Sie solange gesteckt?“
„Das ist eine lange Geschichte. Ich wollte gerade beginnen, Sie Ihnen zu erzählen.“
Romann winkte ab. „Ich habe eine Menge zu tun. Im Übrigen ist alles vorbei. Die Unterlagen sind gestohlen, und Sie können auch nichts mehr daran ändern. Ich glaube nicht, dass ich Ihre Dienste noch länger in Anspruch nehmen muss.“
„Sind Sie denn sicher, dass die geheimen Unterlagen endgültig verloren sind?“, fragte Bernd erstaunt.
Romann grinste spöttisch. „Was wollen Sie denn schon dazu beitragen, sie wiederzubeschaffen?“
„Sie sind nicht ganz auf dem laufenden, Herr Romann. Die Unterlagen sind noch nicht alle beim Empfänger angekommen. Das Wichtigste fehlt ihm noch, nämlich die Computerbänder.“
Romanns Grinsen war wie weggewischt. Seine Stimme klang rau, und ein wenig Unsicherheit schwang mit. „Woher wollen Sie das wissen?“
„Das spielt im Augenblick keine Rolle. Aber ich weiß es, denn ich war die meiste Zeit mitten im Geschehen. Die Einbrecher wollten den Käufer übers Ohr hauen und haben ihm die Unterlagen nicht komplett ausgeliefert. Das war natürlich unklug, denn bei dem Käufer handelte es sich um einen dem BKA bekannten KGB-Agenten, der sich so etwas nicht gefallen lässt.“
Romann war blass geworden. „Die Russen haben also die Unterlagen", krächzte er und griff sich an die Kehle, als würde ihm die Luft knapp.
„Nicht alle, das sagte ich doch schon", erläuterte Bernd geduldig. „Aber sie sind natürlich hinter dem Rest her, und sie werden keine Ruhe geben, bis sie ihn haben, oder bis wir sie haben.“
„Und was tut das BKA?“
„Sie meinen Kerner? Was soll er schon tun? Sie haben nichts gegen den Agenten in der Hand. Einen gewissen Smirnow übrigens. Er ist bei der sowjetischen Botschaft beschäftigt.“ Bernd betrachtete seine Fingernägel und polierte sie dann am Aufschlag seiner braunen Cordjacke. Er wollte Romann aus der Reserve locken und es schien zu gelingen. Er war überzeugt davon, dass Romann Dreck am Stecken hatte - wenn er auch möglicherweise nichts mit dem Tod seines Bruders zu tun hatte.
„Sie glauben also, dass die Verbrecher, die den Einbruch verübt haben, immer noch im Besitz der Bänder sind“, sagte Romann, und seine Hände bewegten sich fahrig durch die Luft. Er wurde immer nervöser.
„Das ist anzunehmen“, entgegnete Bernd ruhig.
„Sie müssen sie wiederbeschaffen!", schrie Romann plötzlich und hieb mit der Faust auf den Tisch.
„Beruhigen Sie sich. Das hat doch keinen Sinn. Zuerst einmal müssen wir feststellen, ob ich noch in Ihren Diensten bin oder nicht.“
„Nein!“ Romann sprang auf. „Ja, sicher“, verbesserte er sich eine Sekunde später. „Sie arbeiten noch in meinem Auftrag. Ich will jetzt genau wissen, was Sie herausgefunden haben."
Bernd erzählte ihm eine ganze Menge, aber er verschwieg auch einiges. So sagte er kein Wörtchen davon, dass er selbst die Bänder hatte und sie jetzt sicher beim BKA unter Verschluss lagen. Kerner hatte zugestimmt, Romann nichts davon zu sagen, bis die Sache endgültig aufgeklärt war. Ebenso wenig erwähnte er den Mord an Klaus Romann. Davon brauchte er schließlich nichts zu wissen. Bernd ließ auch den Besuch bei Skotty weg, denn er wollte Romann ja dazu bringen, dass eine Gegenüberstellung möglich wurde. Romann durfte natürlich nichts davon ahnen.
Es war ein Spiel ohne Netz und doppelten Boden. Bernd wollte seinen eigenen Auftraggeber überführen, da er glaubte, dass Romann ziemlich tief in die Sache verwickelt war.
Zur letzten Lösung fehlten noch ein paar Fäden, die miteinander verknüpft werden mussten. Bernd war ganz dicht dran, das ahnte er.
„Ich muss die Bänder wieder in die Hand bekommen“, sagte Romann nach einer langen Pause. „Das Geschick meiner Firma hängt daran. Ich werde sonst nie wieder einen Auftrag vom Verteidigungsministerium bekommen. Sie werden mir helfen." Seine Augen wichen Bernds Blick aus.
„Wir werden sie bekommen. Ich habe heute Nachmittag einen Treffpunkt mit dem Mann ausgemacht, der im Besitz der Bänder ist. Sie müssen dabei sein, denn Sie sind der einzige, der die Bänder identifizieren kann."
Bernd wartete, ob Romann die Falle bemerkte. Die Sekunden dehnten sich endlos, aber schließlich nickte Romann. „Gut, ich werde da sein. Wo ist dieser Treffpunkt?“
Bernd beschrieb ihm die Stelle genau, die er sich ausgesucht hatte. „Seien Sie pünktlich“, sagte er zum Abschluss und erhob sich.
Romann stand ebenfalls auf. „Sie werden neben mir stehen, wenn es soweit ist, ja?“
„Aber sicher, Herr Romann.“
„Das ist gut, das ist sehr gut." Um Romanns Mund lag ein wölfisches Grinsen, und Bernd hätte zu gern gewusst, was der Mann jetzt dachte.
Er drehte sich zur Tür und sah Susanne Wille, die mit einer Mappe unter dem Arm in der halb geöffneten Tür stand. Sie musste die letzten Sätze gehört haben, verriet aber mit keiner Miene, was sie dachte. Romann hatte seine Sekretärin noch nicht bemerkt.
„Die Unterschriften, Herr Romann“, sagte sie.
Er blickte auf und lief rot an. „Jetzt nicht!“, brüllte er. „Machen Sie, dass Sie rauskommen!“ Er ließ sich schwer in seinen Sessel fallen und stützte den Kopf in die Hände.
Bernd verließ mit Susanne das Büro. „Wieviel haben Sie mitbekommen?“, fragte er.
Sie sah ihn kühl an. „Ich verstehe Sie nicht.“
Bernd nickte bekümmert. „Sie sind heute nicht sehr entgegenkommend, wie? Machen Sie bitte keinen Fehler." Sie antwortete nicht, als er das Büro verließ.