Читать книгу Fünf Mörder: 5 dicke Strand Krimis - Alfred Bekker - Страница 34
23.
ОглавлениеBernd Schuster schloss seinen Wagen sorgfältig ab. Dies war zwar kein ausreichender Schutz gegen Profis unter den Wagendieben, aber mit einem gewissen Risiko musste man in Berlin leben. Er sah sich um, konnte aber nichts Verdächtiges entdecken.
Es war ein kühler Morgen, aber der Himmel strahlte in tiefstem Blau. Inzwischen hatte er auch Franziska, seine Assistentin, ins Bild gesetzt. Ihr war ein Stein vom Herzen gefallen, als er ihr gegenüberstand. Bernd wollte sie in diese Angelegenheit nicht mit hineinziehen. Es war kein Fall mit gewöhnlichen Verbrechern. Hier hatte er es mit Agenten zu tun, die vor nichts zurückschrecken würden, um an ihr Ziel zu gelangen, und er wollte Franziskas Leben nicht in Gefahr bringen.
Wenn ihn sein Gefühl nicht täuschte, würde es nicht mehr lange dauern, bis der Fall endgültig zum Abschluss gebracht war, aber andererseits spürte er, dass es nicht leicht sein würde.
Immerhin hatte er auf Grund seiner guten Beziehung zur Polizei und zur Unterwelt herausgefunden, wie die Ganoven hießen, die ihn entführt hatten. So wie
er das Team beschrieben hatte, kamen nur zwei in Frage: Freddy und Skotty galten als Spezialisten für besondere Einbrüche und Panzerschränke.
Freddy war tot, blieb also noch Skotty. Bernd musste ihn finden, denn der Bursche konnte ihm helfen, den Auftraggeber für den Diebstahl der geheimen Unterlagen zu überführen - wenn Skotty noch lebte.
Nun, er hatte eine Adresse bekommen. Gleich würde er mehr wissen. Die Straße musste vor dem Zweiten Weltkrieg mal ein gutes Wohngebiet gewesen sein. Heute war sie verkommen wie so viele andere Straßen dieser Stadt. Die Fassaden bröckelten ab, und der letzte Anstrich lag schon Jahrzehnte zurück.
Auf den Straßen spielten Kinder mit Konservendosen und anderen Abfällen der Zivilisation. Bernd ging ein paar Schritte weiter zu dem Haus, das er suchte. Er drückte die Haustür auf und kam in einen dämmerigen Hausflur, in dem es nach verbranntem Essen und schmutziger Wäsche roch. Er studierte die handgeschriebenen Namensschilder auf den verbogenen Briefkästen. Tatsächlich: Skotty lebte hier unter seinem richtigen Namen, den man ihm bei seinen Nachforschungen ebenfalls genannt hatte.
Bernd stieg die Treppen hinauf, denn hier gab es in keinem der Häuser einen Fahrstuhl. Sein Ziel lag im zweiten Stock, die Tür auf der rechten Seite.
Er hatte den Finger bereits auf dem Klingelknopf, als er zögerte. Skotty würde ihm bestimmt nicht freiwillig aufmachen. Bernd betrachtete das Schloss. Es würde keinen großen Widerstand leisten.
Als Privatdetektiv nahm er sich ein paar Freiheiten heraus, die den Kollegen von der Polizei nicht gestattet waren. Er fummelte mit seinem Besteck vorsichtig in dem Schloss herum, bis er Widerstand fühlte. Eine leichte Drehung, und das Schloss sprang auf.
Bernd zog seine Pistole, die er sich aus dem Büro geholt hatte. Im Laufe der Zeit hatte er eine ganze Anzahl Pistolen abschreiben müssen. Nun, vielleicht bekam er die letzte wieder.
Er trat in den dunklen Korridor und lauschte. Es gab mehrere Türen, die alle geschlossen waren. Er hörte hämmernde Beatrhythmen und grinste. Das waren die Stones in Hochform! I Can’t Get No Satisfaction in einer Lautstärke, die nicht nur jedes seiner Geräusche übertönen würde, sondern auch den Fußboden unter seinen Füßen vibrieren ließ.
Rasch überwand er die Distanz und riss die Tür auf. Mit einem Satz war er im Zimmer und ließ den Lauf der Waffe kreisen.
Ein völlig erschrockener Skotty hatte sich halb aus einem Sessel erhoben. Seine Augen gingen hin und her wie die einer Ratte in der Falle. Ein Schulterhalfter, aus der ein Kolben ragte, lag zwei Armlängen von ihm entfernt auf einem Tisch.
„Versuch' es nicht", warnte Bernd. „Meine Kugel ist schneller.“
„Wie ... wie haben Sie mich gefunden?“
„Das war kein Problem. Ihr Ganoven seid immer so verdammt selbstsicher, dass euch nichts passieren kann.“
Skotty schielte immer noch zu seiner eigenen Waffe, aber er ließ sich langsam wieder zurücksinken. Im Moment hatte er keine Chance, das sah er ein, aber ein Mann wie er würde jede Chance nützen, darüber war sich Bernd im Klaren.
„Was wollen Sie von mir?“ fragte Skotty.
„Ein paar Antworten auf meine Fragen. Eigentlich brauche ich nur eine Antwort. Wer ist euer Auftraggeber für den Einbruch bei Romann Electronics?“
Skotty grinste. „Ich weiß gar nicht, wovon Sie sprechen.“
Bernd machte eine müde Handbewegung. „Das ist doch sinnlos. Die gestohlenen Computerbänder lagen in meinem eigenen Wagen. Ich habe euch gehört, wie ihr euch unterhalten habt. Ich habe gesehen, wie es Freddy erwischt hat. Ich weiß sogar, wer der Kerl ist, den ihr aufs Kreuz legen wolltet und der dann den Spieß herumgedreht hat.“
Skotty fuhr hoch. „Wie heißt er?“
Jetzt grinste Bernd. „Soll das auf ein Tauschgeschäft hinauslaufen? Mein Name gegen deinen? Der Name allein genügt mir nicht. Ich brauche einen Beweis. Du müsstest ihn identifizieren und vor Gericht gegen ihn aussagen.“
„Sie sind ja verrückt! Ich werde niemals vor Gericht aussagen. Dann könnte ich ja meinen Beruf an den Nagel hängen.“
„Das wirst du wohl ohnehin müssen. Denn deine Karriere ist hiermit zu Ende. Ich lasse dir nur den Ausweg, einigermaßen aus der Sache herauszukommen.“
Skotty schüttelte den Kopf. „Dazu ist es zu spät.“
Bernd überlegte einen Augenblick. „Du hast beim ersten Einbruch den Wächter erschossen“, stellte er fest.
Skotty reagierte nicht.
„Dann kann ich nichts mehr für dich tun", sagte Bernd. „Bei Mord gibt es keine mildernden Umstände.“
„Es war kein Mord, es war Notwehr“, sagte Skotty. „Der Wächter hatte seine Pistole schon in der Hand. Wir wollten nicht, dass es Tote gibt, denn alles sollte glänzend vorbereitet sein." Er lachte bitter. „War es aber nicht.“
„Ich glaube nicht, dass sich ein Richter der Notwehr-Argumentation anschließen wird. Es handelte sich immerhin um einen Einbruch. Damit wirst du dich nicht herausreden.“
„Es ging eben von Anfang an schief. Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Glauben Sie nur nicht, dass ich vor dem Staatsanwalt das gleiche sage, wie jetzt zu Ihnen. Ich werde alles abstreiten.“
„Sicher, Skotty, das ist dein gutes Recht. Und wie war das mit dem zweiten Einbruch?“
Skotty grinste. „Na, der hat doch prima geklappt. Es war ein Kinderspiel. Wir hatten den richtigen Schlüssel."
„Und wie war das mit Manfred Klein?“
„Klein?“, fragte Skotty verblüfft.
„Das war der Name des Wachhabenden in jener Nacht. Du hast ihn wieder einfach abgeknallt!"
Skotty hob eine Hand. „Nein, das ist nicht wahr. Freddy hat ihn erschossen. Es war ein Unfall! Er lief ihm einfach vor die Kanone.“
„Skotty, gib’s auf. Damit kommst du nicht durch. Aber ich bin kein Polizist. Wegen dieser Sachen wirst du dich vor dem Richter verantworten müssen. Wir können aber trotzdem unser kleines Geschäft abschließen. Den Namen des Käufers gegen den Namen des Auftraggebers."
Skotty überlegte einen Augenblick. Schließlich hob er die Schultern. „Es tut mir leid, aber wir kannten unseren Auftraggeber nicht. Er hat sich verkleidet, wenn er mit uns zusammentraf."
„Aber irgendwie müsst ihr doch Kontakt aufgenommen haben.“
„Das lief über einen Kontaktmann. Sie wissen doch, wie das ist. Man vereinbart einen Treffpunkt und ein Stichwort zur Erkennung, und dann schließt man das Geschäft ab. Es gibt eine Anzahlung, und irgendwann trifft man sich ein zweites Mal, um die Ware zu übergeben und den Rest der Bezahlung zu erhalten. Dann sieht man sich nie wieder."
Bernd nickte. Er wusste in der Tat, dass die Dienste von Profis oft auf diese Weise vermittelt wurden. Man versuchte, in dieser geheimdienstähnlichen Vorgehensweise spätere Erpressungsversuche auszuschalten. Verbrecher wussten, was sie voneinander zu halten hatten.
„Also, schön“, sagte Bernd. „Nehmen wir an, es stimmt alles so. Wie kam der Käufer ins Spiel?“
„Unser Auftraggeber hatte mit ihm Kontakt aufgenommen. Uns teilte er mit, wo wir diesem Mann die Ware zu übergeben haben. Anschließend sollten wir das restliche Geld erhalten."
„Und dann habt ihr euch gedacht, es wäre ganz gut, ein bisschen mehr aus dieser Geschichte herauszuholen. Und ihr hattet keine Ahnung, auf welches Spiel ihr euch da eingelassen habt.“
Skotty schwieg und presste die Lippen zusammen. Sicherlich stand die Szene im Schuppen vor seinen Augen.
„Wie bist du eigentlich entkommen?“, fragte Bernd. „Die Angreifer hätten dich doch fertigmachen können.“
„Als Sie mit dem Wagen durchbrachen, habe ich die augenblickliche Verwirrung genutzt. Wenn man aus dem Schuppen herauskommt, gibt es noch einen zweiten Weg. Die Kerle sind mir nicht gefolgt, weil in der Ferne schon das Martinshorn zu hören war.“
„Und du glaubst nicht, dass sie dich suchen?“
„Sie werden mich nicht finden. Ich habe mich seitdem nicht von der Stelle gerührt.“
„Ich habe dich auch gefunden, sogar sehr schnell. Du solltest dir rasch etwas überlegen. Die Burschen spaßen nicht. Sie wollen die Bänder haben, dafür haben sie bezahlt. Sie werden nicht eher ruhen, bis sie die Dinger haben oder bis sie hinter Schloss und Riegel sind.“
„Die Bänder sind mir egal. Ich will den Typ finden, der Freddy umgelegt hat. Wir haben uns früher geschworen, dass wir uns gegenseitig rächen, falls einem von uns etwas passiert. Diesen Schwur werde ich halten, und wenn es das letzte ist, was ich tue.“
Bernd ließ seine Pistole allmählich sinken. Skotty machte nicht den Eindruck, als würde er einen Angriff wagen. „Nun gut, ich weiß, wer der Kerl ist.“
„Dann spuck’s aus!“ Skotty reagierte so schnell, dass er Bernd überrumpelte. Mit einem gewaltigen Satz schoss er aus seinem Sessel und grapschte nach dem Schulterhalfter. Er nahm sich gar nicht erst die Mühe, die Waffe zu ziehen, sondern ballerte durch das Leder.
Die Detonation klang in dem engen Raum ohrenbetäubend. Bernd ließ sich einfach fallen, als Skotty zur Waffe griff.
Aber ehe der Gangster zielen und den zweiten Schuss abfeuern konnte, war Bernd über ihm. Er wollte Skotty nicht verletzen, deshalb schoss er auch nicht zurück. Diese Auseinandersetzung war auch auf andere Weise zu erledigen. Bernds erster Schlag traf und ließ Skotty durch den Raum taumeln.
Bernd fing das Schulterhalfter auf und warf es mitsamt der Waffe in eine entfernte Ecke, wo es unter einen Schrank rutschte. Dann schob er seine eigene Pistole an ihren gewohnten Platz und zerrte Skotty hoch, der noch benommen den Kopf schüttelte.
„Du verdammter Schnüffler!“, knurrte Skotty. „Mit dir werde ich schon fertig. Jetzt haben wir die gleichen Chancen.“
Bernd wich einen Schritt zurück und erwartete den Angriff. Er musste versuchen, Skottys Widerstand zu brechen, um die gewünschte Information zu erhalten. Er musste ihn demoralisieren.
Skotty war ziemlich kräftig, kämpfte aber ohne jede Finessen. Mangelnde Tricks und Wendigkeit versuchte er mit Gewalt auszugleichen. Eine Methode, die selten funktioniert.
Der erste Angriff ging ins Leere. Bernd wich elegant zur Seite aus und verpasste Skotty im Vorbeigehen einen kräftigen Schwinger. Ein zierlicher Tisch ging zu Bruch, ehe Skotty sich wieder aufrappelte.
„Mistkerl!“, stöhnte Skotty, ging mit gesenktem Kopf erneut los und schwang seine Fäuste.
„Das ist nicht sehr überzeugend!“, höhnte Schuster.
Skotty fuhr herum. Seine Augen waren blutunterlaufen. Eine leichte Schwellung machte sich in seinem Gesicht breit. Er leckte sich über die Lippen und startete den nächsten Angriff.
Diesmal erwischte er Bernd mit einem kräftigen Hieb an den kurzen Rippen. Bernd spürte, wie die Luft aus seinen Lungen gedrückt wurde. Den nächsten gemeinen Schlag konnte er gerade noch mit einem hochgerissenen Arm abwehren. Skotty grinste tückisch.
Bernd stieß einen Stuhl zur Seite, der ihn in der Bewegung behinderte. Er hätte dem Spuk mit der Pistole rasch ein Ende machen können, aber das wollte er nicht. Skotty musste in seinem Selbstbewusstsein erschüttert werden, und das gelang nur, wenn er ihn nach Strich und Faden auseinandernahm. Im Augenblick sah es gar nicht danach aus.
Skotty fintierte und schwang wieder seine langen Arme. Diesmal erkannte Bernd die Gefahr rechtzeitig, denn der Kerl versuchte den gleichen Trick zum zweiten Mal. Ziemlich einfallslos!
Bernd machte eine halbe Drehung, ließ den anderen knapp an sich vorbeilaufen und setzte ihm die Handkante in den Nacken.
Skotty stöhnte und stolperte nach vorn. Er konnte seinen Sturz gerade noch abfangen, war aber angeschlagen.
Er kam herum, doch seine Bewegungen wurden schon schwächer. Er taumelte wie ein Betrunkener, und Bernd hatte keine Mühe, dem Angriff auszuweichen.
Er ließ ihn wieder ins Leere laufen, ein Schwinger folgte, und ein Tritt mit der Fußspitze vollendete das Werk.
Skotty schlidderte über den Boden und prallte gegen die Wand, wo er schwer atmend liegenblieb. „Es reicht“, flüsterte er.
„Okay, dann können wir uns wieder wie vernünftige Menschen unterhalten.“
„Geh’ zur Hölle!“, brummte Skotty.
„Du bist ein ziemlich eigensinniger Zeitgenosse“, meinte Bernd. „Ich brauche nur einen Namen von dir.“
„Ich weiß ihn nicht. Um die Geschäfte hat Freddy sich gekümmert. Es war ein Mann, ziemlich klein.“
„Aha, jetzt kommen wir endlich weiter." Bernd war erleichtert. „Würdest du den Mann wiedererkennen?“
„Vielleicht. Ich habe sein Gesicht nie deutlich gesehen. Vom Typ her könnte ich ihn erkennen.“
„Das reicht mir. Wenn du ihn identifiziert hast, erfährst du den Namen des Kerls, der Freddy umgebracht hat. Ich komme heute noch wieder und werde einen Treffpunkt mit dir vereinbaren, wo du deinen ehemaligen Auftraggeber erkennst, ohne dass er dich sieht.“
Skotty stemmte sich langsam wieder hoch und setzte sich aufrecht hin. „Du hast gewonnen, Schnüffler. Ich bin einverstanden. Aber lass dir nicht zu lange Zeit, sonst überlege ich es mir noch anders.“
„Ich bin in wenigen Stunden zurück.“
Bernd wandte sich zum Gehen. Er hatte keine Sicherheit, dass Skotty sich an die Abmachung hielt, aber es war zumindest eine Chance, den Drahtzieher zu überführen. Sein Verdacht reichte nicht aus, er brauchte weitere Beweise. Skotty würde noch früh genug hinter Schloss und Riegel kommen. Der Mann würde kaum weglaufen. Wohin sollte er auch?
Als Bernd die Wohnung verließ und über den Fall nachdachte, war er so in Gedanken versunken, dass er den Mann nicht bemerkte, der eine halbe Treppe höher
stand und ihn aufmerksam beobachtete. Es war ein Bulle von Kerl, und er hatte kurzgeschnittene Haare.
Seine Augen glitzerten böse, als Bernd die Treppen hinunterstieg, und er murmelte einen halblauten Fluch in einer fremden Sprache.