Читать книгу Krimi Doppelband 2222 - Alfred Bekker - Страница 13
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Оглавление"Du wolltest sie töten, du Schwein ..." Die Stimme des kaum Fünfundzwanzigjährigen klang leise. Aber keineswegs ängstlich.
"Wie redest du mit deinem Vater!", brüllte Frank Scalio los. Sein aufgequollenes Altmännergesicht lief rot an. Die Adern an seiner Schläfe traten hervor. "Toni sollte sie observieren! Weiter nichts! Ich wollte wissen, ob sie tatsächlich den Mut hat, die Scheidung einzureichen!"
"Erzähl mir keinen Quatsch, Dad." Obwohl sein Vater aufgesprungen war und mit beiden Armen ruderte, wich Paul Scalio keinen Zentimeter von dessen Schreibtisch zurück. Seine Augen funkelten böse. Sein dichtes, zu einem Zopf zusammengebundenes schwarzes Haar glänzte ölig. "Du wolltest meine Mutter töten, weil du ihr nicht auszahlen willst, was ihr zusteht ..."
"Wie kannst du es wagen ...!" Frank plusterte sich auf und tobte in seinem Büro herum. Jeder wusste, wie er reagierte, wenn man ihn in die Enge trieb. Auch Paul wusste es. Und trotzdem stand er vor dem Schreibtisch und zeigte sich vollkommen unbeeindruckt. Das brachte den Senior noch mehr in Rage.
Im Hintergrund, neben der ledergepolsterten Bürotür, saß Mustafa >Taffy< Zibany. Unruhig rutschte er auf seinem Stuhl hin und her.
Frank, ein mittelgroßer zum Fettansatz neigender Mittfünfziger mit pomadigem Haar, dessen akkurat geordnete Strähnen die Glatze eher hervorhoben als tarnten, zog alle Register. Beschwor seine Ehre und seine Autorität als Oberhaupt der Organisation, verfluchte seine fast zwanzig Jahre jüngere Frau, Pauls Mutter, die er während eines Urlaubs in Sizilien als Fünfzehnjährige geheiratet hatte, und jammerte über die Arztrechnungen, die er für Anseluttis mittlerweile zweiwöchige stationäre Behandlung im Beekman Downtown Hospital bezahlen musste.
Seinem Killer war es zwar gelungen, die Handgranate in den Hauseingang neben sich zu werfen, aber abgesprengte Gesteinsbrocken hatten ihn fast skalpiert. Und er beklagte sich bitter über die anstehenden Zahlungen, die der Anwalt seiner Frau von ihm forderte.
"Sie begnügt sich nicht mit dem Unterhalt!", rief er. "Schmerzensgeld will sie! Schmerzensgeld!" Flehend hob er die Arme über den Kopf. "Heilige Mutter Gottes! Du weißt, dass dieses Luder die Ohrfeigen verdient hat! Doppelt soviel hat sie verdient! Und jetzt Schmerzensgeld ...! Ich bin ruiniert!"
Paul kannte seinen Vater. Jeder Versuch, seinen Wortschwall zu unterbrechen, war sinnlos. Er wartete, bis ihm die Puste ausging und Frank sich schwer atmend in seinen Bürosessel sinken ließ. Dort saß er seufzend und blickte mit weinerlicher Miene auf seine gefalteten, fleischigen Hände.
Paul verachtete ihn vor allem wegen seines pathetischen Hanges zum Selbstmitleid.
Als er merkte, dass sein Vater endlich Ruhe gab, stützte er sich auf den Schreibtisch und beugte sich zu ihm hinüber. Frank sah erschrocken auf. In seinen Augen flackerte Angst.
"Wenn du meine Mutter tötest, wirst du sterben", sagte Paul. Er sprach langsam und jedes einzelne Wort betonend. Und aufreizend langsam führte er seine Hand zur Brust und tippte sich dreimal ans Brustbein. "Ich persönlich werde dich umbringen."
Der Nordafrikaner hinter ihm erstarrte. Genauso wie Frank. Pauls hassfunkelnde Augen bohrten sich in den flackernden Blick seines Vaters. Bis dieser sich abrupt abwandte. Dann erst richtete Paul sich auf und verließ das Büro. Zibany folgte ihm mit weichen Knien.
Eine Zeit lang konnte Frank keinen klaren Gedanken fassen. Er fummelte eine Zigarillo aus dem Zigarrenkästchen auf seinem Schreibtisch. Während der herbe Duft ihres Rauches sich in seinem Büro ausbreitete, machte er sich seine Situation klar.
Jahrzehntelang hatte er gebraucht, um die Organisation in Little Italy aufzubauen und gegen die Konkurrenz zu verteidigen. Inzwischen gehörte er zu den angesehensten Männern zwischen der Bowery und dem Westlichen Broadway, zwischen der Canal und der Houston Street. Drogenhandel, Prostitution, Schutzgelderpressung und die vielen kleinen Spezialdienstleistungen, die zu seinem Repertoire gehörten, hatten ihn zum Millionär gemacht.
Und nun, wo er sich zur Ruhe setzen wollte, ließ Rosina, dieses Miststück, sich scheiden. Grund genug, sie zu töten. Jeder hier in Little Italy hätte Verständnis dafür gehabt. Aber nicht genug damit - diese Schlange besaß auch noch die Frechheit, ihn wegen Körperverletzung zu verklagen!
Die Hälfte seines Vermögens würde ihn dieser Rechtsstreit kosten, hatte sein Anwalt prophezeit.
Grübelnd tigerte Frank Scalio in seinem Büro auf und ab. Ich persönlich werde dich umbringen – jedes Mal, wenn die Worte seines Sohnes ihm durch den Kopf gingen, wenn er dessen hasserfülltes Gesicht auf seiner inneren Leinwand sah und seine drohende Stimme hörte, richteten sich seine Nackenhaare auf.
"Dieser missratene Bastard wird seine Drohung wahr machen", murmelte er vor sich hin. Er gestand sich nicht ein, dass er Paul fürchtete. Der Junge war so ganz anders als er selbst.
Irgendwann flüchtete er sich wieder hinter seinen Schreibtisch und griff zum Telefon. Auf die erste Nummer, die er wählte, meldete sich ein Mann mit dem Namen >Harry<.
"Hör zu, Harry", sagte Frank, "blas die Sache ab."
"Aber wieso denn, Boss, die Bremsleitung ist präpariert, in einer Stunde will Ihre Frau ..."
"Ich hab gesagt, die Sache wird abgeblasen, kapiert?"
"Aber Boss", die Stimme am anderen Ende der Leitung bekam einen flehenden Unterton. "Was soll ich machen, wenn Ihre Frau gleich in den Cadillac steigt!? Soll ich sagen >Tut mir leid, Sie müssen ein anderes Fahrzeug nehmen. Ihr Mann hat dafür gesorgt, dass Sie mit diesem hier auf dem Roosevelt Highway unter den nächstbesten Truck ..."
"Das ist mir scheißegal, was du ihr erzählst, du Hohlkopf! Von mir aus fackele die Kiste ab! Auf jeden Fall wird die Sache ein für alle Mal abgeblasen! Sonst liegst du morgen um die Zeit auf dem Grund des Hudsons!" Er knallte den Hörer auf und wählte die nächste Nummer.
"Hotel Carlyle? Geben sie mir Zimmer 212." Er wartete ein paar Sekunden. Dann meldete sich eine Männerstimme. "Hallo, Mister Zimmermann." Frank nahm den Hörer in die andere Hand und zog einen Notizblock zu sich heran. "Sie haben mich vor einer Woche angerufen. Ich hab's mir noch einmal überlegt. Meine Ablehnung war etwas voreilig. Einen Auftrag übernehme ich noch, bevor ich mich zur Ruhe setze."
"Freut mich, Mr. Scalio", sagte Zimmermann. "Freut mich, dass Sie doch noch mit einsteigen. Ihr Sohn wird erleichtert sein."
"Mein Sohn ...?" Frank machte ein begriffsstutziges Gesicht.
"Er arbeitet bereits seit einer Woche für mich ..."