Читать книгу Krimi Doppelband 2222 - Alfred Bekker - Страница 20
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ОглавлениеIch konnte mir nicht helfen - aber der Mann war mir sympathisch. Freundlich, ohne einschmeichelnd zu wirken, bat er uns in seine Hotelsuite. Sein offenes Gesicht mit dem exotischen Schnurrbart erinnert mich an ein Bild in einem Geschichtsbuch aus der Schulzeit: Ein Porträt von General Custer hatte es mir damals angetan.
Als Halbwüchsiger schwärmte ich für die Helden der Indianerkriege. Das hatte sich geändert. Aber das alte Foto des legendären Haudegens steckte heute noch in einer modernen >Geschichte Amerikas< auf meinem Bücherregal.
Urs Zimmermann wies mit einer lässigen Handbewegung auf die Jugendstilsessel in der Sitzecke der Suite und bestellte uns einen Kaffee. "Wie wäre es mit einem Cognac dazu?"
"Danke." Milo winkte ab. "Vor dem Abend nur Nullprozentiges." Zimmermann sah mich fragend an.
"So halte ich es auch." Er zog eine Schachtel Benson & Hedges aus der Brusttasche seines Hemdes und hielt sie uns hin. Wieder lehnten wir ab.
Nachdem seine Zigarette brannte, ließ er sich entspannt in seinen Sessel zurücksinken und sah uns neugierig an. "Die Rezeption sagte mir, dass Sie gestern schon nach mir gefragt haben."
"Und vorgestern." Milo zückte sein unvermeidliches Notizbuch. "Sie scheinen ein vielbeschäftigter Mann zu sein, Mr. Zimmermann."
"Da haben Sie recht. Ich kann nur zwei oder drei Wochen in Ihrer schönen Stadt bleiben. Und in dieser Zeit muss ich eine Menge Termine abwickeln."
"Kennen Sie einen gewissen Jack McCall?", fragte ich unvermittelt.
"Nein." Er schüttelte den Kopf. Seine blauen Augen wirkten hellwach.
"Und Stanley Morrison?" Milo schoss die nächste Frage ab. "Sagt Ihnen der Name etwas?"
"Ja." Wenn er überrascht war, ließ er sich nichts anmerken. "Früher, in meiner Zeit an der Wall Street, waren wir vorübergehend Geschäftspartner." Er lächelte und machte eine bedauernde Geste. "Heute sind wir Konkurrenten."
"Ach?" Milo sah in fragend an.
"Das wissen Sie doch sicher." Der Vorwurf in seiner Stimme klang fast scherzhaft. "Ich vertrete hier in New York die Interessen einiger Schweizer Banken und Firmen. Und Morrison vertritt die finanziellen Interessen des Staates New York. Der will, genau wie New York City, im Moment keine Geschäfte mit der Schweiz machen." Er beugte sich vor, um die Asche von seiner Zigarette in den Ascher zu schnippen. "Also sind wir Konkurrenten."
"Sie versuchen die Manhattaner Geschäftspartner bei der Stange zu halten, nehme ich an." Ich achtete genau auf sein Mienenspiel und seine Gestik. Er wirkte vollkommen sicher und offen. Wie ein Mann, der nichts zu verbergen hat.
"So ist es", seufzte er, "keine dankbare Aufgabe. Der unsinnige Boykottbeschluss Kaliforniens und New Yorks hat unsere Partner verunsichert. Ihre Politiker haben eine diplomatisch sehr unkluge Entscheidung getroffen. Und ich gehöre zu der Feuerwehrtruppe, die zu retten versucht, was zu retten ist."
">Diplomatisch sehr unklug< - so, so." Ich merkte, dass mein Partner zu provozieren versuchte. "Immerhin wollen sich die Schweizer Großbanken ihrer Verantwortung entziehen. Man kann einer Mörderbande nicht einfach geraubtes Gold abkaufen und Konten von KZ-Opfern unterschlagen."
"Ich bitte Sie!" Blitzschnell tauchte Zimmermann aus seinem Sessel auf und beugte sich vor. Eine zornige Falte erschien zwischen seinen buschigen, grauen Augenbrauen. "Man saß miteinander am Verhandlungstisch! Das Gebot stand bei sechshundert Millionen Dollar! Da darf man nicht einfach aufstehen und ein derart schweres Geschütz auffahren!"
"Lassen wir die Politik beiseite", sagte ich, "auch hierzulande gibt es unterschiedliche Auffassungen zu diesem Boykott. Wann haben Sie Mel Wyndham zuletzt lebend gesehen?"
Das saß. Entgeistert sah er mich an. "Lebend? Ist er denn tot?"
"Man hat ihn ermordet. Wann sahen Sie ihn zuletzt?"
Er schien ernsthaft erschüttert. "Moment bitte." Er stand auf und holte einen in rotes Leder gebundenen Terminplaner von dem Jugendstilsekretär der Hotelsuite. Schon darin blätternd setzte er sich wieder zu uns. "Am dritten Juli, das war ein Freitag."
"Und worum ging es bei diesem Besuch?" Milo notierte das Datum in sein Notizbuch.
Ein spöttisches Lächeln spielte um seinen schnauzbärtigen Mund. "Hören Sie, Gentlemen, wie wäre es, wenn sie das Versteckspielen aufgäben. Sie wissen genau, worum es bei dem Gespräch ging, und Sie wissen auch, dass ich Mr. Wyndham nicht dazu überreden konnte, die vereinbarten Verträge einzuhalten. Und jetzt gehöre ich zu ihrem potentiellen Täterkreis. Oder sollte ich mich täuschen?"
"Nein", sagte Milo kalt. "Sie wissen sicher auch, wie man sich am elegantesten aus dem potentiellen Täterkreis verabschiedet: Durch ein hieb- und stichfestes Alibi. Wo waren Sie also am Montag und am Dienstag nach ihrem Besuch bei Wyndham?"
Zimmermann blätterte in seinem Planer und las die Termine vor, die er an diesen Tagen hatte. Mit Uhrzeit, und Adresse seiner Gesprächspartner.
"Sie wissen, dass Wyndhams Stellvertreter daran denkt, die Verträge einzuhalten?", fragte ich.
"Nein, das weiß ich nicht. Wenn das wahr ist, werde ich das feiern, glauben Sie mir. Es stehen zweistellige Millionenbeträge auf dem Spiel." Seine Ehrlichkeit war entwaffnende. "So sehr ich Mr. Wyndhams Tod bedaure.“
Der Mann zeigte sich in jeder Hinsicht kooperativ. Auch über seine Gespräche bei den Banken, die Miller und McCall auf den Boykottbeschluss einschwören sollte, gab er bereitwillig Auskunft. "Ich hoffe, wenigstens Mr. Miller überzeugt zu haben. Denn Dr. Cohn hat sich als äußerst unangenehmer Verhandlungspartner erwiesen. Ein Betonkopf erster Güte."
"Morrisons Sekretär hatte einen Unfall auf dem Weg nach Manhattan." Er sah uns ungläubig an. "Jemand hat die Bremsleitungen seines Neuwagens manipuliert."
Eine Pause entstand. Zimmermann ließ sich wieder in seinen Sessel zurückfallen. "Haben Sie verstanden, wen ich vertrete, Gentlemen?" Ein drohender Unterton hatte sich in seine Stimme eingeschlichen. Seine Augen wurden schmal. "Meine Auftraggeber machen Geschäfte rund um den Globus. Regierungen und Privatleute aller Nationen vertrauen ihnen ihr Vermögen an. Meine Auftraggeber haben einen sehr guten Ruf zu verlieren. Glauben Sie im Ernst, irgendjemand aus der Schweizer Geschäftswelt würde sich dazu hinreißen lassen, seine finanziellen Interessen mit Gewalt durchzusetzen?"
Abwechselnd fixierte er uns. Etwas Beschwörendes lag in seinem Blick. "Halten Sie uns für naiv, Mr. Zimmermann?"
Er blinzelte überrascht. Die Zweideutigkeit meiner Frage schien ihn zu verwirren. "Nein."
"Dann ist gut." Milo packte sein Notizbuch ein. "Wenn wir noch weitere Fragen haben, hinterlassen wir eine Nachricht an der Rezeption. Rufen Sie uns dann bitte zurück." Er stand auf.
"Gern." Er erhob sich ebenfalls und begleitete uns zur Tür. Die Geschmeidigkeit seiner Bewegungen fiel mir auf. Sein federnder Gang ließ mich an einen Geparden denken. "Allerdings werde ich unter Umständen am kommenden Wochenende wieder nach Europa fliegen." Aus der Brusttasche seines Hemdes zog er seine Visitenkarte und reichte sie mir. "Aber sie können mich jederzeit in meinem Schweizer Büro erreichen."
Kurz darauf verließen wir das Luxushotel. "Der Abschied war um eine Nuance kühler, als die Begrüßung", sagte Milo, als wir in unserem Mercury saßen.
"Wir haben ihm auch gehörig zugesetzt." Ich startete den Dienstwagen und fädelte mich in den Nachmittagsverkehr ein. "Wie wäre es mit einem Abstecher in die East Village zu >McScorley's Old Alehouse<. Ich hab' Lust auf ein >Ploughmen's Lunch< und ein irisches Bier."
Milo setzte eine tadelnde Miene auf. "Ich dachte vor dem Abend nur Nullprozentiges."
"Das hast du gesagt. Nach so viel Luxus steht mir jetzt der Sinn nach Rustikalem. Außerdem haben wir noch nichts gegessen."
"Ich armer G-Man", seufzte Milo, "jetzt muss ich also auch noch einen Partner ertragen, der mich während des Dienstes zu einem Bier nötigt."
Eine Zeit lang fuhren wir schweigend die Park Avenue hinunter. Ich sondierte die Eindrücke des Gespräches mit Zimmermann. Und Milo tat das Gleiche, ich sah es ihm an. >Was hältst du von dem Mann?< würde er gleich sagen.
"Was hältst du von dem Mann?" Aus den Augenwinkeln nahm ich seinen erwartungsvollen Gesichtsausdruck wahr.
"Er scheint mir clean zu sein", sagte ich. "Aber ich bin zu lang im Geschäft, um mich noch auf den Schein verlassen zu wollen ..."