Читать книгу Krimi Doppelband 2222 - Alfred Bekker - Страница 19
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ОглавлениеEinen Tag später: Der Verkehr auf dem Queens Boulevard schleppte sich zäh dahin. David Cohn sah in den Rückspiegel: Der gleiche Anblick, wie durch die Windschutzscheibe - Blechkarosse an Blechkarosse. Ein wehmütiger Blick auf die Gegenfahrbahn: Nur wenige Fahrzeuge, die Richtung Manhattan unterwegs waren.
"Du hättest doch einen Helikopter bestellen sollen", seufzte Rachel neben ihm auf dem Beifahrersitz. Sie sah auf die Uhr.
"Keine Sorge, Rachel - wir haben genug Zeit. Du wirst dein Flugzeug nicht verpassen." Er legte seine Hand auf ihren Arm und lächelte sie an. "Wenn meine Frau mich schon für zwei Wochen verlässt, will ich sie wenigstens persönlich zum Flughafen bringen. Komm - erzähl mir was Schönes."
Sie seufzte und gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Pestome hat kein einziges Bild verkauft."
"Nein!" Wieder ein Blick in den Rückspiegel. Das silbergraue Mercedes Coupé schob sich hinter einem Lieferwagen und einem Cabby auf die Fahrbahnmitte in sein Blickfeld. Gestern schon war ihm das Fahrzeug aufgefallen.
"Wenn ich's dir sage! Die Leute sind um seine Bilder herumgeschlichen, wie um plattgefahrene Stinktiere!" Sie schlug sich laut lachend auf die Schenkel. "Und Pestomes Gesicht wurde immer länger ..."
Sie berichtete von der Vernissage in ihrer Galerie am Montag vergangener Woche. Wie immer, wenn sie erzählte, verlor sie sich in Einzelheiten: Wer was über wen und mit welchem Gesicht gesagt hatte, welches Paar sich aus welchem Grund getrennt und welches sich wieder versöhnt hatte, und wie der Maler sich nach der Eröffnung der Ausstellung sich bei ihr ausgeheult hatte.
Rachel konnte wunderbar erzählen. Der wortkarge Cohn, der lieber zuhörte, als sprach, liebte diesen Zug an seiner Frau.
Rachel Cohn war Kanadierin und stammte aus Winnipeg. Dort, bei ihrer Schwester wollte sie auch die nächsten beiden Wochen verbringen.
Sie hatten sich vor über fünfundzwanzig Jahren auf der Universität in Ottawa kennengelernt. Rachel studierte damals Kunstgeschichte. Seit ein paar Jahren betrieb sie eine kleine, erfolgreiche Galerie in Chelsea.
Wieder wanderten seine Augen zu dem Benz im Rückspiegel. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn.
Cohn war stolz auf seine Frau. Einzig, dass sie ihre künstlerische Neigung an Frederick vererbt hatte, nahm er ihr von Zeit zu Zeit übel. Frauen konnten es sich nach Cohns Meinung leisten, ihre Zeit mit nutzlosen Dingen zu verbringen. Und wenn sie damit auch noch Geld verdienten - umso besser.
Aber für Männer, die versuchten ihre Dollars mit Musik, Malerei oder Bücherschreiben zu verdienen, hatte er wenig Verständnis. Dafür war er einfach zu sehr Soldat. Es kostete ihn viel Mühe, seinem Sohn gegenüber die von ihm sonst so gepriesene Tugend der Toleranz aufrecht zu erhalten.
Zwei Männer saßen in dem Mercedes.
"Warum schaust du so oft in den Rückspiegel?" Er hatte gar nicht gemerkt, dass seine Frau ihre Erzählung unterbrochen hatte und ihn nun von der Seite beobachtete.
Er zuckte mit den Schultern. "Du weißt, dass ich immer gern ein Auge auf den Verkehr hinter mir habe." Er lächelte. "Wenn man auf den einen oder anderen Luftkampf zurückblickt, kann man nicht anders, als den Raum hinter sich im Auge behalten zu wollen."
Er spürte, wie sie ihn musterte. ">Luftkampf<", sagte sie verächtlich. "Major Cohn hat gelernt, den Raum hinter sich zu beobachten - ich krieg eine Gänsehaut vor lauter Ehrfurcht." Sie schüttelte den Kopf. "Du bist ein misstrauischer Jude, das ist alles. Ein misstrauischer Jude, der jede Woche die Kombination seines Tresors und seine Fahrtroute zur Bank ändert." Zärtlicher Spott lag in ihrer Stimme. Sie wandte sich um und sah zur Heckscheibe hinaus. "Fühlst du dich verfolgt?"
"Ich bitte dich, Rachel! Wer sollte mich verfolgen?"
Sie schüttelte den Kopf. "Seit vierundzwanzig Jahren teile ich mein Leben mit dir, und du glaubst immer noch, du könntest deine Gefühle vor mir verbergen ..."
Sie wechselte das Thema und gab ihre Meinung über den derzeitigen Stand der Sex-Affaire im Oval Office zum Besten. Gleich in den ersten Ehejahren hatte sie sich angewöhnt nicht in ihren Mann zu dringen, wenn er nicht von sich aus erzählen wollte. Auch das schätzte Cohn an ihr.
Der Verkehr wurde flüssiger, Flugzeuge senkten sich über ihnen und berührten Horizont. Große Schilder am Rand des Van Wyck Expressways verkündeten die nahende Einfahrt zum Kennedy International Airport. Die letzten Meilen schwiegen sie.
Cohn konzentrierte sich auf die komplizierte Fahrbahnführung zum Parkhaus vor der TWA-Abflughalle. Er bog in das Parkhaus ein. Flüchtig sah er den Benz hinter sich vorbei auf eine andere Einfahrt zufahren. "Rachel hat recht", dachte er, "ich bin ein bisschen paranoid."
Rachel checkte sich am TWA-Schalter ein, und Cohn kaufte sich die Times. Er brachte sie bis zur Sperre vor der Wartehalle. "Komm, küss mich", sagte sie und zog seinen Kopf zu sich heran. Sie waren fast gleich groß. "Man weiß nie, ob man sich wiedersieht." Sie umarmten sich zärtlich.
Er beobachtete das Kontrollritual. Der Korb mit ihren Sachen verschwand im Durchleuchtungsgerät, die Flughafenangestellte strich mit dem Detektor über ihr blaues Sommerkostüm. Sie warf ihm eine Kusshand zu und verschwand in der Wartehalle.
Cohn klemmte sich die Times unter den Arm und verließ das Terminal. Vor dem Eingang blieb er stehen und beobachtete die an- und abfahrenden Busse und Taxen. Dann drehte er sich um und kehrte in die Abflug-Halle zurück. Während er den Schalter eines Helikopter-Service' ansteuerte, zog er sein Handy aus der Tasche und wählte die Nummer seines Chauffeurs.
"Cohn hier. Würden Sie bitte meine Wagen am JFK Airport abholen? Ich hab's eilig und muss einen Hubschrauber nehmen." Er sprach in dem für ihn so typischen Tonfall: geschäftsmäßig, kalt, arrogant. "Und noch was, Warrington - bringen sie den Wagen in die Tiefgarage der Bank. Und bestellen Sie mir für morgen früh ein Taxi."
Wäre Rachel dabei gewesen, hätte er sich niemals zu dieser Vorsichtsmaßnahme entschlossen. Cohn war ein ängstlicher Mensch. Sonst hätte er es nicht bis an die Spitze einer renommierten Bank gebracht. Aber keiner kannte diese Seite an ihm. Außer Rachel. Obwohl er alles tat, um sie auch vor ihr zu verbergen.