Читать книгу Siebenmal ermittelt: Krimi Paket 7 Krimis - Alfred Bekker - Страница 22
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ОглавлениеBrad Corner fühlte sich wie gelähmt, obwohl er so schnell gelaufen war wie noch nie zuvor in seinem Leben. In seinem seit wenigen Minuten hoffnungslos verpfuschtem Leben.
Er hatte einen Menschen getötet. Einen unschuldigen Mann, der auf ihn schießen wollte, weil er ihn für einen der Gangster halten musste.
Jetzt war er ein Gejagter, ein Geächteter.
Ausgestreckt lag er auf der Ladefläche des Van. Der Fahrer hatte gar nicht gemerkt, dass er aufgesprungen war. Er hatte sich zu sehr für das Geschehen auf der Gegenfahrbahn interessiert. Vermutlich hatte er geglaubt, der Truck und der Bus seien in einen Unfall verwickelt gewesen. Aus diesem Grund war er wohl so langsam vorbeigefahren.
Was sollte er jetzt tun? Zur Polizei gehen? Das war ausgeschlossen. Sie würden ihn fragen, warum er erst jetzt kam. Wo er die Schusswaffe her hatte. Ob er einen Waffenschein besaß. Wie er zu dem Peterbilt gekommen war. Warum er bei den Gangstern mitgemacht hatte, obwohl er wusste, wie brutal sie vorgingen. Und warum er nicht wenigstens auf einen der Killer geschossen hatte, anstatt auf einen der unschuldigen Reisenden.
Alles Fragen, auf die er zwar eine Antwort wusste, die die Beamten aber keinesfalls akzeptieren würden. Niemand durfte das Gesetz in seine eigene Hand nehmen und versuchen, sich selbst zum Richter und Rächer aufzuschwingen. Nicht in diesem Staat.
Welche Möglichkeit blieb ihm noch? Er hatte nun auch den Truck verloren. Den Truck, der ihm nicht gehörte und den er Mickey unbedingt zurückbringen musste. Er hatte ihn durch falsches Spiel ergaunert.
Und seine achtzigtausend Dollar? Die konnte er endgültig in den Rauch schreiben. Niemals durfte er sich wieder in Colorado Springs bei der Gang blicken lassen. Obwohl er seine Qualitäten als Mörder unter Beweis gestellt hatte, würde man ihm doch die Schuld für das Fehlschlagen des Überfalls geben.
Ob er die Polizei anonym verständigte? Wenn die Gang hinter Schloss und Riegel saß, war er wenigstens vor den Killern sicher. Er kannte verschiedene Vornamen, konnte die Halunken recht gut beschreiben und auch Hinweise auf das Bürohaus geben, in dem der Boss sein Regiment führte.
Aber andererseits beging er damit einen schweren Fehler. Im Moment wussten nur die Gangster, wer den Mann im Bus erschossen hatte. Ohne einen Hinweis von ihrer Seite konnte die Polizei nicht ausgerechnet ihn damit in Zusammenhang bringen.
Auch der andere Bursche aus dem Bus, der versucht hatte, ihm die Waffe zu entreißen, konnte ihn nicht näher beschreiben. Er hatte ja zum Glück die Maske getragen.
Inzwischen lag der Fetzen längst irgendwo am Straßenrand. Auch der Handschuhe hatte er sich entledigt.
Bei nächster Gelegenheit musste er seine Kleidung wechseln. Er besaß noch fast die ganzen zweitausend Dollar, die er Mickey abgenommen hatte.
Aber dazu musste er erst von dem Van herunter, ohne dass der Fahrer ihn erwischte und unangenehme Fragen stellte.
Der Revolver steckte wieder unter seiner Jacke. War es nicht besser, sich auch von ihm zu trennen? Ohne Schießeisen befände er sich jetzt nicht in dieser hoffnungslosen Situation.
Allerdings, das durfte er auch nicht übersehen, wäre er dann jetzt tot. Der andere hätte ihn erschossen, und er wäre sogar noch dafür als Held gefeiert worden.
Nein, es war besser, wenn er die Waffe behielt. Notfalls konnte er sie auf sich selbst richten, wenn sie ihn endgültig in die Enge getrieben hatten.
Francis! Er musste sie anrufen. Er wusste noch nicht, was er ihr sagen wollte. Die Wahrheit sicher nicht. Aber er wollte ihre Stimme hören. Sie würde ihm neue Kraft geben.
Der Van drosselte sein Tempo. Er näherte sich einer Stadt.
Brad Corner hob vorsichtig den Kopf und las das Ortsschild, das vorüberflog: Woodrow.
Anscheinend hatte der Lieferwagen hier sein Ziel erreicht. Brad Corner musste rasch handeln, um nicht doch noch entdeckt zu werden. Er wartete, bis der Wagen an einer Kreuzung vor der Ampel halten musste, und schwang sich hinaus. Zwar folgten ihm ein paar verdutzte Blicke der übrigen Verkehrsteilnehmer, aber von denen ahnte mit Sicherheit keiner die Wahrheit.
Er beeilte sich und verschwand in einer Seitenstraße.
Jetzt musste er nur noch einem Drugstore finden. Dort konnte er sich auch gleich mit neuer Kleidung eindecken.
Er hastete zwei Straßen weiter, und hatte schließlich das Gewünschte entdeckt.
Er bestellte eine Pizza und einen Kaffee und fragte nach dem Telefon.
Die Frau hinter dem Tresen deutete mit dem fettigen Daumen auf den Apparat, der in einer Ecke auf einem Bord stand.
Brad Corner schlürfte einen Schluck des heißen Kaffees. Dann begab er sich zu dem Telefon.
Es dauerte einige Zeit, bis die Verbindung mit New York hergestellt war.
Francis stieß einen leisen Schrei aus, als sie seine Stimme erkannte.
„Brad! Wo bist du? Wie geht es dir? O Gott, ich bin ja so froh, dass du noch lebst.“
„Ich bin okay, Francis“, log er. Er musste sich festhalten, denn ihm wurde mit einem Mal schwindlig.
„Kommst du nach Hause?“
„Ich glaube nicht. Noch nicht. Ich habe noch etwas zu erledigen.“
„Bist du immer noch hinter den Gangstern her, Brad?“, kam es angstvoll. „Lass das sein! Sie bringen dich um. Das würde ich nicht ertragen. Ich habe einen Detektiv kennengelernt, Brad. Er sucht dich. Ich hatte solche Angst um dich.“
„Einen Detektiv? Wie konntest du das tun, Francis? Wie sieht er aus?“
„Ziemlich groß. Er heißt Bount Reiniger und soll sehr tüchtig sein. Er wird dir helfen.“
Um Brad Corner drehte sich alles.
Ziemlich groß. Das musste der Mann gewesen sein, den er erschossen hatte. Er hatte einen Detektiv umgebracht. Das verschlimmerte die Sache noch mehr.
„Du brauchst keine Angst zu haben“, versicherte er tonlos.
„Wo bist du denn jetzt, Brad? Gib mir deine Adresse, damit ich dir Geld schicken kann. Hallo! Hörst du überhaupt zu?“
Brad Corner warf einen Blick aus dem schmalen, schmierigen Fenster. Ihm blieb fast das Herz stehen.
Zwei Männer überquerten die Straße und kamen direkt auf den Drugstore zu. Er kannte sie nur zu gut. Es waren Gary und Monty. Sie hatten seine Spur gefunden. Nun kamen sie, um ihn zu töten.
Brad Corner ließ den Telefonhörer einfach fallen und sprintete los. Richtung Toiletten.
Die Frau hinter dem Tresen rief empört hinter ihm her und verlangte die Bezahlung für seine Bestellung.
Er kümmerte sich nicht um sie.
Das Fenster, das nach außen auf einen trüben Hof führte, war zwar eng, aber irgendwie schaffte er es, sich hindurchzuzwängen.
Er jagte über den Hof, stieß gegen eine Mülltonne, die scheppernd umfiel, und verscheuchte eine Katze, die erschrocken hinter ihm herfauchte.
Er durchquerte den angrenzenden Gebäudeflügel, erreichte die Straße und sah ein Taxi auf sich zurollen.
Das war die Rettung. Er stoppte es, riss den hinteren Schlag auf und warf sich auf die Sitzbank.
„Schnell! Zur Kirche! Sonst versäume ich die Trauung meiner Großtante.“
Der Cab Driver musterte ihn zwar misstrauisch, wagte aber keinen Einwand. Es gab schon merkwürdige Vögel, und die merkwürdigsten ließen sich mit dem Taxi fahren.
Als hinter ihnen allerdings ein schwarzer Chrysler auftauchte und sich an ihre Stoßstange heftete, wurde der Fahrer doch stutzig.
„He, Mister“, sagte er brummig. „Hier stimmt doch was nicht. Sieht ganz so aus, als wäre die Polizei hinter Ihnen her. Damit will ich nichts zu tun haben. An der Ecke steigen Sie aus, verstanden?“
Brad Corner atmete tief durch. Jetzt war schon alles egal. Er zog den Revolver unter der Jacke hervor und bohrte dem vor ihm sitzenden Mann den Lauf zwischen die Schulterblätter.
„Sie können es sich aussuchen“, zischte er. „Wenn die Typen mich kriegen, geht es auch Ihnen an den Kragen. Also sehen Sie lieber zu, dass Sie mich in Sicherheit bringen.“
Da gab der Bedrohte Gas, und nach drei Minuten hatte er den Chrysler abgehängt.