Читать книгу Coltwölfe: Glorreiche Western Sammelband 5 Romane - Alfred Bekker - Страница 12

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Nach dem Zwischenfall mit den drei jungen Männern und Lil hatte Sam die Spur Toms gesucht und gefunden. Als das Mädchen fortgeritten und die drei jungen Männer zu Fuß davongeschlichen waren, hatte Sam sich auf den Weg gemacht und war der Spur Toms gefolgt.

Eigentlich war es nicht Toms Spur, sondern die des Hengstes Thunder. Doch auch dessen Geruch war Sam so vertraut wie der von Tom. Es waren die Spuren zweier Pferde, denen Sam folgte. Auf dem einen Pferd ritt Lils Vater, auf dem anderen Tom Cadburn. Und dann, nach etwa zwei Stunden, war Tom bei einem Camp angekommen, wo die Männer ihre Pferde zurückgelassen hatten. Doch hier sah Sam von Weitem fünf Pferde und einen Mann. Dieser Mann trug eine dunkelblaue Uniform und hatte Haar, das so hell war wie Weizenstroh.

Sam hatte diesen Mann schon gesehen und auch schon gewittert. Er gehörte zum Gefolge eines Menschen, den Tom Cadburn neuerdings begleitete.

Erst waren sie in einer großen Stadt gewesen, einer Stadt, wie sie Sam noch nie erlebt hatte. Diese Stadt hieß Houston und barg so mannigfaltige Gerüche in sich, dass Sam eine Zeitlang völlig verwirrt davon gewesen war. Diese Ansammlung von Häusern und Menschen in solcher Größe war ihm unheimlich. Er war froh, als er wieder die Weite der Prärie vor sich hatte. Und nun weilten sie schon seit zwei Wochen in Catulla.

Sam gefiel diese Stadt nicht. Er wünschte sich weit weg von hier, denn hier gab es keine Wälder, hier gab es kein Buschwerk, und in die Berge hatte Sam bisher noch nicht gedurft, obgleich ihn die Berge reizten. Nun aber befand er sich im Gebirge. Je höher er hinaufgekommen war, um so glücklicher und freier fühlte er sich.

Er sah da vorn die Pferde und den Mann, der auf sie achtete. Ein Feuer brannte, und eine dünne Rauchwolke zog wie eine Schnur steil zum Himmel. Es ging auf den Abend zu, und dort, wo die langen Schatten sich dunkel abzeichneten, war es kühl.

Sam umging das kleine Lager und bekam die Witterung der Pferde in die Nase. Da war einmal die von Thunder, dem Blauschimmelhengst, der jetzt den Kopf hochwarf und nach oben spähte, wo Sam auf einem schmalen Felssims hinunter in den Felskessel sah, wo die Pferde standen und der Mann hockte. Da war auch noch das Pferd, auf dem Lils Vater geritten war. Auch diese Witterung wehte zu Sam herauf. Aber Sam registrierte auch noch den Geruch eines dritten Mannes, der auf einem der Pferde da unten geritten sein musste. Der Geruch des Mannes nämlich, für dessen Sicherheit Tom Cadburn verantwortlich war. Des Mannes, der mit jenen drei jungen Burschen zu tun hatte, die Sam sehr häufig in seiner nächsten Nähe wusste. Und das war es auch, was diesen Mann Sam wenig sympathisch machte.

Aber Sam dachte darüber nicht nach. Er trabte weiter, verließ den Sims, rutschte einen Hang hinunter und war dann in einem Felsgraben, in dem er sofort wieder die Witterung von Tom aufnehmen konnte. Von Tom, aber eben auch von jenem Manne, der ihn so sehr an die drei jungen Burschen erinnerte, und von Lils Vater.

Sam interessierte sich nur für Tom. Er wollte zu Tom, wollte ihm begreiflich machen, dass er mit ihm kommen und zu jener Hütte zurückkehren sollte. Denn das Mädchen, auf das Sam hatte achten sollen, war weggeritten.

Sam konnte nicht wissen, dass Lil inzwischen zur Hütte zurückgekehrt war.

Nach einer halben Stunde, als die Sonne schon ziemlich tief über den Zinnen der Berge stand, erreichte Sam die Höhe. Hier oben, auf dem Grat der Felsen, hatte er einen weiten Rundblick. Wie vergoldet waren die Spitzen der Berge, ragten sie aus dem Blaugrau der Talschatten heraus, beschienen von den letzten Strahlen der sinkenden Sonne.

In diesem Augenblick bekam Sam die Witterung des Raubtieres in die Nase.

Sein Kopf zuckte herum, und da sah er den Bären. Es war ein riesiger, graubrauner Bursche, ein Grizzly. Der Bär wirkte tapsig, so wie er da auf allen vieren dahintrottete, schließlich stehenblieb, sich an einem Strauch aufrichtete und mit ungelenken Bewegungen die rot leuchtenden Beeren abpflückte und verschlang.

Zwischen Sam und dem Bären gähnte eine tiefe Schlucht, aus der infolge der nachlassenden Sonnenwärme ein flimmernder Dunst aufstieg.

Der Bär drüben gebärdete sich friedlich. Sam aber hatte seine Witterung voll in der Nase, und sie erregte ihn so sehr, dass sich sein Fell sträubte. Der Bär war ein Gegner, ein Feind, dessen Gefährlichkeit er kannte.

Und während Sam diesen Bären noch beobachtete, wurde diese Witterung stärker, wehte jetzt von links her heran. Und in diesem Augenblick gewahrte Sam einen zweiten Bären; genauer gesagt, eine Bärin.

Sam wusste nichts von der Eigenart der Bärin, kannte nicht ihre Lebensweise und schon gar nicht den Jahresablauf im Dasein dieser graubraunen Riesen. Sie waren jetzt in der Zeit der Paarung. Und die Bären bewiesen eine besondere Anhänglichkeit und Zuneigung ihren weiblichen Partnern gegenüber. Sam empfand nur die doppelte Gefahr, die von den beiden ausging. Er stand da, knurrte kaum hörbar und spähte angestrengt zu ihnen hinüber. Vergessen war Tom Cadburn, war die eigene Absicht, war alles andere, was rings herum geschah. Alles in Sam konzentrierte sich auf diesen natürlichen Gegner.

Doch beide Bären zeigten sich durchaus harmlos, wie es schien. Die Bärin ließ sich von den letzten Sonnenstrahlen bescheinen, putzte sich, leckte an sich herum, kratzte sich mit ihren Tatzen hinter den Ohren. Der Bär aber fraß noch immer am Beerenstrauch.

Das war der Moment, wo der Mann auftauchte. Er kam von links, geradewegs aus der Schlucht heraus. Er kletterte am Felsen empor und befand sich jetzt schräg unterhalb der Bärin.

Die Bärin hatte diesen Menschen, der da aus der Schlucht emporkam, noch nicht gewittert. Vielleicht deswegen, weil der sanfte Abendwind auf den Mann zutrieb und nicht von ihm kam. Sam aber erhielt den Geruch dieses Mannes voll in die Nase. Und dessen hätte es gar nicht bedurft, es genügte schon, was er von ihm sah. Das war der Mann, den Tom Cadburn beschützte, für dessen Sicherheit er verantwortlich war. Der Gouverneur von Texas, Georg Snyder!

Snyder war von großer Gestalt, hatte weißes langes Haar, das unter seinem breitrandigen Hut hervor wallte. Als er jetzt hinüber in Sams Richtung blickte, ohne Sam dabei zu bemerken, fiel ein Sonnenstrahl auf sein kühn geschnittenes Gesicht mit dem weißen Knebelbart. Die Sonne blendete ihn, ließ aber seine Augen hell und fast leuchtend erscheinen. Darüber standen buschige, dunkle Brauen, die dem Mann etwas Gebieterisches verliehen.

Snyder hatte sein Gewehr umgehängt, brauchte beide Hände zum Klettern und befand sich jetzt etwa vier Meter unterhalb der Bärin, die oben an der Felskante hockte und der Schlucht den Rücken zudrehte. Noch immer hatte die Bärin, die sich nach wie vor putzte, den nahenden Menschen nicht bemerkt.

Als Sam einmal etwas nach rechts sah, entdeckte er den Menschen, den er liebte wie nichts auf der Welt: Tom Cadburn!

Der hochgewachsene, blonde, ganz in schwarz gekleidete Texas-Ranger kam mit einem etwas kleineren, untersetzteren Manne den schmalen Felssims empor, der von der Schlucht herauf auf jenen Felsen führte, auf dem die Bärin war.

Doch die beiden waren weit, viel zu weit, um eingreifen zu können, wenn Snyder unmittelbar neben der Bärin den oberen Felsrand der Steilwand erreicht haben würde und vielleicht dachte, es geschafft zu haben. Dann befand er sich in der Reichweite der Pranken der Bärin, die noch nicht einmal ihren Standort wechseln musste, um zuzuschlagen, wenn sich Snyder hinauf auf die ebene Felsfläche ziehen wollte. Sie musste sich nur umdrehen, mehr nicht!

Aber das tat sie jetzt schon. Snyder hatte beim Heraufklettern Geräusche verursacht, die diese Bärin jetzt nicht mehr überhörte. Gelassen drehte sie sich halb herum, bog den Kopf etwas zurück und gewahrte den kletternden Mann unter sich.

Snyder suchte nach Halt, aber er fand ihn und kletterte weiter, war jetzt gerade noch drei Meter unter der Bärin, und er kam gut voran. Er kletterte höher, jetzt trennten ihn noch zwei Meter von der Bärin, die sich vollends umgedreht hatte, ein kleines Stück zurückgewichen war und lauerte.

Weder Snyder noch die durch einen Felsvorsprung dem Blick der Bärin entzogenen Tom Cadburn und Henry Kane hatten die Existenz der Bärin bemerkt. Nur Sam sah sie und begriff im gleichen Augenblick die Gefahr, die Snyder drohte. Snyder, den er nicht besonders schätzte, aber von dem er eben wusste, dass er auf ihn achten sollte. Das hatte ihm Tom Cadburn beigebracht. Und was Tom sagte und wollte, war für Sam ein Auftrag, von dem er nicht lassen würde.

Mittlerweile hatte auch der Bär das Pflücken der Beeren eingestellt, war wohl durch das Verhalten seiner Gespielin auf den sich nähernden Menschen aufmerksam geworden. Er ließ sich auf alle viere herab und blickte mit ausdruckslosem Gesicht zur Bärin hin.

Sam suchte nach einem Weg über die Schlucht. Sie war nicht breit, mit etwas Anlauf würde er vielleicht sogar auf die andere Seite springen können. Aber nur ein Fehltritt beim Absprung wäre der sichere Tod, denn die Schlucht war tief.

Der Mann drüben kletterte weiter. Snyder war jetzt keinen Meter mehr von der oberen Kante entfernt und damit von der tödlichen Gefahr, die seiner dort harrte.

In diesem Augenblick entschloss sich Sam, einzugreifen. Geduckt schlich er sich davon, als wollte er flüchten. Aber alles, was er brauchte, war der Anlauf, um auf die andere Seite der Schlucht zu gelangen. Als er meinte, weit genug von der Schlucht entfernt zu sein, um Anlauf nehmen zu können, hob er den Kopf und sah, wie Snyder jetzt die eine Hand über die obere Kante des Felsens schob, wie er Halt suchte, um sich höher zu ziehen, und wie die Bärin einen Schritt zur Seite machte, die rechte vordere Pranke zum Schlagen anhob und offensichtlich nur noch darauf lauerte, dass der Kopf des Menschen über den Rand der Felskante käme, dass er auftauchte, um diesen Prankenschlag in Empfang zu nehmen, der Snyder mit absoluter Sicherheit in die Tiefe gestürzt hätte.

Sam hatte diese Gefahr voll erkannt. Und jetzt spannten sich seine Muskeln, stemmte er sich ein und lief los. Er schoss förmlich auf den Felsrand zu, sprang ab und flog wie ein Geschoss durch die Luft. Aber würde der Schwung reichen, um ihn auf die andere Seite zu tragen?

Aus weiter Entfernung hatten Tom Cadburn und Henry Kane den durch die Luft fliegenden schwarzen Timber gesehen, ohne jedoch die Zusammenhänge zu begreifen.

Und auch Snyder sah diesen Schatten über sich hinwegfliegen, zuckte erschrocken zurück und wäre um ein Haar vor Schreck abgestürzt. Aber er klammerte sich fest und da – plötzlich! – genau in diesem Augenblick tauchte der Kopf der Bärin auf, direkt über Snyder.

Der Gouverneur sah die zum Schlag erhobene rechte Vordertatze, aber zu diesem Schlag kam es nicht, jedenfalls nicht auf Snyders Rechte; denn gerade jetzt prallte Sam unmittelbar neben der Bärin auf den Rand des Felsens, wurde vom eigenen Schwung noch ein Stück nach vorn gestoßen und geriet so nicht in die Gefahr, in die Schlucht zu stürzen. Kaum war er auf festem Boden, hatte ihn schon die Bärin erspäht und warf sich gegen ihn.

Die Bärin bäumte sich auf, stellte sich auf die Hinterbeine, breitete die Vorderbeine wie Arme aus, bereit, sich so auf Sam zu stürzen, um ihn zu zerfetzen.

Der Wolf und der Hund waren die Todfeinde des Bären; und die Bärin sah in Sam etwas, das sie töten musste, wollte sie nicht selbst davon getötet werden.

Und jetzt näherte sich auch der Bär. Er war etwa zehn Meter von der Bärin entfernt und kam rasch näher. Er konnte schnell sein, viel schneller, als man es ihm zutraute, wenn er so tapsig wirkte, so unbeholfen; aber er war beides nicht.

Sam hatte gelernt, einen Bären anzugreifen. Toms Vater war sein Lehrmeister gewesen; von ihm wusste er, wie man das macht. Viele Hunde starben daran, dass sie den Bären von vorne angriffen. Von vorn war der Bär dem Hund überlegen.

Der Vorsprung, den Sam hatte, war die Überraschung gewesen. Sein Vorteil, den er gegen die ungeheure Übermacht an Kraft dem Bären gegenüber ausspielen musste, war seine Schnelligkeit. Denn er war noch schneller als der Bär. Und jetzt hatte er nichts weiter im Sinn, als die Bärin erst einmal abzulenken, von der Felskante wegzulocken, damit dem Manne, diesem Gouverneur Snyder, die Chance blieb, sich in Sicherheit zu bringen. So griff er die Bärin nicht an, jagte ein Stück über die Ebene weg von der Schlucht, raste auf den Bären zu, drehte aber zwei, drei Schritt vor ihm wieder um, fegte zurück zur Bärin, wirbelte abermals herum, als er in ihre Nähe kam, und dann hatte er schon erreicht, was er wollte.

Beide, die Bärin und der Bär, nahmen die Verfolgung auf. Sam knurrte jetzt, fiepte, jaulte sogar, um den Bären und die Bärin zu reizen, sie in Weißglut zu versetzen, wenn sie das Wolfsgeheul hörten. Er tat so, als wäre er viel zu langsam für sie, als hätten sie eine Chance ihn einzuholen. Und sie ließen sich bluffen.

Doch plötzlich war Snyder über die Felskante gekommen, hatte sich nicht, wie Sam gehofft hatte, nach unten zu in Sicherheit gebracht, sondern gänzlich hinaufgezogen. Und da kniete er, streifte gerade sein Gewehr am Riemen über den Kopf, als die Bärin dies entdeckte.

Die Bärin warf sich herum und hetzte jetzt auf den Mann zu.

Snyder hebelte sein Gewehr durch, zog es an die Schulter, wollte schießen, aber da war die Bärin schon ganz nah. Snyder schoss.

Es war, als hätte er einen kleinen Stein gegen die Brust der Bärin geworfen. Und es war noch nicht einmal die Brust, sondern die hohe Schulter. Völlig unbeeindruckt, wie es schien, setzte die Bärin ihren Weg fort. Aber es war schlimmer, weit schlimmer! Er hatte sie getroffen, er hatte sie verletzt. Und dieser Schuss machte die Bärin zur rasenden Furie!

Bis dahin hatte Sam nur vorgehabt, die Bären abzulenken, selbst aber auf Distanz zu bleiben, um Tom oder auch Snyder die Möglichkeit eines gut gezielten Schusses zu geben.

Dieses Zusammenspiel hatte Sam oft genug mit Tom geprobt und auch mit Erfolg durchgeführt. Jetzt aber war Tom zu weit, konnte auch von seinem Standort aus weder die Bären noch Sam sehen. Snyder allerdings hatte zu früh gehandelt und brachte sich selbst jetzt in Gefahr. Fünf Schritt, vier, drei trennten ihn noch von der Bärin, die hoch aufgerichtet, die Tatzen zum Schlagen erhoben, auf Snyder zukam.

Aber da war auch noch der Bär! Der blieb stehen, folgte Sam jetzt nicht mehr; auch Sam war stehengeblieben und erkannte, was sich dort am Rande der Schlucht abspielte.

Wiederum war Sam zum Eingreifen entschlossen. Er raste jetzt genau in Richtung auf die Bärin und Snyder, vorbei an dem Bären, der ihm überrascht nachsah und immer noch unentschlossen wirkte. Im Gegensatz zur Bärin, die angriff, stand der Bär auf allen vieren, blickte über die Schulter zurück auf Sam, auf Snyder und die Bärin.

Sam jaulte wieder, knurrte, doch diesmal ließ sich die Bärin nicht ablenken. Immer schneller wurde Sam, und da, eher noch als Snyder, der keinen Ausweg mehr hatte, also schon am äußersten Rand der Schlucht stand und das Gewehr zu einem zweiten Schuss hochreißen wollte, hatte ihn die Bärin schon erreicht. Viel schneller, als er sich das wohl vorgestellt zu haben schien.

Aber zugleich sprang Sam ab, schoss durch die Luft und flog der Bärin ins Genick. Er biss zu, setzte seine Fänge ans linke Ohr der Bärin, riss es ihr auf, biss ihr in die ohnehin schon durch den Schuss verletzte Schulter, und die Bärin schrie wie ein Mensch vor Schmerz.

Sie taumelte zurück, schüttelte sich, warf sich auf alle viere, um Sam loszuwerden. der ihr im Genick hing wie ein Puma.

Und jetzt, erst jetzt, kam der Bär!

Snyder sprang ein paar Schritte zur Seite, riss sein Gewehr hoch, wollte auf die Bärin schießen. Aber mit der befand sich jetzt Sam in einem so verbissenen Kampf, dass es unmöglich schien, die Bärin zu treffen, ohne Sam zu gefährden. Und so entschloss sich Snyder, auf den Bären zu feuern, der jetzt in weiten Sprüngen herankam.

Trotz des überstandenen Schrecks zwang sich Snyder zur Ruhe, zielte, nahm Druckpunkt, atmete aus und zog durch. Der Feuerstrahl schoss an der Bärin vorbei, und das Geschoss fuhr dem Bären mitten in die Stirn. Es war, als ging ein Schaudern durch den Bären. Er stockte, verhielt wie erstarrt, dann schüttelte er den Kopf, als hätte ihm all das nichts ausgemacht.

Snyder repetierte hastig zu einem weiteren Schuss. Aber der war nicht mehr nötig. Der Bär knickte vorn mit den Beinen ein, sein Kopf schlug auf den Boden, dann kippte er zur Seite wie ein sterbender Stier, zuckte mit den Pranken, scharrte auf dem Felsboden, warf den Kopf hin und her und wurde mit einem Mal schlaff.

Während Snyder noch fasziniert dem Sterben dieses Grizzlyhünen zusah, kämpfte Sam um sein Leben.

Die Bärin hatte sich blitzschnell auf den Rücken fallen lassen und Sam mit beiden Vorderpranken umschlungen, presste ihn jetzt an sich, versuchte mit ihren gewaltigen Fängen zu beißen.

Aber Sam wich ihr aus, griff sie trotz der Umklammerung seinerseits an und wollte ihr die Fänge an die Kehle setzen.

Die Umklammerung der Bärin wurde noch fester, es schnürte Sam die Luft ab, er meinte, seine Rippen müssten zerbrechen unter dieser ungeheuren Kraft, die die Bärin in ihrer Umklammerung anwandte.

Und wieder versuchte die Bärin zuzubeißen. Doch Sam wich aus und da warf die Bärin den Kopf zurück. In diesem Augenblick sah Sam seine Chance.

Er streckte sich, und als die Bärin den Kopf wieder nach vorn nahm, zuckte Sams Schnauze mit den messerscharfen Fängen genau auf die Kehle der Bärin zu. Er konnte sie fassen wie mit einer gewaltigen Zange und zubeißen mit aller Kraft, die noch in ihm war und die die Umklammerung zuließ.

Es war ein Kampf um Leben und Tod.

Sam fühlte, wie ihm infolge der Umklammerung Kräfte. Energie, aber auch Lebenswille schwanden. Aber er raffte all das noch einmal zusammen, und immer fester biss er zu, zogen sich seine Kiefer zusammen.

Aber die Bärin wandte auch noch einmal alle Kraft an, um Sam zu zerdrücken, zu zermalmen, um das Leben förmlich aus ihm herauszupressen.

Doch dann war es ihr eigener Atem, der wegblieb. Es schoss ihr ein Strom heißen Blutes in den Rachen, alles begann sich um sie herum zu drehen.

Ihr Griff, diese stählerne Umklammerung lockerte sich, und mit jedem Millimeter, den diese Zwinge an Kraft nachließ, gewann Sam neue Energie zurück. Und immer lockerer wurde diese Umklammerung und immer fester der Biss des Timbers.

Sie war zum Tode verurteilt, denn Sam hatte ihr ins volle Leben gebissen. Er hatte sie schon getötet, obgleich der Tod noch gar nicht eingetreten war. Sie musste sterben. Ihre Kehle war zerrissen, eine der beiden Halsschlagadern durchtrennt. Aber sie war zähe und gab noch nicht so schnell auf. Niemand maß, ob es Sekunden oder Minuten zählte, die dieses Sterben währte, in dem sie noch einmal versuchte, mit letzter Kraft die Umklammerung aufs Neue enger werden zu lassen, Sam zu zerdrücken. Doch die Energie reichte nicht aus. Plötzlich wurde alles schlaff, sank sie zurück, klappten die Vorderbeine mit den gefährlichen Pranken auseinander, sank der Kopf mit dem gefährlichen Bärengebiss zur Seite. Blut quoll aus der Halswunde, sprudelte förmlich heraus.

Sam, der seine letzte Kraft eingesetzt hatte, rollte erschöpft vom Bauch der Bärin herab, wollte auf die Beine springen, knickte ein und blieb dann einen Augenblick lang auf dem Bauch liegen, hechelnd nach Luft ringend, und er blickte aus seinen treuen Augen auf Tom Cadburn, der herangelaufen kam, ebenfalls außer Atem, um einzugreifen, um seinen Sam vor dem Tod durch die Pranken und das Gebiss der Bärin zu retten. Aber er wäre zu spät gekommen. Und Sam hatte sich selbst geholfen, war in diesem mörderischen Kampf der Sieger geblieben.

George Snyder blickte auf den toten Bären, wandte dann den Kopf, sah zur Bärin hin und betrachtete schließlich, noch immer ein wenig vom Schrecken bleich, den Schwarztimber, das Wolfsblut, das ihn zweimal aus Lebensgefahr gerettet hatte. Seine Stimme klang etwas belegt, als er sagte: „Ich habe Ihrem Wolf mein Leben zu verdanken, Cadburn!“

Tom Cadburn und Henry Kane, die neben der toten Bärin standen, nickten beide.

„Ich frage mich nur, was du hier treibst. Wieso bist du hier, Sam?“, wandte sich Cadburn an das Wolfsblut.

Sam rieb sich an Toms Beinen, hob den Kopf und genoss es, von Toms Hand liebkost zu werden.

„Wieso bist du nicht bei Lil? Wieso bist du hier?“, fragte Tom misstrauisch.

„Hat es etwas zu bedeuten?“, erkundigte sich Henry Kane, setzte sich den Hut ab und tupfte sich mit seinem Halsband die Schweißperlen von der Stirnglatze.

Tom sah ihn an. ,,Er wird ihr nicht einfach weggelaufen sein, das tut er nicht. Ich habe ihm gesagt, dass er auf deine Tochter aufpassen soll, Henry. Deswegen begreife ich nicht, wieso er hier ist. Aber er macht auch keine Anstalten, uns hier wegzuholen.“

Sam machte tatsächlich keine Anstalten mehr. Irgendwie spürte er keinerlei Unruhe. Und er genoss es, neben Tom zu sein und schöpfte erst einmal Atem. Der Kampf mit der Bärin hatte ihn völlig erschöpft. Er spürte noch ihre Umklammerung. Ihm taten sämtliche Rippen weh, und er brauchte diese Erholungspause, um erst einmal zu sich selbst zu finden. Die Liebkosungen Toms taten ihm wohl wie Balsam. Als sich Tom neben ihn kauerte und ihn streichelte, da fiepte Sam, wie er es immer tat, wenn er sich besonders glücklich fühlte. Gleichzeitig wedelte seine Rute hin und her und zeigte auch anderen, was in Sams Seele vorging.

„Ich jedenfalls bin froh, dass er hergekommen ist“, sagte der Gouverneur und rieb sich seinen Kinnbart.

„Ja, das mag schon stimmen“, erwiderte Tom. „Trotzdem hat sein Hiersein einen Grund. Aber ich werde dahinterkommen. Am besten ist, wir brechen rasch auf, vielleicht ist doch etwas mit deiner Tochter, Henry.“

„Und unsere Jagdbeute?“, fragte der Gouverneur.

„Darum könnte sich Lieutenant Trevor kümmern!“

„Ja, gut! Klettern wir erst einmal hinunter zum Lager. Es ist hier noch einmal gutgegangen“, meinte Snyder, der noch immer ein wenig blass wirkte.

Tom blickte ihn an. Der Gouverneur, ein vermögender Mann, ein stattlicher Mann, und doch nur ein Mensch, der um sein Leben bangt, der jemanden zu seinem Schutz braucht, weil er seine politischen Gegner fürchtet. Irgendwer hatte dem Gouverneur einen Drohbrief geschrieben, nach Austin in den Gouverneurspalast. Seitdem brauchte der Gouverneur Bewachung.

„Wir werden zurückkehren zum Lager, und dann machen wir uns auf, dass wir so schnell wie möglich zu Ihrer Hütte kommen“, entschied Snyder, und Henry Kane nickte.

„Allmählich werde ich auch unruhig“, erklärte er.

Coltwölfe: Glorreiche Western Sammelband 5 Romane

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