Читать книгу Mörder im Sturm: 3 Top Krimis - Alfred Bekker - Страница 19
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In der Tiefgarage, in der Bount seinen 500 SL abgestellt hatte, herrschte eine Art Dämmerlicht. Er hatte ein paar Leuten, die er bei seinen Ermittlungen in der Hacker-Szene kennen gelernt hatte, einen Besuch abgestattet, aber plötzlich schien niemand mehr mit Bount reden zu wollen.
Vielleicht hatte Ted Hughes' Ableben ihnen einen solchen Schrecken eingejagt, dass sie plötzlich die Sprache verloren hatten. Hughes war ja auch kaum der Einzige von ihnen, der in krummen Sachen drinsteckte.
Es waren ein paar verlorene Stunden für Bount gewesen. Bount öffnete die Tür des Mercedes und stieg ein. Er hatte noch nicht einmal den Schlüssel ins Zündschloss gesteckt, da spürte er etwas Hartes im Nacken. Er erstarrte mitten in der Bewegung.
"Nicht umdrehen!", raunte ihm eine Männerstimme ins Ohr. "Sonst haben Sie ein Loch um Kopf!"
"Was wollen Sie?", fragte Bount gelassen.
"Erst einmal nur, dass Sie still sitzen bleiben!" Bount schielte zum Rückspiegel. Aber der Kerl, der hinter dem Fahrersitz emporgekommen war, trug bis zur Nase einen Wollschal und darüber eine Mütze. Immerhin konnte Bount sehen, dass der Kerl blaue Augen hatte, aber das nützte ihm im Moment kaum etwas.
Eine Hand langte nach der Automatik, die Bount im Schulterholster trug, und nahm ihm die Waffe ab.
"Und nun?", fragte Bount.
"Wir machen eine kleine Ausfahrt. Ich werde Ihnen sagen wohin. Tun Sie einfach nur, was ich Ihnen sage." Bount zuckte mit den Schultern.
"Ich schätze, mir bleibt ohnehin nichts anderes übrig!"
"Fahren Sie los."
Bount lenkte den Wagen aus dem Parkhaus heraus und reihte sich in die rollende Blechlawine ein.
"Die nächste rechts und dann links!", befahl der Mann mit den blauen Augen knapp.
"Sie sind der Boss!"
"Wenn Sie das einsehen, leben Sie länger, Reiniger!"
"Oh, meinen Namen kennen Sie auch!"
"Maulhalten!"
"Vielleicht sagen Sie mir einfach, worum es geht!"
"Ich sagte: Maulhalten!"
Dann herrschte eine ganze Zeitlang eisiges Schweigen. Erst als Bount erneut abbiegen sollte, meldete sich der Entführer wieder zu Wort. In der Zwischenzeit hatte er mit seiner freien Hand das Magazin aus Bounts Automatik gefingert und ließ die Patronen herausrieseln. Dann warf er die Waffe auf den Boden. Die Fahrt ging über die George Washington Bridge nach New Jersey hinüber. Und dann waren sie waren sie auch bald am Ziel. Der Mann mit den blauen Augen lotste Bount auf einen offenbar stillgelegten Schrottplatz. Nicht nur die abgestellten Wagen, sondern auch die Kräne und Pressen hatten Rost angesetzt und waren vermutlich kaum noch funktionsfähig.
"Halten Sie an, Reiniger!"
Bount gehorchte.
"Und was nun? Haben Sie sich diesen Ort ausgesucht, um mich ungestört erschießen zu können?"
"Wäre schon möglich." Er lachte hässlich. "Beunruhigt Sie dieser Gedanke?" Er drückte Bount den Lauf seiner Waffe jetzt besonders heftig in den Nacken. "Denken Sie immer daran, dass Ihr Leben hier nichts wert ist. Ich kann hier mit Ihnen anstellen, was immer mir beliebt. Keiner würde einen Schuss oder einen Schrei hören. Wissen Sie, wie weit der nächste Mensch entfernt ist, der Ihnen helfen könnte? Eine Meile, zwei Meilen... Vielleicht noch weiter."
Unweit der eingerosteten Schrottpresse war eine Holzbaracke, in der vermutlich früher das Büro untergebracht gewesen war.
Zwei Kerle kamen jetzt hinter der Baracke hervor und gingen schnellen Schrittes direkt auf den Wagen zu. Beide trugen Motorradhelme mit heruntergelassenen Visieren. Von ihren Gesichtern waren kaum die Augen zu sehen. Dafür konnte Bount um so besser die Ketten und Schlagringe sehen, die sie in ihren behandschuhten Händen hielten. Vor der Motorhaube des 500 SL blieben die beiden stehen. Einer setzte seinen Fuß auf die Stoßstange, der andere drückte den Stern nieder.
"Ich verabscheue Gewalt", sagte der Mann mit den blauen Augen Bount direkt ins Ohr. Es klang allerdings wenig glaubwürdig. "Es hängt alles von Ihnen ab, Reiniger! Ich hoffe, Sie sind kooperativ!" Einer der beiden behelmten Gorillas strich jetzt provozierend mit dem Schlagring über die Motorhaube und kratzte den Lack herunter. "Sie haben etwas an sich gebracht, dass Ihnen nicht gehört, Mister Reiniger..." Bount hob die Augenbrauen.
"Das ist mir neu!"
"Es geht um Daten, vermutlich auf einer Diskette gespeichert. Sie waren in Ted Hughes' Wohnung."
"Alles, was in der Wohnung an Datenträgern war, befindet sich jetzt bei der Polizei!"
Der Mann mit den blauen Augen lachte heiser.
"Aber Sie waren eher dort und haben sich bedient. Das wollen Sie doch nicht im Ernst abstreiten, Reiniger!" Bount verzog das Gesicht zu einem müden Lächeln. "Es ist interessant, dass Sie überhaupt davon wissen, dass in Ted Hughes' Wohnung war!"
Langsam wurde der Kerl sauer.
"Nun ist es aber genug! Heraus damit, wo ist das Zeug?"
"Stecken Sie hinter dem Einbruch in meine Wohnung?"
"Ich habe keine Lust, meine Frage ein zweites Mal zu stellen!"
Reiniger zuckte ungerührt mit den Schultern und erwiderte sachlich: "Ich habe keine Ahnung, worum es geht!"
"Um das Know-how für bestimmte Raketenbauteile. Wenn Sie denken, dass Sie handeln können, Reiniger, dann vermuten Sie völlig falsch. Ihr Leben, das ist alles, was wir Ihnen bieten können. Wenn Ihnen das nicht genug ist, können wir es auch nicht ändern!"
"Ich glaube eher, dass Sie mich in jedem Fall töten werden"
"Und wissen Sie, was ich glaube, Reiniger? Sie brauchen erst eine Abreibung, um zu begreifen, welches Spiel hier gespielt wird!" Er winkte den beiden Gorillas zu, und die hatten schon lange ungeduldig auf ihren Auftritt gewartet. Die Fahrertür des 500 SL wurde aufgerissen und Bount herausgezerrt. Er bekam einen mörderischen Hieb mit der Kette und taumelte auf den hart gefrorenen Boden. Inzwischen kletterte auch der Mann mit den blauen Augen aus dem Mercedes heraus, die Waffe nach wie vor im Anschlag.
Bount richtete sich halb auf. Die drei Kerle standen um ihn herum. Im Hintergrund war eine kalte, kraftlose Wintersonne am Himmel. Das Rasseln der Kette mischte sich mit den Schreien einiger Krähen, die oben auf dem Kran Platz genommen hatten.
"Sagen Sie uns einfach, wo das ist, was wir haben wollen. Sie haben keine andere Chance, Reiniger!", knurrte der Mann mit den blauen Augen. Bei ihm klang das wie die Verkündung eines Todesurteils. Er hob den Revolver, richtete die Waffe auf Bount und spannte den Hahn. "Mischt ihn noch ein bisschen auf, Leute!", zischte er unter seinem Schal hervor.