Читать книгу Mörder im Sturm: 3 Top Krimis - Alfred Bekker - Страница 20
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Einer der Helm-Gorillas holte zu einem Schlag mit seiner Kette aus und trat dabei einen Schritt vor. Im letzten Moment konnte Bount zur Seite weichen. Der Schlag traf ihn nicht voll, und die Kette glitt seitlich ab. Bount bekam sie zu fassen und nutzte die Gelegenheit. Mit einem kräftigen Ruck zog er den Kerl zu sich heran, rammte ihm das Knie in den Magen und gab ihm einen kräftigen Stoß. Der Mann mit den blauen Augen sah seinen Komplizen auf sich zu taumeln und konnte deshalb nicht schießen. Als er dann doch losballerte, hatte Bount sich hinter einen rostigen Packard gerettet, dessen Dach an der Fahrerseite ziemlich plattgedrückt war.
Bount kauerte in seiner Deckung, während zwei Schüsse durch das dünne Blech hindurchschlugen, um dann in den von Ratten angefressenen Polstern steckenzubleiben.
"Na, los, hinterher!", rief der Kerl mit den blauen Augen.
"Aber fangt ihn möglichst lebend. Wir wollen noch etwas von ihm wissen!"
Bount hörte schnelle Schritte.
Einer der Gorillas hatte den Packard umrundet und stand drohend mit dem Schlagring vor ihm. Bount wusste, dass er nicht warten durfte, bis die anderen auch bei ihm waren. Er schnellte aus seiner kauernden Stellung empor, packte blitzartig den Schlagarm seines Gegners und drehte ihn roh herum. Dann schleuderte Bount den behelmten Kopf seines Gegners mit voller Wucht gegen die Beifahrertür des Packard, die daraufhin eine weitere Beule aufwies. Bount ließ den Mann los. Der Kerl war etwas benommen, was nach diesem Schlag auch nicht verwundern konnte. Er sackte in sich zusammen und hielt sich dabei den Kopf, während Bount sich unter einem Buick hinwegrollte, sich dann wieder hoch rappelte und in geduckter Haltung die Reihen der abgewrackten Blechruinen entlangrannte, die ein unübersichtliches Labyrinth bildeten. Ein Schuss wurde ihm hinterhergeschickt, ging aber ins Nichts. Bount sah den Kerl mit den blauen Augen hinter sich herhetzen. Die beiden Helm-Gorillas hatten sich inzwischen noch nicht von der Abreibung erholt, die Bount ihnen verpasst hatte und so hatte er es jetzt nur noch mit dem Blauäugigen zu tun. Aber der hatte einen Revolver.
Bount erreichte inzwischen einen der angerosteten Kräne. Er ließ den Blick über die Blechwüste schweifen und suchte mit den Augen nach seinem Gegner.
Ein paar Sekunden später und Bount hatte ihn gefunden. Bount sah gerade noch, wie der Kerl hinter einem geräumigen Lieferwagen hervortauchte, an dem sämtliche Türen und Reifen fehlten, und erneut den Revolver loskrachen ließ. Das Projektil kratzte an der dicken Rostschicht des Krans.
Bount setzte zu einem Spurt in Richtung der Baracke an, während rechts und links die Schüsse in den hartgefrorenen Boden gingen.
"Bleiben Sie stehen, oder ich zerschieße Ihnen Ihre Beine!", rief der Mann mit den blauen, dessen Schal inzwischen etwas nach unten gerutscht war. Aber Bount hörte nicht auf ihn. Er hatte mitgezählt und wusste, dass sein Gegner den sechsschüssigen Revolver erst nachladen musste. Und bis dahin war Bount längst bei der Baracke.
Die Tür stand auf.
Bount warf einen kurzen Blick ins Innere. Er sah einen Tisch, der umgestürzt war. Zwei herausgebrochene Tischbeine lagen auf dem Boden, auf dem auch jede Menge Papier zu finden war. Formulare, die hier wohl schon jahrelang lagen. Selbst die Ratten hatten kaum Geschmack an ihnen gefunden. Bount ging hinein, nahm sich eines der Tischbeine und presste sich dann neben einem der eingeschlagenen Fenster an die Wand. Er brauchte gar nicht erst hinauszusehen, um zu wissen, dass sein Verfolger sich näherte. Bount hörte Schritte. Der Mann mit den blauen Augen musste gesehen haben, dass Bount bei der Baracke verschwunden war. Ob der Privatdetektiv sich auch wirklich in ihrem Inneren versteckte, konnte der Kerl nicht wissen, denn der Eingang war auf der anderen Seite gelegen.
Aber es lag nahe.
Bount konnte davon ausgehen, dass sein Gegner in der Baracke nach ihm suchen würde. Fragte sich nur, ob der Kerl seinen Revolver durch das Fenster oder durch die Tür steckte. Er kam durch die Tür.
Bount zögerte nicht einen Augenaufschlag lang und schlug mit dem Tischbein zu, noch ehe der Kerl gemerkt hatte, wohin der Hase lief. Bount erwischte ihn am Kopf, das Blut schoss dem Entführer aus der Nase und er taumelte rückwärts. Ächzend ging er zu Boden und noch ehe er wieder alle Sinne beieinander hatte, war Bount über ihm und nahm ihm die Waffe ab.
Bount wog sie in der Hand.
Eine 38er Special, wie er angenommen hatte. Der Mann mit den blauen Augen hielt sich die Nase und versuchte, die Blutung zu stillen. Er schluckte und atmete heftig. Der Blick, den er Bount hinaufsandte, konnte töten.
"So hat sich das Blatt gewendet!", stellte Bount fest, holte ein Taschentuch hervor und ließ es zu dem Mann mit den blauen Augen hinuntersegeln, dessen Schal jetzt gänzlich heruntergerutscht war. Bount schätzte ihn auf fünfunddreißig oder vierzig. Er war sich ziemlich sicher, ihm noch nie begegnet zu sein. Aus den Augenwinkeln sah Bount, wie sich die beiden Gorillas von ferne näherten. Als sie sahen, was geschehen war und dass derjenige, den sie sich eigentlich zum Opfer auserkoren hatten, nun die Waffe in der Hand hielt, erstarrten sie. Aber nur einige Sekunden lang. Dann machten sie plötzlich, dass sie so schnell wie möglich davonkamen. Bount unternahm nichts dagegen. Schließlich hatte er ja denjenigen, der ohne Zweifel der Kopf dieser Aktion war. Kurz hintereinander wurden dann in einiger Entfernung zwei Motorräder gestartet.
"Ihre Komplizen brausen davon!", stellte Reiniger fest.
"Verfluchte Hunde!", zischte der am Boden liegende Entführer, der sich jetzt aufsetzte. Er blickte in den Lauf seines eigenen 38ers und fragte dabei: "Was haben Sie mit mir vor, Reiniger?"
"Wer sind Sie?"
"Kein Kommentar."
Bount packte den Mann am Arm und zog ihn hoch, so dass er einen Augenblick später wieder auf zwei Beinen stand. Er hielt sich noch immer die Nase. "Ich glaube, da ist was gebrochen", stöhnte er.
Bount zuckte die Achseln. "Seien Sie froh, dass Sie an mich geraten sind und nicht an jemanden Ihrer Sorte." Der Privatdetektiv durchsuchte die Taschen seines Gegenübers. Er fand etwas Munition für den 38er und einen Führerschein, ausgestellt auf den Namen Frank Thompson.
Bount steckte das Dokument ein.
"Ich nehme mal an, dass Sie nur für irgendjemand anderen den Laufburschen spielen, Thompson!"
"Erwarten Sie darauf wirklich eine Antwort?"
"Wer so eine Entführung durchziehen kann, sollte wenigstens über einen Funken Verstand verfügen. Und wenn Sie die Sache noch mal durchdenken, werden Sie feststellen, dass es auch für Sie das Beste ist, wenn Sie auspacken."
Frank Thompson verzog das Gesicht. "Was können Sie mir denn bieten?"
"Vielleicht lasse ich Sie laufen!"
"Und wenn mir das zu wenig ist?"
"Dann machen wir eine kleine Fahrt zur Polizei. Mordkommission und Einbruchsdezernat werden sich darum reißen, wer Sie als erster in die Mangel nehmen darf!"
"Haben Sie noch ein Taschentuch?"
"Nein."
Er schluckte und sah Bount nachdenklich an. "Wieso Mord?" Bount zuckte mit den Schultern. "Wenn Sie wirklich glauben, Sie könnten der Polizei weismachen, dass Sie nicht mit dem Tod von Ted Hughes zu tun haben... Bitte! Versuchen Sie Ihr Glück!"
"Ich habe Hughes nicht umgebracht!"
"Sie haben sich aber für etwas interessiert, von dem Sie glauben, dass ich es aus Hughes' Wohnung mitgenommen habe! Das macht Sie zu einem Verdächtigen erster Klasse!" Bount machte eine unbestimmte Geste und lächelte dünn, während er mit Befriedigung wahrnahm, wie Frank Thompson immer unsicherer wurde. Reiniger setzte noch einen drauf. "Sie wissen doch, wie das ist. Wenn die Sie erst einmal in den Fingern haben, wird man sie so schnell nicht wieder loslassen. Selbst wenn Sie nichts damit zu tun haben - man wird sich an den halten, den man in der Zelle sitzen hat!"
Ein schwaches Lächeln zeigte sich auf Thompsons Gesicht.
"Sie bluffen!", meinte er, glaubte aber wohl selbst nicht so recht daran. Bount blieb hartnäckig.
"Ich will einen Namen."
"Wie wollen Sie sichergehen, dass ich Sie nicht hereinlege!"
"Das würde Ihnen schlecht bekommen, verlassen Sie sich drauf! Meine Beziehungen zur New Yorker Polizei sind ausgezeichnet und wenn ich denen einrede, dass man Sie unbedingt einfangen muss, werden Sie binnen Kurzem per Großfahndung gesucht."
Frank Thompson dachte einen Augenblick lang nach. Dann schüttelte er entschieden den Kopf.
"Nein", sagte er. "Mich legen Sie nicht herein!"
"Sie sind nicht in einer Position, in der man pokern sollte, Thompson!"
"Ich pokere nicht!"
Bount verstand. Die eine Möglichkeit war, dass dieser Kerl mehr Angst vor seinen Auftraggebern hatte, als davor, einen Mord angehängt zu bekommen. Die andere bestand darin, dass er vielleicht glaubte, dass man ihn schon heraushauen würde. Bount machte eine Bewegung mit dem Lauf des 38er.
"Vorwärts!", zischte er, packte Thompson beim Mantelkragen und schob ihn vor sich her. Kurze Zeit später hatten sie Bounts 500 SL erreicht. "Ich habe übrigens den Killer, der Hughes auf dem Gewissen hat, noch angetroffen", sagte Bount, als wäre es eine Beiläufigkeit. "Und ich habe sein Gesicht gesehen. Wahrscheinlich bin ich der Einzige, der irgendetwas über ihn sagen kann!"
Die beiden Männer wechselten einen vielsagenden Blick.
"Dann wissen Sie, dass ich es nicht wahr", flüsterte Thompson. Er atmete tief durch. "Ich verstehe", murmelte er dann. "Sie drohen mir. Wenn ich nichts sage, werde Sie behaupten, mich als den Killer wiedererkannt zu haben, der Hughes umgebracht hat."
"Das ist ihre Schlussfolgerung."
"Ist sie falsch?"
Bount schwieg. Sein Blick ruhte gelassen auf Thompson. Ein, zwei Sekunden verstrichen, ohne dass irgendetwas geschah. Dann sagte Thompson: "Sprechen Sie mal mit Phil Holding." Er flüsterte es fast.
"Wo finde ich den?"
"Er ist Anwalt. Sein Office liegt in der Third Avenue. Aber mehr sage ich nicht!"
"Trotzdem, besten Dank." Er deutete auf den Beifahrersitz des Mercedes 500 SL. "Steigen Sie ein!"
"Aber... Sie haben doch gesagt, dass..."
"Ich habe gelogen", schnitt Bount ihm das Wort ab.