Читать книгу Genesis II - Alfred Broi - Страница 12
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Sie hatten das westliche Hafengebiet schnell erreicht und brauchten auch nicht lange zu kreisen, bis sie die ersten Flüchtlinge ausmachen konnten.
Kabus lenkte ihren Transporter in die entsprechende Richtung und fand einen sicheren Landeplatz.
Mit Hilfe von Esha, Kaleena und Biggs konnten sie innerhalb weniger Minuten fast zwanzig Personen bergen, von denen die meisten verletzt waren und sich zu einer Gruppe zusammengefunden hatten, um auf Hilfe zu warten.
Dankbar, aber auch tief entsetzt, folgten sie den vier Rettern in den Transporter.
Kabus startete ohne Verzögerungen und brachte ihre Fracht wie befohlen direkt zu den Anlegestellen im Hafen.
Nachdem der Transporter wieder geleert war und sie sicher sein konnten, dass die Verwundeten ärztlich zumindest erstversorgt wurden und der Rest den Weg auf die bereitstehenden Schiffe fand, machten sie sich sofort auf den Weg zu einer zweiten Rettungsmission.
So waren sie jetzt seit nunmehr über zwei Stunden ständig im Einsatz gewesen, doch niemand von ihnen zeigte Anzeichen von Müdigkeit oder Schwäche. Ganz im Gegenteil: Bei jedem Einsatz sahen sie auch grauenvolle Bilder und das Leid vieler Personen, sei es durch den Verlust geliebter Menschen oder durch Verwundung. Auch waren unter ihnen einige, denen letztlich nicht mehr zu helfen war und die ihnen auf den Transporten zum Hafen einfach wegstarben, doch wog die Freude derer, die sie retten konnten diesen Schmerz immer wieder auf.
Ja, es war ein wirklich gutes Gefühl, den Menschen ein klein wenig Hoffnung und Stärke in diesen furchtbaren Stunden zu geben und gerade Esha und Kaleena verstanden sich absolut brillant darauf, zu motivieren, zu trösten, zu wärmen und zu begleiten.
Kabus war sehr beeindruckt. Mochte es da draußen viele Soldaten geben, die ihr letztes für die Rettung dieser Stadt gegeben hatten und vielleicht noch weiterhin geben mussten, Esha und Kaleena taten alles nur erdenkliche, um auch ihren Beitrag dafür zu leisten. Und die seelischen, emotionalen und körperlichen Abgründe, die sich ihnen immer wieder offenbarten, forderten weiß Gott wirklich alles von ihnen ab, obwohl sie sich nichts anmerken ließen.
Dennoch erkannte er, dass sie alle doch bald eine Pause brauchen würden und er beschloss, den aktuellen Einsatz zu Ende zu bringen und dann ihre Mission für etwas Essbares und eine Tasse Kaffee oder Tee zu unterbrechen.
Zweihundert Meter voraus sah er inmitten eines riesigen Trümmerhaufens, der einmal ein stolzes Gebäude gewesen sein mochte, eine Person, die ihnen mit ausgestreckten Armen zuwinkte.
An ihrer gebückten Haltung und dem humpelnden Gang konnte Kabus sofort erkennen, dass sie offensichtlich verletzt war.
Er steuerte den Transporter in ihre Richtung, suchte sich einen Landeplatz und schaltete die Triebwerke auf Standby.
Kaum war die Seitentür geöffnet, waren Esha und Kaleena schon hinausgestürmt.
Kabus und Biggs folgten ihnen.
Als sie sich der Person näherten, erkannte Kabus, dass es eine junge Frau war, die in der Tat verletzt war. Ihr T-Shirt war blutdurchtränkt, ihr Bein seltsam gewinkelt, Zeichen dafür, dass das Schienbein gebrochen war.
Kabus legte sofort seine Arme um sie und hob sie an. Sie mochte vielleicht dreißig Zyklen alt sein und Kabus war sicher, dass unter all dem Blut, dem Dreck und dem Schrecken eine ausgesprochen hübsche Frau steckte.
„Hab sie!“ sagte er mit einem kleinen Lächeln. „Keine Sorge, wir kümmern uns jetzt um sie. Wir bringen sie in Sicherheit!“
Die junge Frau lächelte ihm erleichtert zu, doch schon einen Moment später verlor sie es wieder. „Da sind...noch andere!“ stieß sie kraftlos hervor.
„Was?“ Kabus hatte sie nicht richtig verstanden.
„Da...!“ Sie hob ihren rechten Arm an und deutete auf die Ruine, die einmal ein Haus gewesen war. „...im Keller. Sie sind...verschüttet!“
„Wir kümmern uns darum!“ sagte Esha sofort und zusammen mit Kaleena und Biggs machte sie sich auf den Weg.
Kabus trug die junge Frau zum Transporter, wo er sie auf die hintere Sitzreihe bettete. Eine kurze Untersuchung ergab, dass das Blut auf ihrem T-Shirt nicht von ihr stammen konnte, sie hatte keine offenen Wunden. Also gab er ihr eine Spritze gegen die Schmerzen und als das Mittel wenige Momente später wirkte, legte er ihr noch eine provisorische Schiene an ihr gebrochenes Bein.
Dann verließ er sie und rannte zurück zu den drei anderen, die gerade damit beschäftigt waren, hastig Gesteinsbrocken von einem Trümmerberg zu entfernen.
„Was ist?“ fragte er Esha.
„Da unten sind Menschen! Wir können ihre Stimmen hören!“ erwiderte sie schweratmend. „Aber wir kommen nicht voran!“ Sie deutete auf den Trümmerberg.
Kabus nickte ihr zu. Sie hatte Recht. Selbst wenn sie die kleineren Trümmer wegräumen konnten, blieb noch immer ein besonders großes Exemplar, dass sie nicht einmal zusammen entfernen konnten. Sie brauchten dringend Hilfe.
„Da!“ hörte er plötzlich Biggs rufen und noch bevor er begriff, was los war, rannte sein Onkel an ihm vorbei in eine Seitengasse zu ihrer Rechten.
Biggs lief gut zwanzig Meter dort hinein, dann stoppte er ab und schob ein großes Stück eines Holzdaches beiseite. Und da konnte Kabus erkennen, was sein Onkel tat. Sofort rannte er zu ihm.
Biggs riss die Tür des Lieferwagens auf, hüpfte hinein und lachte kurz auf. Der verdammte Schlüssel steckte. Ohne zu zögern, versuchte er den Motor zu starten. Doch mehr als ein gequältes Röcheln ertönte zunächst nicht.
Kabus hatte ihn erreicht. Neugierig schaute er in das Führerhaus hinauf und sah das angespannte und leicht verzerrte Gesicht seines Onkels, als dieser einen zweiten Startversuch machte, der jedoch auch misslang.
„Verdammt!“ rief Kabus und schien nervös. „Ich...!“ begann er. „...ich kann es mit dem Transporter versuchen!“
Biggs schüttelte den Kopf. „Du...bist...!“ Er drehte den Zündschlüssel noch einmal um. „...zu ungeduldig!“ Der Motor röhrte auf, schien wieder ersticken zu wollen, bevor er erneut anschwoll. „Er muss...sich erstmal...!“ Plötzlich ging ein Ruck durch den Lieferwagen und der Motor drehte einmal vollständig durch. „...frei pusten!“ Biggs grinste breit, während der Motor ratternd anlief und nach wenigen Momenten satt röhrte.
„Hol ein Seil!“ rief Biggs Kabus zu, dann schloss er die Tür des Führerhauses und legte den Rückwärtsgang ein.
Kabus nickte ihm zu, drehte sich um und rannte zurück zum Transporter.
Biggs gab zunächst vorsichtig Gas, um zu sehen, was passierte. Die Reifen machten auch eine Vierteldrehung nach hinten, doch dann hielt sie ein Widertand auf. Biggs ging vom Gas, kuppelte aus und der Wagen rollte zurück in seine Ausgangsposition.
„Na gut!“ sagte der alte Mann zu sich selbst. „Dann eben die harte Tour!“ Wieder gab er Gas, ließ den Gang kommen und donnerte den Wagen wuchtiger gegen den vermeintlichen Widerstand. Auf der anderen Seite des LKWs knirschte es bedrohlich und Biggs erkannte, das der Wagen halb in ein Haus gedonnert war. Die Hauswand war gekippt und hatte sich gegen die Seite des Wagens gelegt.
Also würde hier nur rohe Gewalt helfen. Biggs ließ den Wagen wieder zurückrollen und gab sofort danach wieder Gas. Der Lkw schob sich weiter zurück, Stein rieb auf Metall, doch diesmal konnte er den ersten Widerstand überwinden. Langsam schob er sich an der Hauswand entlang und hinaus in die Gasse. Kaum hatte er die Hauswand freigegeben, kippte sie gänzlich zur Seite und mehrere Tonnen Beton und Stahl folgten ihr.
Biggs konnte sich gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen, sonst wäre er von den Massen unweigerlich zerquetscht worden.
Doch er hielt sich nicht lange mit diesem Gedanken auf, sondern lenkte den Wagen rückwärts aus der Gasse zu Esha und Kaleena.
Dann wendete er ihn, sodass er ihn als Zugmaschine nutzen konnte.
Einen Augenblick später war Kabus wieder da. Er hatte ein langes dickes Seil mit Haken dabei. Während er mit Esha das lose Ende um den Gesteinsbrocken befestigte, hakte Kaleena das andere Ende unterhalb des Führerhauses des LKWs in eine entsprechende Vorrichtung.
Als Kabus sicher war, dass das Seil ordentlich fest gemacht war, sagte er Esha, sie solle den Verschütteten sagen, was sie vorhatten.
Er selbst ging zu Biggs und kletterte an der Seite des Führerhauses auf die Trittstufe und hielt sich am Außenspiegel fest.
Nachdem Esha sich wieder aufgerichtet hatte und ihm zunickte, wandte er sich an Biggs. „Okay. Du kannst anfangen. Aber schön langsam!“
„Junge...!“ Biggs sah ihn etwas genervt an. „...ich mach so was nicht zum ersten Mal. Vertrau mir!“
Biggs ließ den Lkw soweit zurückrollen, bis das Seil gespannt war, dann erhöhte er den Druck auf die Vorderräder, die sich zunächst qualmend in den Sand gruben, dann aber fassten und den Gesteinsbrocken Zentimeter für Zentimeter von dem Haus wegzogen.
Nach knapp dreißig Sekunden hatte er so den Eingang in den Keller freigelegt.
Esha und Kaleena stürmten sofort zu der Stelle und entfernten hastig weitere kleinere Brocken. Kabus half ihnen.
Dann tat sich unter ihnen eine Lücke auf und mehrere Hände waren zu sehen. Deutlich war Gekeuche und das Jammern von Kindern zu hören.
Ein Mann in mittlerem Alter schaute zu ihnen herauf, dann verschwand sein Gesicht wieder und wenige Augenblicke später wurde ein kleines Mädchen zu ihnen hinaufgereicht.
„Komm her meine Kleine!“ sagte Kaleena sofort und nahm sie entgegen. „Es wird alles gut. Ihr habt es geschafft. Wir bringen euch in Sicherheit!“ Sie setzte die Kleine neben sich und half den anderen bei der weiteren Bergung.
Zwei Minuten später hatten sie siebzehn Personen aus dem Keller befreit. Zum Glück war keiner von ihnen ernsthaft verwundet und so gelangten sie schnell zum Transporter.
Kabus wartete, bis alle eingestiegen waren. Zufällig schaute er dabei einmal zum Himmel. Er erkannte zunächst, dass der neue Tag heranbrach. Deutlich zeigte sich der Horizont erhellt. In einer Stunde würde Lexis vollständig aufgegangen sein und die Ausmaße der beiden Angriffswellen schonungslos preis geben.
Er wollte sich schon abwenden, als seine Augen plötzlich ein kurzes Flackern wahrnahmen. Dort oben am Himmel. Eine Art kurzen, kleinen Blitz. Dort, wo...Kabus erschrak und ein eiskalter Schauer jagte über seinen Rücken...genau dort, wo die Anomalie war!
„Kabus?“ rief Esha aus dem Inneren.
„Ich komme!“ erwiderte er, doch rührte er sich zunächst nicht. Gespannt schaute er zum Himmel, aber er konnte nichts mehr erkennen. Hatte er sich getäuscht?
Plötzlich erschien Esha in der Luke und schaute ihn fragend an.
„Ich komme!“ sagte er erneut, wandte den Kopf vom Himmel und lächelte sie an. Er trat in das Innere und schloss die Luke.
„Ist alles in Ordnung?“ fragte Esha leicht besorgt.
„Ich...denke schon!“ Er lächelte ihr nochmals zu und setzte sich dann an das Steuer des Transporters.
Während er den Schub auf die Vertikaltriebwerke erhöhte und sie sich langsam vom Boden erhoben, starrte er aufmerksam in den Himmel. Er glaubte nicht wirklich, dass er sich getäuscht hatte.
„Was gibt es da zu sehen?“ fragte Biggs neben ihm, dem das Verhalten seines Neffen natürlich nicht entgangen war. Im selben Moment kam Esha in die Kabine.
„Ich hätte schwören können, dass...!“ begann Kabus und urplötzlich zuckte ein weiterer Blitz vom zerstörten Ende der ansonsten tiefschwarzen Anomalie hinauf in die oberen Luftschichten.
„Was...?“ hakte Esha nach.
„Das!“ Kabus streckte seinen rechten Arm aus und deutete auf die Anomalie, wo ein dritter Blitz in Richtung Weltraum schoss.
„Ach du Scheiße!“ entfuhr es Biggs sofort und sein Gesicht zeigte Bestürzung.
Der Transporter erhob sich mittlerweile immer schneller und sie hatten eine Höhe von einhundert Metern erreicht.
Doch niemand im Cockpit schien das zu registrieren. Alle Augen waren auf das zerstörte und zerfetzte Ende der Anomalie gerichtet, von dem aus jetzt schon wesentlich öfter, immer hellere und deutlichere Blitze durch die Wolken nach oben schossen.
„Das hat nichts Gutes zu bedeuten, oder?“ fragte Esha und ihr Tonfall verriet, dass sie sich die Antwort auf ihre Frage eigentlich schon selbst gegeben hatte.
Bevor ihr einer der beiden Männer aber etwas erwidern konnte, hatten alle das unmissverständliche Gefühl, dass ihnen gleich die Trommelfelle platzen und die Ohren abfallen würden, denn als das extrem widerliche Kreischen in einer unglaublich ohrenbetäubenden Lautstärke aus dem Inneren der Anomalie ertönte, reagierte keiner schnell genug, seine Ohren davor zu schützen und so donnerte das Geräusch ungehindert in ihre Köpfe und verursachte dort grässliche Schmerzen, die innerhalb eines Wimpernschlags den ganzen Körper einnahmen.
Kabus erzitterte und hätte fast die Kontrolle über den Transporter verloren. Im letzten Moment konnte er sich den Kopfhörer überstülpen und so verhindern, dass sein Trommelfell platzte.
Noch immer befand sich ihr Flieger im Steigflug, der sie, wenn auch nur langsam, immer näher an die Anomalie heranführte.
Die Blitze aus dem Inneren waren jetzt beinahe permanent vorhanden und ihre Intensität und Leuchtkraft deuteten unmissverständlich darauf hin, dass gleich etwas passieren würde.
Und dann geschah tatsächlich etwas.
Die Anomalie zog sich zurück. Das zerstörte und zerfetzte Ende, das durch den Einsatz des heißen Plasmas buchstäblich auseinander gerissen worden war, wölbte sich weiter nach innen und drückte sich durch die Wolken nach oben.
Die ganze Aktion wurde weiterhin begleitet von diesem furchtbaren Kreischen. Es war fast so, als würde die Anomalie aus einem Metall bestehen, dass zusammengedrückt wurde.
Dann entschwand sie aus den Augen der Menschen, da sie die Wolkendecke vollständig durchstoßen hatte. Lediglich das Kreischen deutete an, dass sie ihren Weg zurück in das Weltall weiter fortsetzte.
Esha, Kabus, Biggs und auch Kaleena, die durch das Geräusch aufmerksam geworden war und sich neben Esha in die Kabinentür gezwängt hatte, starrten beinahe fassungslos auf das Schauspiel, das sich vor ihnen abspielte.
„Sie ist weg!“ sagte Kaleena plötzlich.
Esha schaute sie verwirrt an. „Ist das gut oder schlecht?“
„Sie ziehen sich zurück!“ meinte Biggs und schaute zu Kabus. „Sie geben auf!“ Er blickte zu den beiden Frauen, die daraufhin unsicher lächelten.
Kabus blieb zunächst noch stumm und wartete.
Plötzlich erstarb das furchtbare Kreischen genauso unvermittelt, wie es begonnen hatte und eine unheimliche Stille entstand.
„Rückzug ja!“ sagte Kabus mit einem Mal und schaute zu den drei anderen. „Aber aufgeben? Ich befürchte nicht!“
„Und was passiert dann?“ fragte Esha unheilvoll.
„Nun, sie haben zwei Mal versucht, uns mit derselben Taktik zu vernichten. Wenn ich sie wäre, würde ich jetzt etwas anderes machen!“
„Und was?“ hauchte Esha, doch ihr Tonfall zeigte deutlich, dass sie die Antwort auf diese Frage nicht wirklich hören wollte.
Kabus schaute ihr direkt ins Gesicht. „Etwas…Unerwartetes!“