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ОглавлениеIhr weiterer Flug hatte sich wider erwartend als sehr ruhig erwiesen, wenn man von der allgemeinen, aber auch speziellen Anspannung der Insassen absah.
Kabus hielt den Transporter weiterhin dicht an der Küstenlinie und flog nur knapp über Meereshöhe, um außerhalb des feindlichen Radars zu bleiben. In der abwechslungsreichen Landschaft, die sich immer wieder im fahlen Licht von Ondurin rechts neben ihnen auftat, hatte Kabus jedoch nur wenig Mühe, die meiste Zeit über genügend Schutz zu finden.
Ihre Geschwindigkeit betrug rund zweihundert Meilen in der Stunde und sie näherten sich Ara Bandiks sehr schnell.
Im Inneren des Transporters war es still geworden, kaum jemand redete, alle hingen mehr oder weniger ihren eigenen Gedanken nach.
Kabus konzentrierte sich auf ihren Flug und stellte beiläufig fest, dass es bereits weit nach Mitternacht und somit ein neuer Tag angebrochen war. Er fragte sich, was er wohl bringen würde? Erlösung und einen Sieg gegen ihre furchtbaren Feinde oder noch gnadenlosere Teufeleien?
Biggs, Kaleena, Malis und Liva saßen im hinteren Bereich. Liva war wieder eingeschlafen und hatte sich auf den Sitzen ausgestreckt. Ihr Kopf lag in Malis Schoss, die ebenfalls ihre Augen geschlossen hatte.
Kaleena und Biggs saßen nebeneinander und wechselten dann und wann ein paar kurze, leise Worte, bevor sie sich wieder ihren eigenen Gedanken hingaben.
Esha saß immer noch neben ihm im Cockpit und schaute gedankenversunken auf die vorbeirauschende Landschaft. Sie bemerkte nicht, das Kabus sie anschaute.
Sie war eine verteufelt hübsche und selbstbewusste Person, sagte er sich erneut und dass waren genau die Eigenschaften, die er an Frauen mochte. Zu schade, dass sie offensichtlich gebunden war. Schließlich war die Suche nach ihrem Lebensgefährten Shamos einer der Gründe für ihren Flug zurück nach Ara Bandiks. Normalerweise hätte Kabus Esha schon angebaggert, doch er hielt sich damit zurück. Die Stadt war ein gewaltiges Schlachtfeld gewesen, es musste unzählige Opfer gegeben haben. Und wenn dieser Shamos tatsächlich zu diesem Zeitpunkt dort gewesen war, dann bestand ja schließlich auch die Möglichkeit, dass er ein Opfer dieses Krieges geworden war. Und wenn Esha diesen Verlust erst einmal realisiert hatte, dann würde er, Kabus, ihr zur Seite stehen, um ihn zu überwinden. Vielleicht konnte er letztlich davon dann profitieren.
Ja, das wäre kein schlechter Gedanke und Kabus ertappte sich bei dem Gedanken, dass er sich beinahe wünschte, dass Shamos nicht mehr am Leben war.
Doch kaum hatte er diesen Gedanken ausgedacht, da verwünschte er sich auch schon dafür und wies sich innerlich rüde selbst zurecht.
Hier waren persönliche Gefühle völlig unangebracht, hier galt es, sich mit einem Krieg auseinander zu setzen. Und er hatte sich entschlossen, diesen beiden Frauen bei der Suche nach ihren Männern zu helfen. Wenn das beendet war, dann würden sich ihre Wege wieder trennen und er selbst mit Biggs weiter versuchen, anderen zu helfen.
Sollte Shamos tatsächlich ein Opfer geworden sein, dann war es für ihn nicht nur aus Sympathie selbstverständlich, Esha in ihrem Schmerz beizustehen. Über alles weitere konnte und durfte er jetzt nicht nachdenken.
Kabus schüttelte einmal den Kopf, wandte seinen Blick ab und atmete tief durch. Dadurch wurde Esha aus ihren eigenen Gedanken geholt, sie drehte ihren Kopf zu ihm, ihre Blicke trafen sich und sie lächelte ihm offen, aber doch traurig und erschöpft zu.
„Wir haben es bald geschafft!“ sagte er aufmunternd, nachdem er die Entfernung zu ihrem Ziel überprüft hatte. „Vielleicht noch zehn Minuten!“
Esha nickte, lächelte nochmals und erhob sich dann. „Ich sehe mal hinten nach dem Rechten!“
Kabus nickte ihr zu und konzentrierte sich wieder auf ihren Flug, jedoch erneut in seiner Annahme bestätigt, dass Esha in der Tat sehr hübsch und ausgesprochen attraktiv war.
¤
Pivos nahm sein Funkgerät zur Hand und ließ sich von der Kommandostelle zu Mavis durchstellen.
„Commander Mavis?“
„Ja?“
„Hier spricht Captain Pivos!“
Mavis Augen vergrößerten sich schlagartig. „Captain, haben sie...?“
„Nein, Sir!“ erwiderte Pivos sofort, um Mavis keine unnötige Hoffnung zu machen. „Es tut mir leid. Ich konnte Melia noch nicht finden!“
Mavis Blick am anderen Ende der Leitung wurde tieftraurig. Dann nickte er. „Ich verstehe!“ Für einen Moment war es still in der Leitung. „Dann gibt es einen anderen Grund für ihre Meldung!?“ sagte er dann.
„Ja, ich...ähm...stehe hier unmittelbar an der Absturzstelle der Anomalie!“
„Und?“ fragte Mavis unsicher.
„Nun, Sir, ich glaube, sie sollten herkommen und sich das selbst anschauen!“
Im ersten Moment wollte Mavis ablehnen und ihm sagen, dass er dafür keine Zeit hatte und aus einem gleichzeitigen Gefühl der Hoffnungslosigkeit heraus anordnen, dass Pivos außerdem wieder zurückkehren sollte, dann erst erkannte er am Tonfall des Captain, dass es wirklich wichtig zu sein schien. „Ich komme!“ sagte er dann nur knapp und kappte die Verbindung.
Captain Mistak tauchte neben ihm auf.
„Halten sie hier die Stellung, Captain. Ich werde zur Absturzstelle der Anomalie fliegen!“
Mistak nickte und Mavis übergab ihm das Fernglas.
„Ach und Captain?” Mavis hielt inne. „Stellen sie eine Verbindung zum Hauptquartier her und sagen sie dem Nuri, dass es sinnvoll wäre, wenn er ebenfalls dorthin kommen würde!“
Mistak nickte erneut und ging zurück ins Zelt.
Mavis lief zum nächstbesten Transporter und stieg hinein. Ja, es war eine gute Idee, Vilo dorthin zu bitten. Mavis hatte zwar keine Ahnung, was sie dort erwartete, aber er wollte und musste mit seinem Freund reden. Und das nicht über den Äther.
¤
Kabus umflog die Landzunge, an deren Küste sich die Felsen gut einhundert Meter senkrecht in die Luft erhoben. Sie boten sehr guten Schutz, verhinderten jedoch gleichzeitig den Blick auf Ara Bandiks.
Die gewaltige Metropole lag direkt hinter dieser Landzunge, doch mehr als einen hell erleuchteten Himmel konnte Kabus nicht ausmachen. Und er wusste, dass dieses Licht diesmal nicht die normale Helligkeit einer Großstadt widerspiegelte, sondern auf die Verwüstung hindeutete, die heute dort stattgefunden hatte. Deutlich konnte er das Flackern erkennen.
Nachdem sie die Landzunge hinter sich gelassen hatten, tauchte vor ihnen der Hafen von Ara Bandiks auf, in dem sich einige Dutzend Schiffe befanden und weiterhin Flüchtlinge und Verwundete aufnahmen.
Im Hintergrund hielten sich einige Kriegsschiffe der Marine, um die Flucht zu sichern und die Truppen im Kampf über der Stadt zu unterstützen.
Kabus war sofort tief geschockt, aber auch beeindruckt von dem gewaltigen Treiben im Hafengelände. Es war wirklich alles, was man nur aufbieten konnte dabei, gemeinsam Leben zu retten. Aber dennoch war es ja auch ein deutliches Zeichen für die Katastrophe, die sich heute hier ereignet hatte und noch immer anhielt. Er bekam unweigerlich eine Gänsehaut.
Doch der Hafen war nicht ihr Ziel und so lenkte er den Transporter nach rechts weiter auf das Stadtgebiet zu. Kaum hatte er die entsprechende Kurve geflogen, konnte er die Hölle vor ihm erblicken. Wieder liefen ihm eiskalte Schauer durch den Körper, die ihn frösteln ließen. Ein unfassbares Meer aus Zerstörung und Flammen tat sich vor ihm auf und beleuchtete das Cockpit in einem schmutzigen Gelb. Sein Blick fiel sofort auf das Stadtzentrum, aus dem sie vor nur wenigen Stunden geflüchtet waren. Er war entsetzt zu sehen, dass die irrsinnige Zerstörung, die doch schon zu diesem Zeitpunkt vorhanden war, noch weiter fortgeschritten war. Die einstmals grandiose Skyline mit unzähligen Hochhäusern und atemberaubenden architektonischen Highlights, die auf dem gesamten Planeten absolut ihres Gleichen suchten, war buchstäblich zu Staub zerfetzt worden. Nur noch eine Handvoll Türme ragten in den Himmel, wie widerliche Pickel, die dort nicht hingehörten. Zu seiner Überraschung stellte Kabus jedoch fest, dass das höchste Gebäude von allen, der Paliawith-Fernsehturm mit seinen über eintausend Metern Höhe noch immer stand. Mehr noch: Trotz seiner fast dürren Bauweise bot er der Spitze des neben ihm stehenden, gut achthundert Meter hohem Gebäude, die auf einer Länge von rund zweihundert Metern abgeknickt, zur Seite und gegen ihn gefallen war, Halt. Doch selbst aus dieser großen Entfernung von ein paar Meilen war klar, dass es sich hierbei nur um eine äußerst instabile Verbindung handeln konnte und Kabus fragte sich, warum sie überhaupt bis jetzt gehalten hatte.
Doch seine Gedanken wurden sogleich in eine ganz andere Richtung völlig abgelenkt, denn natürlich fiel auch sein Blick in den Himmel über Ara Bandiks und in der nächsten Sekunde verharrte er mit starrem Blick. „Was zum Teufel...?“
Esha im Raum hinter dem Cockpit horchte auf. Sie hatte sich neben Kaleena gesetzt und kurz mit ihr geredet, bevor sie sich zurücklehnte und ebenfalls für einen Moment die Augen schloss. Ihre Gedanken waren sofort bei Shamos, doch sie zwang sich, nicht nervös zu werden und positiv zu denken.
Sie drückte ihren Kopf von der Sessellehne und öffnete ihre Augen. Sofort erkannte sie das gelbe Licht im Cockpit und ihr war klar, was es bedeutete. Ohne zu zögern, erhob sie sich und ging zurück zu Kabus.
„Was ist los?“ fragte sie, während sie sich neben ihn setzte.
Kabus sah sie nicht an, sondern hob nur seinen rechten Zeigefinger und deutete nach vorn. „Sie ist weg!“ sagte er.
Esha folgte seinem Blick und als auch sie erkannte, dass die Anomalie vom Himmel über Ara Bandiks verschwunden war, öffnete sie unwillkürlich ihren Mund und ein leiser Schrei entfuhr ihr. „Oh mein Gott!“ erwiderte sie zunächst erschüttert, bevor ihr klar wurde, dass es ja eigentlich eine gute Nachricht war. „Oh mein Gott!“ wiederholte sie dann nochmals, jedoch schon weit weniger geschockt, sondern eher hoffnungsvoll. Ein kurzes Lächeln huschte über ihre Lippen und sie schaute Kabus mit strahlenden Augen an.
„Der Himmel ist ruhig!“ sagte Kabus bestätigend.
„Ist das ein gutes Zeichen?“ fragte Esha.
„Nun, es ist zumindest doch mal kein Schlechtes! Und es gibt uns die Chance, besser voranzukommen!“
Im nächsten Moment ließ ihn ein kurzes Geräusch herumfahren und er erkannte Kaleena im Eingang zum Cockpit. Ihr Gesicht war schmerzhaft versteinert und sie bemühte sich, sich am Türrahmen festzukrallen, um nicht zusammenzusinken. Kabus fiel ein, dass sie Ara Bandiks ja so bisher noch nicht gesehen hatte. Er konnte sich sofort ausmalen, welche Wirkung diese Hölle auf sie haben musste.
„Welchen Hass muss man empfinden...?“ sagte Kaleena dann tief geschockt und eine Träne rann über ihre Wange herab. „...um das zu tun?“ Tiefe Erschütterung und ehrlich empfundener Schmerz schwangen in ihren Worten mit.
Kabus senkte seinen Kopf und schaute unsicher zu Esha. Ihre Augen trafen sich und er erkannte, dass auch sie etwas verlegen war. Es gab nun mal keine Antwort auf Kaleenas Frage, doch ihre Worte erzeugten bei ihnen eine Gänsehaut.
„Die Anomalie ist verschwunden!“ sagte Esha dann als erste.
„Das ist kein schlechtes Zeichen!“ setzte Kabus mit ein und schaute Kaleena zurück ins Gesicht. „Ich sehe auch keine Kampfhandlungen mehr. Wir haben...gute Chancen...!“
„Wir müssen ins Hauptquartier!“ sagte Kaleena sofort ohne ihn jedoch anzuschauen. Ihr Blick war weiter starr auf das gewaltige Schlachtfeld vor ihnen gerichtet.
„Aber ich weiß nicht, wo das ist!“ erwiderte Kabus.
„Wir müssen unsere Truppen finden. Dann können wir fragen!“ meinte Esha.
Kabus sah sie an und nickte. „Gute Idee!“ Er überblickte das Schlachtfeld und erkannte in einiger Entfernung eine Stellung des Heeres. Ohne zu zögern steuerte er den Transporter darauf zu.
¤
Vilo war dem Ruf seines Freundes sofort gefolgt und saß jetzt in einem Transporter, der ihn zur Absturzstelle der Anomalie bringen sollte.
Während des Fluges schaute er auf die zerstörte Stadt und war tief in Gedanken versunken. Um zu Mavis zu gelangen, mussten sie das Zentrum überqueren und als Vilo die Auswirkungen der Schockwelle sehen konnte, wurde ihm beinahe schlecht.
Noch niemals in seinem Leben hatte er eine derart vollständige Zerstörung gesehen, nahezu alles war bis zur absoluten Unkenntlichkeit pulverisiert. Und ihm war klar, dass dies auch für die Menschenleben galt, die sich zu diesem Zeitpunkt dort noch befunden hatten. Vilo betete zu Gott, dass es nicht viele gewesen sein mochten, immerhin hatten sie die Innenstadt aufgrund der Menschenmenge dort und der bereits beim ersten Angriff aufgetretenen eklatanten Verwüstungen von Beginn an bevorzugt mit Hochdruck evakuiert. Doch er machte sich nichts vor. Er war der Nuri. Jemand musste eine Entscheidung fällen und er hatte sie gefällt. Und damit sicherlich Tausende von Menschen zum Tode verurteilt. So, wie die Dinge hier standen, schien es die richtige Entscheidung gewesen zu sein, doch bezweifelte er, dass er jemals wieder würde ruhig schlafen können. Innerlich hoffte er auf die Rückkehr des Baslami und auf die Ernennung eines ordentlichen Nuri-Nachfolgers. Er selbst würde froh sein, diese Bürde nicht mehr länger schultern zu müssen.
Vilo konnte den Anblick nicht mehr ertragen und schloss seine Augen. In seinem Gesicht konnte man deutliche Zeichen von Trauer, Schmerz und tiefster Erschütterung sehen.
Dann hatten sie dieses Gebiet hinter sich gelassen und der Transporter setzte zum Landeanflug an der Absturzstelle an.
Erst als er auf dem Boden aufsetzte, öffnete Vilo wieder seine Augen.
Neben dem Schrecken des Krieges hatte er in seinen Gedanken auch Kaleena gesehen. Trotz der Tatsache, dass sie ihm so unendlich fehlte und er sich jetzt an ihrer Seite irgendwo weit weg von hier wünschte, brachte ihr Bild vor seinem inneren Auge doch auch Beruhigung und er wollte diese Momente so lange auskosten, wie er nur konnte.
Als der Transporter dann aufsetzte und der Pilot die Triebwerke drosselte, erhob sich Vilo und stieg aus der Maschine.
Nach wenigen Schritten hatte er Mavis und Pivos erreicht.
„Nuri!“ salutierte Pivos sofort.
Vilo nickte ihm zu. „Stehen sie bequem!“
„Nuri!“ sagte auch Mavis und salutierte ebenfalls, jedoch etwas weniger angespannt.
Vilo antwortete nicht, sondern schaute Mavis nur mit zusammengezogenen Augenbrauen an.
„Okay…!“ sagte er dann und atmete tief durch. „Was haben wir hier?“
„Hast du es beim Anflug nicht gesehen?“ fragte Mavis überrascht.
„Ich...!“ Vilo schüttelte den Kopf. „Ich musste meine Gedanken ordnen!“
Mavis nickte. „Na, dann komm mal mit!“
Gemeinsam mit Pivos gingen sie bis an den Rand der Absturzstelle.
„Allmächtiger!“ Vilo war sofort tief geschockt.
„Hörst du das?“ Mavis deutete ihm an, aufmerksam zu horchen.
Vilo vernahm tatsächlich ein leises Blubbern und Zischen vom Boden des Kraters, der noch immer großflächig brannte. „Was ist das?“
„Das ist heißes Plasma!“ sagte Mavis. „Es hat sich am Boden des Kraters gesammelt und arbeitet dort fröhlich weiter!“
„Was macht es?“ fragte Vilo ungläubig.
„Ich war zum Zeitpunkt des Absturzes hier, Sir!“ erwiderte Pivos. „Der Krater war anfangs noch nicht so tief wie jetzt. Ich denke, der Boden ist in den letzten zwanzig Minuten um gut zehn Meter gesunken!“
Vilo zog erneut die Augenbrauen zusammen. „Was heißt das?“
„Heißes Plasma...!“ setzte Mavis ein. „...ist wirklich ein Teufelszeug. Wir nehmen an, es wirkt da unten wie eine Art Säure, die sich durch den Boden frisst!“
„Und wie lange?“
Mavis zuckte die Achseln. „Na ja, hier wird wohl bald Schluss sein, das Zischen hat merklich nachgelassen. Aber ich denke mit der genügenden Menge würde es sich bis auf die andere Seite des Planeten fressen!“
Vilo schloss die Augen und atmete erneut tief durch. „Gott bewahre uns!“ Dann blieb er einen Moment still, bevor er sich an Pivos wandte. „Danke Captain für ihre Hilfe. Lassen sie uns jetzt bitte allein!“
Pivos nickte, salutierte und verschwand in Richtung Transporter.
Als Vilo sicher war, dass er außer Hörweite war, drehte er sich zu Mavis und sah ihm direkt in die Augen. „Versprich mir, dass wir das nie wieder tun!“
Mavis war zunächst überrascht, dann huschte ein unsicheres Grinsen über seine Lippen, bevor er wieder ernst wurde. „Aber…es hat doch funktioniert!“ Er deutete auf den Himmel über ihnen.
„Der Preis war zu hoch, Mavis! Hast du die Innenstadt gesehen? Alles wurde nahezu pulverisiert. Weißt du, wie viele Menschen dort innerhalb eines Augenblicks gestorben sind?“
„Zu viele!“ Mavis stimmte ihm sofort zu und nickte. „Aber weißt du, wie viele Menschenleben du durch diese Aktion vielleicht auch gerettet hast? Weil sie jetzt nicht mehr im Krieg leben müssen?“
Vilo schüttelte sofort den Kopf. „Wir sind die einzigen, bei denen der Kampf geendet hat. Überall sonst auf diesem Planeten ist noch immer die Hölle los!“
„Ja!“ Mavis nickte. „Weil sie nicht das getan haben, was wir getan haben. Wir müssen es ihnen weitergeben. Sie müssen das auch versuchen. Dann wird der Krieg vielleicht schon bald enden!“
„Und wenn sie zurückkehren?“ Vilo sprach kraftlos und schaute Mavis wieder direkt an. „Mit neuen Teufeleien? Glaubst du wirklich, dass dies das Ende war?“
Mavis schaute Vilo eine ganze Zeit lang ausdruckslos an und hielt seinem Blick offen stand. Dann schüttelte er den Kopf. „Nein!“ sagte er ebenfalls kraftlos und schaute zu Boden. „Ich denke, du hast völlig Recht. Unser Feind wird zurückkehren. Das war noch keine Niederlage für ihn!“
„Können wir ihn überhaupt besiegen?“ fragte Vilo.
„Wir sind ihnen in Sachen Taktik überlegen. Und unsere Piloten sind allesamt besser, als diese Bastarde! Aber ich befürchte, sie haben einen entscheidenden Vorteil...!“ Mavis verstummte.
„Ihre zahlenmäßige Überlegenheit!“ vollendete Vilo den Satz.
Mavis nickte.
„Unser Kontingent an Jägern schrumpft unaufhörlich!“
„Und meinen Jungs geht bald die Munition aus!“ erwiderte Mavis.
„Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis es vorbei ist. Der Feind muss nur weiter angreifen und er wird uns zwangsläufig besiegen. Wir werden dann völlig ohne Waffen dastehen und er kann uns vollständig überrollen…!“ Vilo schloss die Augen. „Und ich glaube nicht, dass er wirklich Gefangene machen wird!“
Mavis nickte scheinbar tief in Gedanken, dann atmete er tief durch, hob abrupt seinen Kopf an und schob das Kinn nach vorn. „Das muss er auch nicht. Ich für meinen Teil würde lieber sterben, als mich versklaven zu lassen…!“ Er schaute Vilo an und suchte seinen Blick. „Und eines kann ich dir sagen: Solange es noch irgendetwas gibt, womit ich kämpfen kann, werde ich es tun. Wenn ich sterben muss, dann nicht ohne Widerstand. Und bevor es soweit ist, werde ich noch so viele von diesen Bastarden töten, wie ich nur kann. Als Noni, mit Nahkampfwaffen oder mit meinen bloßen Händen...!“ Er verstummte für einen Moment. „Und ich denke, es gibt sehr viele hier...in unseren Truppen, in unserem Volk, auf dem ganzen Planeten, die genauso denken. Wenn wir jetzt aufgeben, werden wir nichts gewinnen!“
Vilo nickte. „Dieser Gegner will keine Gefangenen, dieser Gegner will einzig unser Blut!“
Mavis nickte ebenfalls. „Also nützt auch keine Kapitulation. Wir haben gar keine andere Wahl, als zu kämpfen und unsere Haut so teuer wie möglich zu verkaufen!“
„Entweder wir vernichten sie…oder sie vernichten uns!“ erwiderte Vilo. „Die Hölle könnte nicht schlimmer sein!“
„Richtig. Aber wenn sie uns die Hölle bereiten wollen, dann werden wir dafür sorgen, dass sie selbst ebenfalls hindurch gehen müssen! Und wir werden sehen, ob sie dazu wirklich bereit und in der Lage sind!“
Vilo schaute Mavis in die Augen und ein kurzes Lächeln huschte über seine Lippen. „Wir können uns alle glücklich schätzen, einen Anführer wie dich zu haben, alter Freund. Du kannst wirklich überzeugen!“ Er wartete, bis Mavis ihn ebenfalls ansah. „Du wärst ein weit besserer Nuri, als ich es je sein könnte!“
„Nein!“ erwiderte Mavis sofort und schüttelte entschieden den Kopf. „Du bist da, Vilo, wo du jetzt stehst, genau richtig! Der Nuri muss mehr sein, als ein Motivator. Er muss besonnen sein. Ich bin das nicht. Ich muss immer mit dem Kopf durch die Wand und riskiere dabei viel zu viel. Du aber bist anders!“ Jetzt verstummte Mavis und wartete seinerseits darauf, dass Vilo ihn ansah. „Das Wohl unseres Volkes und vielleicht sogar des gesamten Planeten könnte in deinen Händen nicht besser liegen. Du bist ein hervorragender Soldat und ein hervorragender Nuri. Ich bin stolz darauf, mit dir zusammen zu kämpfen. Ich und meine Truppen werden dir folgen, wohin du uns auch führen magst. Du wirst meinen Rat hören, sooft du ihn hören willst. Ich stehe an deiner Seite…bis zum Ende. Wie immer es auch aussehen mag!“
Für einige Momente blieb es still zwischen den beiden, während sie sich wortlos anschauten.
„Sir?“ Das war Pivos, der wieder zu ihnen getreten war.
Vilo reagierte nicht. Mavis schaute ihn an. „Ja?“
„Wir haben eine Nachricht für den Nuri!“
Jetzt reagierte Vilo und drehte sich zu Pivos um.
„Ein Transporter ist auf dem Weg ins Hauptquartier. Der Trupp, den die Insassen kontaktiert haben, sagt, sie wollten unbedingt den Nuri sprechen!“
Vilo atmete tief durch und senkte müde den Kopf. „Bitte, ich habe wirklich keine Zeit für...!“
„Oh nein!“ unterbrach ihn Pivos sofort. „Sie verstehen nicht. Eine der Insassen sagte, sie sei ihre Frau!“
„Kaleena!“ rief Mavis sofort und sein Blick erhellte sich.
Vilos Kopf schoss in die Höhe und er schaute Pivos direkt an. „Ist das wahr?“
Der Captain zuckte verlegen mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich kann nur sagen, was gemeldet wurde!“
„Du musst sofort ins Hauptquartier!“ sagte Mavis, trat zu Vilo und klopfte ihm auf die Schulter.
„Aber...!“ Vilo war sichtlich verwirrt.
Mavis schaute ihm direkt in die Augen. „Wir sind hier fertig, alter Freund!“ Er lächelte kurz. „Es ist alles gesagt worden. Wir werden jetzt auch eine Zeitlang ohne dich auskommen. Ich werde die Sache mit dem heißen Plasma um den Planeten schicken und ansonsten Ara Bandiks weiter evakuieren lassen!“
„Danke!“ sagte Vilo und nickte ihm ehrlich erfreut zu.
Mavis grinste jetzt einmal fröhlich und schlug ihm auf die Schulter. „Geh schon und hol dir ein paar aufmunternde Streicheleinheiten. Du hast sie dir verdient. Und dann wirst du die Welt wieder in einem anderen Licht sehen!“
Vilo nickte. „Okay. Wir sehen uns!“ Er schlug Mavis ebenfalls auf die Schulter, dann drehte er sich um und lief zurück zum Transporter.
„Und grüß sie von mir!“ rief Mavis ihm noch hinterher, was er mit einem Wink seines rechten Armes dokumentierte.
Kaum war Vilo eingestiegen, hob der Transporter auch schon ab und entfernte sich schnell in Richtung Westen.
Mavis schaute ihm mit einem traurigen Lächeln hinterher. In die ehrliche Freude darüber, dass Vilo vielleicht seine Frau wiedersehen konnte, mischte sich natürlich auch die Trauer um seine geliebte Melia. Die Wahrscheinlichkeit, dass er sie noch einmal wiedersehen würde, war so schmerzhaft gering, dass er nicht verhindern konnte, dass eine unscheinbare Träne über sein schmutziges Gesicht hinab lief.
Und ihm wurde erneut schonungslos bewusst, dass der Kampf gegen ihre Feinde, das einzige war, was ihm noch bleiben würde. Sein Hass darauf, dass sie die Liebe seines Lebens getötet hatten.
Aber ihm war auch klar, dass er sie für seine Hilflosigkeit und seine Dummheit würde bezahlen lassen, dass er geglaubt hatte, Melia würde auch ihn so lieben, wie er sie. Denn diese Annahme war ja wohl ein böser Fehler von ihm gewesen...