Читать книгу Genesis II - Alfred Broi - Страница 8
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Оглавление„Und?“
Marivar lächelte Jorik an. „Er schläft!“ Sie schaute zu Kendig, der mit geschlossenen Augen in ein paar Decken eingehüllt auf dem Boden lag. „Er hat keine ernsthaften Verletzungen davongetragen. Der Rest wird schnell verheilen. Er ist jung!“ Sie nickte mehr zu sich selbst.
„Sie sind eine verdammt gute Ärztin!“ meinte Jorik sofort. „Hat ihnen das schon einmal jemand gesagt?“
Jetzt grinste Marivar breit. „Zuhause schon. Aber von einem Poremier habe ich das noch nicht gehört!“ Sie schaute zu ihm auf und ihre Blicke trafen sich. Als sie Joriks traurige Augen sah, verlor sie ihr Lächeln. „Hat sie schon jemand untersucht?“ fragte sie dann.
„Mich?“ Jorik war sichtlich überrascht.
„Ja!“ Marivar nickte. „Für den Fall, dass es ihnen noch niemand gesagt hat. Sie bluten da...!“ Sie deutete auf seine rechte Stirnhälfte. „...am Kopf. Und da...!“ Sie zeigte auf seinen linken Oberarm. „...am Arm. Und ihre linke Hand sieht auch nicht besonders gut aus!“ Sie deutete auf diverse Hautabschürfungen.
Jorik lächelte müde. „Das sind nur Kleinigkeiten!“
„Ich möchte sie trotzdem behandeln!“ beharrte Marivar und schaute ihm erneut direkt in die Augen.
Jorik blieb einen Moment stumm und erwiderte ihren Blick, dann lächelte er erneut. „Wenn sie es wollen!“
Marivar nickte. „Will ich!“ Sie nahm sofort ein Tuch zur Hand, tunkte es in sauberes Wasser und beugte sich zu ihm.
„Aber nur unter einer Bedingung!“ sagte Jorik. Marivar hielt in ihrer Bewegung inne und schaute ihn irritiert an. Jorik lächelte zum dritten Mal und diesmal scheinbar etwas belustigt. „Erzählen sie mir von Tibun!“
Marivar zeigte so etwas wie Erleichterung. „Tibun?“ Sie atmete tief durch, während sie Jorik sorgfältig die Wunden säuberte. „Tja, wo soll ich da anfangen? Vielleicht...!“
Und ohne, dass sie es bemerkte, begann sie, Jorik ihre Lebensgeschichte zu erzählen und sich dabei ebenfalls zu entspannen.
¤
„Sir?“
Mavis hatte noch ein paar Minuten am Rande des Kraters gestanden und gedankenverloren in die Tiefe geschaut, bevor er sich wieder gesammelt hatte und zurück zu seinem Transporter ging, um mit ihm zu Captain Mistak zu fliegen. Da kam Pivos bereits auf ihn zu gelaufen. Er schien offensichtlich ziemlich erregt.
„Was ist los?“ fragte Mavis und hatte doch schon eine schlimme Vorahnung.
„Sir...!“ Pivos stoppte vor ihm ab, atmete einmal tief durch und schaute ihm mit ernstem Gesicht direkt in die Augen. „Wir haben einen Gefangenen!“
„Wir haben was?“ Mavis war sichtlich erstaunt. Er hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit, obwohl diese Möglichkeit ja gar nicht einmal so unwahrscheinlich war.
„Die Maschine ist nur leicht beschädigt, war aber auf Dauer wohl flugunfähig. Der Pilot hat sie ziemlich ordentlich notgelandet!“
„Wo?“
„Im Universitätsviertel. Ein Suchtrupp hat ihn aufgespürt. Als er sie bemerkte, gelang es ihm, zwei unserer Männer zu töten, bevor sie ihn überwältigen konnten.
Mavis blieb einen Moment stumm und nickte dann. „Geben sie die Nachricht an den Nuri weiter!“
Pivos nickte. „Jawohl Sir!“
„Haben sie gerade was vor?“ fragte Mavis sofort danach.
Pivos schaute irritiert. „Ähm...nein!“
„Dann steigen sie ein und lassen uns die Sache mal in Augenschein nehmen!“ Mavis schob ihn vor sich her. „Sagen sie dem Nuri, dass wir das für ihn erledigen!“
„Ja Sir!“ erwiderte Pivos und schien ein wenig erfreut.
Mavis erkannte das und grinste einmal freudlos. „Dann ab dafür!“ Er bestieg den Transporter und Pivos wies dem Piloten den Kurs, während er Meldung an das Hauptquartier machte.
Mavis verfiel wieder in Gedanken.
¤
Der Pilot des Transporters war mit sehr hoher Geschwindigkeit zum Hauptquartier geflogen, sodass Vilo bereits keine zehn Minuten nach Erhalt der Nachricht am Krater durch den Haupteingang in den großen Kommandoraum trat.
Er wollte es zwar nicht, aber seine Schritte hatten sich vom Landeplatz bis in das Innere des Gebäudes doch beschleunigt. Die Türen zum Kommandoraum stieß er wuchtig auf und musste sich wirklich bremsen, nicht zu rennen.
Fieberhaft zuckten seine Augen im Raum umher, doch er konnte Kaleena nirgends ausmachen. Vilo wurde sofort nervös und begann zu schwitzen. Die Möglichkeit, dass sich jemand für seine Frau ausgegeben hatte, um an ihn heran zu kommen, um ihn mit Vorwürfen oder Bitten zu traktieren, war zwar nicht groß, aber doch vorhanden.
Und der Gedanke daran, dass er Kaleena jetzt vielleicht doch nicht sehen würde, machte ihn fast wahnsinnig.
Aber auch beim zweiten Überblick konnte er sie nicht ausmachen, also trat er weiter in den Raum und suchte den Wachhabenden. „Captain?“ rief er fast schon zu laut und fordernd und erschrak beinahe selbst.
„Ja Sir?“ Der Wachhabende kam mit schnellen Schritten auf ihn zu und salutierte.
„Es wurde mir gesagt, dass hier jemand...!“
„Vilo!“ Das war kaum mehr als ein Flüstern, doch Vilo vernahm es unter allen Geräuschen in dem großen Raum ganz genau.
Der Wachhabende nickte ihm zu und deutete mit dem Kopf hinter ihn.
Sofort wirbelte Vilo herum und fast hätten seine Beine unter ihm nachgegeben. Auf seinem Gesicht zeigte sich ein breites, erfreutes Grinsen. „Kaleena!“ hauchte auch er.
Ihre Augen trafen sich für einen Moment und niemand von ihnen bewegte sich.
Doch dann konnte keiner von beiden mehr an sich halten und Kaleena rannte auf ihn zu, während Vilo die Arme öffnete. Wuchtig sprang seine Frau dort hinein, ihre Beine berührten den Boden nicht mehr. Vilo schloss seine Arme sofort ganz fest und drückte Kaleenas Körper an sich. Beide hatten ihre Augen geschlossen, stumme Tränen rannen über ihre Gesichter. Wieder verharrten sie so ohne Worte, ganz eng umschlungen, genossen die Nähe, den Duft, den Körper des anderen und wünschten sich beide, dass dieser Moment nie enden mochte.
Dann aber lockerte Vilo seine Umarmung und drückte seine Frau sanft von sich. Er suchte sofort ihren Blick und schaute in feuchte, aber fröhliche Augen und genoss das bezaubernde Lächeln auf ihren Lippen. Plötzlich hatte er das Verlangen, sie zu küssen und nichts und niemand auf dieser Welt hätte ihn jetzt davon abhalten können. Kaleena empfand ebenso und als sich ihre Zungen trafen, wurde daraus ein leidenschaftlicher Kuss, den beide bis in alle Ewigkeit hätten genießen können.
Aber auch dieser Moment endete irgendwann. Vilo suchte wieder Kaleenas Augen und streichelte voller Freude zärtlich ihr Gesicht. Von den Anspannungen der letzten furchtbaren Stunden war fast nichts mehr zu sehen. „Ich bin so froh, dass du hier bist!“ sagte er dann.
„Ich habe es im Fernsehen gesehen...!“ begann Kaleena mit brüchiger Stimme. „...und da wusste ich, dass ich nicht bei Mam und Dad bleiben konnte!“ Sie lächelte kurz. „Es war wie ein Magnet, der mich anzog!“
„Aber du hättest diese gefährliche Reise nicht antreten dürfen!“ tadelte Vilo schwach.
„Ich musste es tun, Vilo...!“ Sie schaute ihm direkt in die Augen und schüttelte den Kopf. „Gegen diese Sehnsucht kann man nicht ankämpfen!“ Sie schien tatsächlich ein wenig verschämt und senkte ihren Kopf.
Vilo musste lächeln. Diese Frau war einfach nur unbeschreiblich. Er legte seine rechte Hand an ihr Kinn und drückte ihren Kopf sanft wieder in die Höhe. „Gott, ich liebe dich so sehr!“ sagte er aus tiefstem Herzen.
Kaleena lächelte ebenfalls erleichtert und fiel Vilo noch einmal wild in die Arme.
„Wie hast du es geschafft, hierher zu kommen?“ fragte Vilo dann.
„Erst wollte ich es mit dem Wagen versuchen, aber ich bin im Stau untergegangen...!“ begann sie. „Fast hätte ich umkehren müssen. Aber dann habe ich Hilfe bekommen!“
„Hilfe? Von wem?“
Kaleena hatte bereits Esha in der Tür zum Konferenzraum, in den sie der Wachhabende geführt hatte, nachdem sie angekommen waren, erkannt. Auch Kabus erschien und trat direkt hinter sie. „Von den beiden!“ Kaleena deutete zum Konferenzraum.
Vilo folgte ihrem Zeichen und sofort erhellte sich sein Blick erneut. „Esha!“ rief er, ging auf sie zu und drückte sie ebenfalls kräftig.
„Hallo Vilo!“ erwiderte sie, doch merkte man ihr an, dass sie Schwierigkeiten hatte, unter Vilos Umarmung zu sprechen.
„Mann bin ich froh, dass ihr euch gefunden habt!“ sagte Vilo, nachdem sie sich wieder getrennt hatten. „Das muss sofort Shamos erfahren!“ Er drehte sich zu dem Wachhabenden und der junge Mann trat zu ihm.
„Shamos!“ Eshas Gesicht war urplötzlich wie versteinert. Das Wort war kaum mehr als ein Hauchen. Es schien, als wäre eine zentnerschwere Last ruckartig auf sie hernieder gegangen. Ihr ganzer Körper sackte einige Zentimeter in sich zusammen.
Kaleena erkannte das und trat sofort zu ihr, wodurch auch Vilo darauf aufmerksam wurde. „Was ist los?“ fragte er ehrlich überrascht.
Kaleena wartete eine Sekunde, doch Esha brachte kein Wort heraus. „Shamos...lebt?“
„Ja!“ Vilo schaute Kaleena irritiert an, bis ihm einfiel, dass es weder seine Frau und ganz besonders Esha doch gar nicht wissen konnten. „Oh ja!“ Er drehte sich zu Esha und nahm ihre Hände, die schlaff am Körper herab hingen, in die seinen. „Shamos lebt. Ja, er lebt!“ Er wartete bis Esha ihn ansah. „Hörst du Esha? Shamos lebt!“
Und irgendwie gelang es ihm tatsächlich, zu Esha durchzudringen. Seine Worte drangen in sie ein und lösten die Verkrampfung, die sich in ihr gebildet hatte, schlagartig auf. Sie lächelte erfreut, während Tränen aus ihren Augen rannen.
„Und wie er lebt!“ sagte Vilo weiter.
Esha ließ ihren Kopf auf Vilos Brust sinken und für einen Moment ihren Freudentränen vollen Lauf. Dann fing sie sich wieder. „Wo...?“ Sie schnaufte noch einmal. „Wo ist er jetzt?“
„Er ist zusammen mit Jorik...!“
„Jorik?“ platzte Kaleena heraus. „Jorik ist auch bei ihm?“ Sie lächelte erfreut.
Vilo nickte. „Sie müssen sich hier irgendwie begegnet sein und sind dann zu Imrix geflüchtet. Dort haben sie ein Flugboot genommen und sind hierher zurückgekehrt. Sie haben am Flughafen eine Rettungsaktion durchgeführt und über vierhundert Menschen aufgenommen. Sie wollten sie zu Imrix in Sicherheit bringen, aber der Feind war schon vor ihnen da. Deshalb sind sie jetzt auf dem Weg nach Kimuri!“ Vilo drehte sich zu dem Wachhabenden um, der die ganze Zeit über stumm neben ihnen gestanden hatte und sich von der allgemeinen Freude sogar anstecken ließ. „Geben sie die Nachricht an die Amarula weiter, dass Esha und Kaleena jetzt hier im Hauptquartier sind!“ Der Wachhabende nickte und wandte sich zum gehen. „Und das sie wohlauf sind!“ fügte Vilo noch hinzu. Der junge Captain nickte und verschwand dann endgültig.
„Ich wette, wenn Shamos hört, dass du hier bist, kommt er zurück, sobald sie ihre Mission auf Kimuri beendet haben!“
Esha nickte grinsend und fröhlich.
„Aber...!“ Kaleena hielt plötzlich inne. „Wo ist Alisha?“
„Stimmt!“ Esha verlor ihr Lächeln augenblicklich. „Jorik würde niemals fortgehen, ohne sie!“
Beide schauten Vilo fragend an.
„Ich habe wirklich keine Ahnung, wo Alisha ist!“ erwiderte er sofort und fühlte sich nicht wohl in seiner Haut, weil ihm erst jetzt auffiel, dass er sich darüber noch überhaupt keine Gedanken gemacht hatte, er aber wusste, dass Esha Recht hatte: Jorik wäre niemals ohne Alisha geflüchtet. „Vielleicht ist sie ja doch bei ihm oder irgendwo sonst in Sicherheit!“ versuchte er die möglichen schlimmen Tatsachen einfach wegzureden.
„Vielleicht ist sie aber auch...!“ setzte Esha an, doch sie verstummte wieder, weil sie dieser Gedanke selbst zu sehr erschreckte. Geschockt schaute sie zu Kaleena, dann zu Vilo.
Vilo atmete tief durch. „Ich werde es in Erfahrung bringen!“ sagte er entschieden.
„Hast du auch etwas von Mavis und Melia gehört?“
Vilos Blick wurde plötzlich sehr traurig. „Ja, hab ich!“
„Was ist mit ihnen?“ fragte Kaleena sofort und in ihrer Stimme schwang Unheil mit.
„Mavis ist auf den Hügeln im Süden und befehligt seine Truppen...!“
„Und Melia?“ schaltete sich auch Esha ein.
„Melia...!“ Vilo schluckte einmal. „...ist verschwunden!“
„Oh mein Gott!“ Kaleena war sofort entsetzt.
„Er war mit ihr im Stadion, als die Anomalie auftauchte. Durch eine Explosion wurden sie getrennt. Mavis verlor das Bewusstsein. Als er wieder aufwachte, war Melia verschwunden!“
Esha schaute Vilo einen Moment an. „Das heißt aber auch, sie kann noch am Leben sein!“
Vilo nickte zögerlich. „Natürlich...! Aber die Zerstörungen um das Stadion sind erschreckend. Es ist schwer vorstellbar, dass dort jemand...!“ Er senkte den Kopf.
Kaleena und Esha verfielen stumm in Gedanken.
„Mavis wird sie wieder finden. Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben!“ sagte Esha mehr zur Bestätigung für sich selbst.
„Du hast Recht!“ erwiderte Vilo. „Sie wird sich irgendwo in Sicherheit gebracht haben. Alles andere ist absolut inakzeptabel!“ Er nickte und schaute aufmunternd in die Runde.
Dabei fiel sein Blick auf Kabus, der sich bislang stumm im Hintergrund gehalten hatte. „Wer sind sie denn?“ fragte er sofort.
„Mein Name ist Kabus!“
„Er hat uns hierhergeflogen!“ erwiderte Kaleena.
Vilo schaute Kabus einen Moment lang musternd an, dann reichte er ihm mit einem Nicken die Hand. „Captain Kabus! Sie waren Mitglied der Storp-Einheit!“
„Das ist lange vorbei!“ Kabus erwiderte den Händedruck des Nuri.
„Ich denke, es war ein Fehler, die Einheit zu verlassen. Sie waren eindeutig nicht Schuld an dem Unfall!“
„Ich sehe das etwas anders!“ erwiderte Kabus und schaute Vilo geradeheraus in die Augen.
Vilo hielt einen Moment inne, dann nickte er wieder. „Jedenfalls danke dafür, dass sie auf die beiden Mädchen so gut aufgepasst haben. Ich denke, sie waren bei ihnen in guten Händen!“
„Das hoffe ich...!“ Kabus grinste zufrieden.
„Was macht ein ehemaliger Captain der Storp-Einheit jetzt?“
„Ich habe alte Maschinen aus Kos Kampalot aufgekauft, instandgesetzt und wieder verkauft!“
„Davon kann man leben?“
Kabus nickte. „Es füllt den Magen!“
„Und was haben sie jetzt vor?“
„Ich möchte bei den Evakuierungsmaßnahmen behilflich sein. Falls noch jemand gebraucht wird!?“
Vilo lachte einmal müde auf. „Sicher! Aber ich könnte sie auf der Kamarulu und in einem Jäger wohl besser gebrauchen!“ Er schaute Kabus fordernd an.
Doch das Gesicht seines Gegenübers blieb ausdruckslos, als er langsam den Kopf schüttelte. „Nein! Lassen sie mich an den Rettungsmaßnahmen teilhaben oder...ich mach es auf eigene Faust!“
Vilo schaute ihm einen Moment direkt in die Augen, dann nickte er. „Wie sie wollen. Ich werde sie den Rettungstrupps am Hafen zuteilen!“ Er deutete auf einen jungen Offizier auf der rechten Seite des Raumes. „Er koordiniert die Einsätze. Wenden sie sich an ihn!“
Kabus nickte. „Vielen Dank! Es hat mich gefreut, sie kennen zu lernen!“ Er nickte Vilo zu, dann wandte er sich an Kaleena. „Ihr Mut ehrt sie. Und ich sehe ein, wofür sie ihr Leben riskiert haben. Sie haben richtig gehandelt!“ Er umarmte sie kurz, dann schaute er nochmals zu Vilo. „Passen sie gut auf sie auf!“
Vilo nickte. „Das werde ich!“
Schließlich drehte sich Kabus zu Esha. „Hier trennen sich unsere Wege!“
Esha sagte zunächst nichts, sondern schaute ihm nur in die Augen. Sie hatte längst erkannt, dass Kabus sie attraktiv fand. Auch sie mochte ihn. Aber ihr Herz gehörte eindeutig Shamos, dessen war sie sich ganz sicher. Und doch wollte sie aus irgendeinem Grunde nicht, dass Kabus jetzt wegging. Zumindest noch nicht. Sie schüttelte deshalb den Kopf. „Ich werde mitkommen!“
„Was?“ fragte Kabus überrascht.
„Was?“ fragten auch Kaleena und Vilo wie aus einem Munde.
„Jetzt, wo ich weiß, dass Shamos lebt, bin ich beruhigt. Aber ich kann nicht hier sitzen und darauf warten, bis er zurückkommt. Da draußen ist noch immer die Hölle los. Ich kann nicht zusehen, wie Menschen sterben, weil sie keine Hilfe bekommen. Ich muss mitkommen und meinen Teil dafür tun!“ Esha schaute alle drei an und erkannte, dass sie sie mit großen Augen anstarrten.
„Aber...das ist doch viel zu gefährlich!“ sagte Vilo.
Esha schüttelte den Kopf. „Kabus wird dafür sorgen, dass wir nicht in Gefahr kommen, richtig?“
Kabus nickte. „Ich kann es versuchen!“
Esha lächelte. „Na also!“
„Esha hat Recht!“ sagte Kaleena plötzlich.
„Was?“ Vilo fragte nach, weil er sie nicht verstanden hatte.
„Ich werde auch mitkommen!“
„Was?“ Jetzt hatte Vilo sie verstanden. „Aber warum?“
Kaleena schaute ihn einen Moment ausdruckslos an. „Weil ich auch meinen Teil dafür tun muss!“
Vilo schüttelte den Kopf, wollte etwas erwidern, doch in den Augen seiner Frau konnte er sehen, dass ihr Entschluss feststand. „Aber ich brauche dich hier bei mir!“ sagte er kraftlos.
„Ich bin bei dir!“ Sie lächelte. „Da drin!“ Sie deutete auf sein Herz. „Da bringt mich nichts und niemand je wieder raus. Aber ich würde hier nur stören, das weißt du. Du hast Wichtigeres zu tun, als dich um mich zu kümmern. Und so können wir beide etwas dafür tun, dass dieses schreckliche Leid endlich aufhört. Ich verspreche dir, wir werden auf uns aufpassen. Kabus ist ein ausgezeichneter Pilot. Bei ihm sind wir in guten Händen. Also...!“ Sie wartete, bis sich ihre Augen trafen. „...lass mich gehen...bitte!“
Vilo erwiderte ihren Blick. Ihm war klar, dass Kaleena Recht hatte, doch war der Wunsch sie hier zu behalten einfach viel zu groß. „Also gut!“ Er blickte zu Boden. „Wenn du es wirklich so willst, dann geh!“
Kaleena lächelte und umarmte Vilo wieder kräftig. „Ich liebe dich!“ Sie küsste ihn erneut leidenschaftlich.
Vilo lächelte, dann blickte er zu Kabus. „Jetzt passen sie wieder gut auf sie auf!“
Kabus musste grinsen. „Ich werde mein Bestes tun!“
„Na, dann sind wir uns ja alle einig!“ sagte Esha. „Sag Shamos, dass es mir gut geht!“ wandte sie sich an Vilo. „Aber sag ihm auch, dass ich hier nicht rumsitzen kann. Er wird es verstehen!“
Vilo nickte. „Keine Sorge. Ich werde es ihm schon erklären!“
„Wir bleiben in Verbindung!“ sagte Kabus. „Ich werde sie regelmäßig auf dem Laufenden halten!“
Vilo nickte ihm dankbar zu.
Während Kabus zu Biggs in den Konferenzraum ging, verabschiedete sich Vilo zunächst kurz von Esha und dann ausgiebig von Kaleena.
Als Kabus mit Biggs aus dem Raum trat, löste Kaleena die Umarmung. Zusammen mit Biggs und Esha ging sie zurück zum Transporter. Kabus holte sich von dem Einsatz-Offizier entsprechende Instruktionen.
Vilo schaute ihnen lange hinterher und war noch immer unschlüssig, ob er Kaleena wirklich gehen lassen sollte. Doch er verwarf diesen Gedanken wieder. Er konnte und durfte Kaleenas Entscheidung nicht anzweifeln, er musste sie akzeptieren. So schwer es ihm auch fiel. Mit Kabus hatten sie zumindest einen wirklich guten Piloten und er vertraute darauf, dass er sie nicht unnötig in Gefahr bringen würde.
Dennoch blieb das ungute Gefühl, etwas getan oder besser zugelassen zu haben, was sich letztlich als großer Fehler erweisen könnte.
Er hoffte inständig, dass es nicht dazu kommen würde.
Dann zwang er sich, sich wieder seiner Arbeit zuzuwenden und drehte sich weg vom Eingang.
Er ließ sich schnell einen Situationsbericht vom Wachhabenden geben, dann fiel ihm plötzlich wieder ein, dass er ja etwas in Erfahrung bringen wollte.