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2. Einheitliches oder selbstständiges Verfahren

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Auch juristischen Personen und Personenvereinigungen können im Bußgeldverfahren als Nebenfolge einer Ordnungswidrigkeit Rechtsnachteile erleiden. Im Bußgeldverfahren der BaFin droht betroffenen Gesellschaften in erster Linie die Verhängung einer Verbandsgeldbuße[58] gem. § 30 OWiG.[59] Die Verhängung der Verbandsgeldbuße kann in zwei Verfahrensweisen vorgenommen werden. Die BaFin hat eine Wahlmöglichkeit:[60]

- Ahndung im einheitlichen Verfahren, d.h. die Verbandsgeldbuße gegen die Gesellschaft wird im Bußgeldverfahren gegen den Täter der Anknüpfungstat in einem einheitlichen Bußgeldbescheid verhängt, § 30 Abs. 1 OWiG.
- Ahndung im selbstständigen Verfahren, d.h. die Verbandsgeldbuße wird gegen die Gesellschaft als Nebenbeteiligte verhängt, § 30 Abs. 4 OWiG, ohne dass zusätzlich der Täter der Anknüpfungstat bebußt wird.

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Das selbstständige Verfahren ist nachrangig, d.h. es darf nur dann durchgeführt werden, wenn das Verfahren gegen den Vertreter der Gesellschaft nicht eingeleitet, von einer Ahndung abgesehen oder das Verfahren eingestellt worden ist (§ 30 Abs. 4 S. 1 OWiG). Unzulässig wäre daher die Verfolgung von Betroffenen und betroffener Gesellschaft in getrennten Verfahren.[61] Wurde also zunächst nur gegen das Organ der betroffenen Gesellschaft ein Bußgeldverfahren geführt und wurde das Verfahren mit rechtskräftigem Bußgeldbescheid abgeschlossen, ist die nachträgliche Verhängung der Verbandsgeldbuße ausgeschlossen.[62]

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Das Bußgeldverfahren wird nicht „gegen“ die Gesellschaft geführt. Diese bleibt im selbstständigen Verfahren prozessual vielmehr der Verfahrensstellung einer Nebenbeteiligten angenähert,[63] obwohl kein Verfahren gegen einen Betroffenen als „Hauptbeteiligten“ geführt wird. Die Bezeichnung „Nebenbeteiligte“ ist aus diesem Grund unpräzise, weshalb in der Rechtsprechung nach § 30 OWiG sanktionierte Unternehmen im selbstständigen Verfahren gleichwohl als Betroffene[64] oder als Nebenbetroffene[65] bezeichnet werden. Auch die BaFin erfasst in ihren WpHG-Bußgeldleitlinien alle an den Zuwiderhandlungen beteiligte Personen (auch Unternehmen) begrifflich als „Betroffene“[66]. In anderen Veröffentlichungen verwendet sie zum Teil den Begriff der „betroffenen Gesellschaft“.[67] In prozessualer Hinsicht ist die fehlerhafte Bezeichnung folgenlos: Nach OLG Hamm führt die terminologisch ungenaue Bezeichnung der juristischen Person als „Betroffene“ nicht zur Unwirksamkeit des Bußgeldbescheids.[68]

Dass juristische Personen und Personenvereinigungen im Gesetz als Nebenbeteiligte bezeichnet werden (vgl. § 66 Abs. 1 N. 1 2. Var. OWiG), liegt zum einen daran, dass Unternehmen nach bisherigem Verständnis nicht Täter oder Teilnehmer von Ordnungswidrigkeiten sein können. Zum anderen dürfte dies mit der Grundannahme des Gesetzgebers zusammenhängen, nach der die Verbandsgeldbuße in der Regel im einheitlichen Verfahren verhängt werden soll, in dem Unternehmen lediglich (neben-)beteiligt (vgl. § 444 Abs. 1 StPO; § 470 StPO) werden.[69]

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In der Bußgeldpraxis der BaFin hat sich indes die gegenteilige Übung herausgebildet. Das ihr eingeräumte Entschließungs- und Auswahlermessen übt sie dahin aus, vorrangig das selbstständige Verfahren zu betreiben und Ermittlungen gegen das Leitungsorgan entweder schon nicht einzuleiten oder einzustellen.[70] Erwägungsgründe der BaFin dafür sind, dass sich die kapitalmarktrechtlichen Handlungsgebote ohnehin primär an die Gesellschaften als Verpflichtete richteten.[71] Auch habe der Gesetzgeber das Höchstmaß der Bußgeldandrohung im Kontext der Ad-hoc-Publizität vorrangig an vermögenden Normadressaten ausgerichtet, zu denen börsennotierte Gesellschaften regelmäßig gehörten.[72]

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Das einheitliche Verfahren und damit die Verfolgung auch der Leitungsorgane der Gesellschaft wählt die BaFin nur ausnahmsweise.[73] Die Ahndung handelnder Personen soll etwa dann opportun sein, wenn sie Pflichten wiederholt oder vorsätzlich verletzt haben oder wenn die Taten einen erheblichen Unrechtsgehalt aufweisen, das über das Ausmaß gewöhnlicher Regelverstöße hinausgeht.[74]

Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht

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