Читать книгу Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht - André-M. Szesny - Страница 43
b) Anhörung der Organe der Gesellschaft
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In der Praxis erfolgt neben der Anordnung der Verfahrensbeteiligung häufig zugleich die erforderliche Anhörung der Gesellschaft als Nebenbeteiligte gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 444 Abs. 2 S. 2, 426 Abs. 2 StPO.[120] Die Anhörung der Gesellschaft findet nach den Vorgaben des § 55 Abs. 1 OWiG statt, sodass die Gelegenheit zur Äußerung ausreichend ist.
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Das Anhörungsschreiben ist nach h.L. an das nicht betroffene vertretungsberechtigte Organ zu richten. Denn wegen unauflösbarer Interessenkonflikte sei das Organ, gegen das sich das Verfahren persönlich richtet, von der Vertretung der betroffenen Gesellschaft ausgeschlossen (Rechtsgedanke aus § 112 AktG; § 52 GmbHG).[121] Auch der 1. Strafsenat des BGH verneint, dass das beschuldigte bzw. angeklagte Organ die von einer Geldbuße nach § 30 OWiG betroffene Gesellschaft in demselben Strafverfahren wirksam vertreten kann.[122] Das BVerfG hat im Kontext der Zustellung von Schriftstücken im Zivilprozess hingegen in einer im Ausgangspunkt vergleichbaren Situation die Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG einer Personenhandelsgesellschaft bejaht. In dem Fall wurde ein Vollstreckungsbescheid an die durch den Geschäftsführer vertretene Gesellschaft zugestellt, wobei der Geschäftsführer zuvor die dem Vollstreckungsbescheid zugrunde liegende Forderung an den Gläubiger abgetreten hatte. Das BVerfG entschied, dass durch die Zustellung zu Händen des Geschäftsführers den Verteidigungsmöglichkeiten der Gesellschaft und damit ihr Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gem. Art. 103 Abs. 1 GG ausreichend Rechnung getragen sei.[123] Dem stehe nicht entgegen, dass ihr gesetzlicher Vertreter den Interessen der Gesellschaft zuwiderhandeln könnte, denn ein solcher Missbrauch liege im Risikobereich der Gesellschaft, die sich ihre Vertreter eigenverantwortlich auswähle; dies könnte allenfalls Schadensersatzansprüche auslösen.[124] Ob diese Entscheidung auf das einheitliche Verfahren im Ordnungswidrigkeitenrecht ohne Weiteres zu übertragen ist, mit der Folge, dass das Anhörungsschreiben auch an das betroffene Organ der Gesellschaft unter Wahrung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör übersandt werden kann, ist zweifelhaft. Denn die Verhängung der Verbandsgeldbuße ist eine bußgeldrechtliche Sanktion eigener Art[125], die über die bloße Zahlungsverpflichtung hinaus für die Gesellschaft erhebliche Folgen haben kann. Aus diesem Grund werden im Bußgeldverfahren – zumindest im Kontext der Anhörung – höhere Anforderungen zu stellen sein, um dem Anspruch des rechtlichen Gehörs der Gesellschaft zu genügen. Ungeachtet solcher Bedenken sollte schon deshalb von der Anhörung des betroffenen Organs für die Gesellschaft abgesehen werden, um mögliche Folgeprobleme zu vermeiden.[126]
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Folgt man der vorzugswürdigen h.L. und ist der Betroffene alleinvertretungsberechtigtes Organ der Gesellschaft, wird im Schrifttum angeraten, der betroffenen Gesellschaft einen Notvertreter (§ 29 BGB)[127] oder einen notwendigen Rechtsbeistand gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 428 Abs. 2 StPO zu bestellen,[128] und diese Personen für die Gesellschaft anzuhören. Die Bestellung eines notwendigen Rechtsbeistands in dieser Situation deckt indes die Widersprüchlichkeit auf, wenn die h.L. bei der Vertretung der Gesellschaft durch das betroffene Organ eine – die Vertretung ausschließende – Interessenkollision erkennt, es im Kontext des § 146 StPO aber zulässig sein soll, dass derselbe Verteidiger mangels einer Interessenkollision sowohl den Betroffenen als auch die betroffene Gesellschaft in demselben Verfahren prozessual vertreten können soll.[129] Ungeachtet dessen kann in den Fällen des alleinvertretungsberechtigten, aber von der Vertretung ausgeschlossenen Organs die Möglichkeit gegeben sein, dem Passivvertreter der Gesellschaft die Gelegenheit der Stellungnahme (§ 55 OWiG) einzuräumen.[130] So liegt es im Fall eines betroffenen Alleinvorstands der Aktiengesellschaft, an dessen Stelle der Aufsichtsrat (Rechtsgedanke aus § 78 Abs. 2 S. 2 AktG) angehört werden kann, um das Recht auf rechtliches Gehör der betroffenen Gesellschaft zu wahren. Entsprechend § 78 Abs. 2 S. 3 AktG kann das Anhörungsschreiben sodann an die im Handelsregister eingetragene Geschäftsanschrift der Gesellschaft gesendet werden.
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Unterlässt die BaFin die Anhörung der betroffenen Gesellschaft im Ermittlungsverfahren, wird die Gewährung des rechtlichen Gehörs nach Erlass und wirksamer Zustellung des Bußgeldbescheids durch die Gelegenheit der Einspruchseinlegung nachgeholt werden können.