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5. Ladung und Vernehmung von Zeugen

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Die BaFin kann Auskunftspersonen als Zeugen vernehmen, § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 48 ff. StPO. Zeugen unterliegen der Pflicht zum Erscheinen vor der BaFin sowie zur wahrheitsgemäßen Aussage.[137]

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Erscheinen die Zeugen trotz ordnungsgemäß zugestellter Ladung (zumeist per PZU) nicht, kann die BaFin gegen sie ein Ordnungsgeld festsetzen, §§ 46 Abs. 2 OWiG i.V.m. §§ 161a Abs. 2, 51 Abs. 1, 77 Abs. 1 StPO. Die zwangsweise Vorführung darf hingegen nur der Richter anordnen, § 46 Abs. 5 OWiG. In einem solchen Fall muss die BaFin bei dem zuständigen Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Frankfurt a. M. (vgl. § 162 Abs. 1 StPO) einen Antrag auf richterliche Anordnung der Vorführung beantragen, wenn diese Maßnahme zuvor dem Betroffenen oder dem Zeugen angedroht worden war. Nach Erlass wird die richterlich angeordnete Vorführung des Zeugen durch die Polizei vollstreckt.

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Zwangsmittel können auch angedroht werden, wenn der Zeuge unberechtigt die Aussage verweigert. Berechtigt ist die Aussageverweigerung, wenn der Zeuge ein Auskunftsverweigerungsrecht (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 55 StPO) oder ein Zeugnisverweigerungsrecht (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 52 ff. StPO) hat. Während der Zeuge über das Auskunftsverweigerungsrecht nicht selten zu belehren ist (§§ 46 OWiG, § 55 Abs. 2 StPO), muss der Zeuge über sein Zeugnisverweigerungsrecht erst dann belehrt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er Angehöriger des Betroffenen ist.[138]

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Im Bußgeldverfahren ist es wegen des nach § 47 Abs. 1 OWiG der BaFin eingeräumten Verfolgungsermessens grundsätzlich möglich, gegenüber dem zur Auskunftsverweigerung berechtigten Zeugen eine Nichtverfolgungszusage zu erklären, um die Verfolgungsgefahr im Sinne des § 55 StPO für diesen Zeugen auszuschließen.[139] Hierin würde sich die BaFin verpflichten, nicht gegen den § 55-Zeugen zu ermitteln, um dessen Aussagebereitschaft trotz Verfolgungsrisikos zu erhöhen.

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Vertiefung (Zur Nichtverfolgungszusage im Bußgeldverfahren)

Die Zulässigkeit von Nichtverfolgungszusagen im Bußgeldverfahren ist nicht unumstritten.[140] Das Bundeskartellamt nutzt sie im Kartellbußgeldverfahren zur verbesserten Sachverhaltsaufklärung.[141] Die Nichtverfolgungszusage ist neuerdings in § 59 Abs. 4 GWB geregelt. Die Voraussetzungen sowie die Bindungswirkung sind in der Rechtsprechung nicht geklärt.[142] Der Gesetzgeber geht davon aus, dass mit der Nichtverfolgungszusage ein Vertrauenstatbestand geschaffen wird, der nach den Grundsätzen eines fairen Verfahrens und dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens eine Selbstbindung der Behörde bewirkt.[143] Solange die zulässigen Grenzen des Ermessens nicht überschritten sind, darf die Behörde von der gegebenen Zusicherung nicht wieder abweichen.[144] Bei Ausübung des Verfolgungsermessens soll neben der Bedeutung des Verstoßes und der Rolle des Betroffenen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Verfahrensaufwands und das Interesse an der Aufklärung und Ahndung schweren Unrechts Berücksichtigung finden können. Dementsprechend kann es nach der Vorstellung des Gesetzgebers angemessen sein, mit einer Nichtverfolgungszusage das Ziel zu verfolgen, an eine wahrheitsgemäße Aussage zu gelangen, die geeignet ist, in Bezug auf einen Anderen den Nachweis einer schweren Ordnungswidrigkeit zu erleichtern und insbesondere die Verhängung abschreckend hoher Bußgelder gegen Gesellschaften zu ermöglichen.[145] Ob und inwieweit die Nichtverfolgungszusage bei der Aufklärung von kapitalmarktrechtlichen Ordnungswidrigkeiten sinnvoll sein kann, ist in der Praxis – soweit ersichtlich – bislang nicht erprobt.

Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht

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