Читать книгу Jetzt spinnen wir um die Wette, Henriette! - Andrea Charlotte Berwing - Страница 10

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Von Halle nach Berlin

Henriette liegt in ihrem Bett. Ihr rechtes Bein fühlt sich schwer an, es ist eingegipst. Viele Stunden verbringt sie nun allein zu Hause, der Schulweg ist noch zu beschwerlich. Tschibi, der kleine Wellensittich, leistet ihr immerhin Gesellschaft. Zusammen haben sie viel Spaß. Wenn Henriette durch die Wohnung humpelt, läuft er ihr langsam hinterher. Henriette muss vorsichtig sein, bei so einem kleinen Vogel. Henriettes Vater kommt, obwohl sie krank ist, weiterhin nur alle zwei Wochen nach Hause zu seiner Familie. Er muss arbeiten und studieren. Jetzt hat Henriette viel mehr Zeit, ihn zu vermissen. Nach vier Wochen kommt der Gips ab. Ihr Bein sieht schneeweiß aus, die Haut schuppt sich. Es fällt ihr schwer, sich wie früher zu bewegen. Außerdem erscheint ihr das rechte Bein dünner zu sein. So wie der Kontakt zur Welt. Ihre Freunde müssen sie vergessen haben, draußen lacht die Sonne, niemand besucht sie. Nun ist sie es, die bei Lena klingelt.

„Kommt Lena raus, hier ist Henriette.“ Sie steht unten an der Haustür Nummer fünf, das Bein kribbelt.

„Henriette!“, eine scharfe Stimme tönt aus der Sprechanlage in Halle.

„Ja?“ Henriette ist unsicher.

„Ihr geht nicht auf die Baustelle, versprochen!“, die Stimme des Vaters von Lena klingt bedrohlich.

„Nein, das tun wir nicht. Ich hab meinen Kreisel mit.“

„Gut, dann nimmt Lena ihren auch mit. In fünf Minuten ist sie da.“

Die beiden Mädchen begrüßen sich schüchtern, das Erlebnis auf der Baustelle sitzt noch in den Knochen. Sie laufen zusammen auf den Platz vor dem Zentrum, der mit breiten Betonplatten ausgelegt ist, auf die die Sonne knallt. Dann schlagen sie mit ihren kleinen Peitschen die Kreisel an, die sich lustig drehen. In Halle, auf einem Platz zwischen Zentrum, Sand und Neubauten.

Plötzlich ziehen sich Wolken zusammen, die vorher wie kleine Wattebällchen über ihnen dahingezogen waren. Aus der Ferne grollt der Donner. Dann bricht sich das Wasser Bahn und schlägt in Massen auf dem Boden auf. Plötzlich sind viele Kinder auf der Straße. Henriette und Lena laufen zu ihrem Haus. Rasch entledigen sie sich ihrer Sachen, es ist schwül. Die Baupfützen vor dem Haus füllen sich schnell. Henriette badet und es kommt ihr vor, als wäre sie in Bulgarien am Meer im Urlaub. Die Kinder plantschen begeistert, bespritzen sich gegenseitig und kreischen. Henriette fühlt sich wieder heimisch. Beim Abendbrot eröffnet ihr die Mutter, dass sie nach Berlin ziehen werden. Zum Vater. Susanne freut sich, Henriette schaut aus dem Fenster und den weißen Wattebällchen nach.

Jetzt spinnen wir um die Wette, Henriette!

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