Читать книгу Jetzt spinnen wir um die Wette, Henriette! - Andrea Charlotte Berwing - Страница 19
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Lea hört wie aus der Ferne bekannte Stimmen und Klänge und eine Sprache die auf ihrer Haut eine Gänsehaut erzeugt. Eine Frau rast auf sie zu und umarmt sie. Lea schaut sie mit großen Augen an, die Frau kneift ihr in die Schultern und ist außer sich vor Freude. Es ist ihre Mutter. Lea nimmt die Silhouette eines großen Mannes wahr, der aufmerksam in ihre Richtung schaut. Neben ihm eine kleine gebeugte Frau, Bernadette, ihre Großmutter. Über die so viel erzählt wurde bei Iris und Bernd. Lea hält den Griff ihres lilafarbigen Koffers ganz fest, den Iris zusammen mit ihr für ihre Rückreise gekauft hat.
„Meine Lea, du hast mir so gefehlt, du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr du mir gefehlt hast. – Okkoz – vier Jahre, Ma tolahed? Wie geht es dir? Anshahi d! Verzeih mir! Anshahi d!“
Instinktiv erinnerte sich Lea noch daran, dass es bei dem Stamm ihres Vaters nicht üblich ist, darauf zu antworten. Ganz im Gegensatz zu Bernd und Iris. Wenn man um Verzeihung für etwas bittet, gibt es immer eine Antwort. Jetzt fallen Lea die Tränen von Iris ein, der schwere Moschusduft ihrer Haare beim Abschied. Ihre Tränen, die Tränen einer Mutter. Und Bernd, der wahrscheinlich vor vier Jahren noch nicht ahnte, wie viel es ihm bedeutete, Lea in seiner Familie zu haben, und dessen Liebe und Achtung zu Iris stetig wuchs. Wenn auch das ein ungleicher Vergleich war, hat Bernd doch Iris vom ersten Augenblick an geliebt, wie sie Lea oft erzählten. Iris dagegen hat Bernd erst lieben gelernt. Er hat sie lange und mühsam erobern müssen. Fast nicht mehr dran geglaubt.
Lea sieht ihren Vater, der ihr wohlwollend unter seinem Turban zuzulächeln scheint, auch wenn Lea seine Nase und seinen Mund mit den markanten Wangenknochen nicht sehen kann. Er steht aufrecht und stolz in der Flugplatzhalle, deren Seitenwände immer noch offenstehen, Menschen in bunten Kleidern laufen rechts und links an ihm vorbei. Kein Wind, kein Sandsturm und kein Mensch haben ihren Vater jemals gebeugt gesehen. Lea ist vom Redeschwall Nanas überfordert. Sie ist müde und umarmt Nana sanft. Nana nimmt sie an die Hand und zieht sie zu ihrer Großmutter, die mindestens einen Kopf kleiner als Nana ist, jedenfalls kommt ihr das auf die Entfernung so vor. Doch jetzt, wo sie vor ihrer Großmutter steht, sehen sie sich auf Augenhöhe an. Die runzeligen Hände Bernadettes umrahmen das Gesicht Leas, dann küsst sie sie zweimal auf jede Wange. Lea spürt die warmherzige Art der Großmutter und langsam beginnt sie sich heimisch hier zu fühlen. Sie riecht den alten Vater Wüstenwind, der sich über das ganze herrschaftliche Land erstreckt und gibt ihrem Vater die Hand. Der Vater beugt sich urplötzlich zu ihr hinunter und umarmt sie fest.
„Endlich bist du wieder hier, endlich! Herzlich willkommen!“
Lea spürt es, als würde sie etwas Salziges auf ihren Lippen schmecken. Die Tränen ihres Vaters?