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II
Die Hochburg im Untergrund Ein junger Jude auf der Flucht

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Michael Tagliacozzo verließ seine Wohnung im Gianicolo-Viertel schon ein paar Tage vor dem 16. Oktober. Er spürte, dass er in Gefahr war, und ahnte, wie die Deutschen zu den Juden standen. Ein Ukrainer, der zu den Italienern übergelaufen war und die russische Emigrantenkirche Roms in der Via Palestro besuchte, hatte ihm die Augen geöffnet: Die Juden wurden massenweise umgebracht. Der junge Mann hatte einen deutschen Baptistenpastor darauf angesprochen, der jedoch merkwürdig ausweichend reagiert hatte. Nachdem am 23. September 1943 die Jahrgänge 1910 bis 1922 zur Zwangsarbeit einberufen worden waren, beschloss er, sich im Haus seiner (jüdischen) Verlobten in der Via Adalberto im Viertel Nomentano zu verstecken. Am 2. Oktober 1943 hörte er in einer Radiosendung der BBC, dass man in Dänemark Jagd auf die Juden machte, und da war ihm klar: Er musste untertauchen. „Anfangs dachten alle, ich übertreibe, denn hatten die Deutschen nicht das Gold bekommen und zu verstehen gegeben, dass sie sich an der jüdischen Bevölkerung nicht mehr vergehen würden […]?“, erinnerte er sich. Jedoch konnte nicht für alle seine Angehörigen ein Unterschlupf gefunden werden. So blieb er bei ihnen. Tagliacozzo schrieb:

Dann kam der tragische 16. Oktober. Um 6.15 Uhr morgens lagen wir noch in unseren Betten, als bewaffnete SS-Männer die Wohnung im Zwischengeschoss unseres Wohnhauses stürmten. Dann hämmerte es wiederholt gegen unsere Tür und Mama machte auf. Während sie laut das von den Schergen vorgelegte Schreiben vorlas, gelang es ihr „Rehsudde“ zu sagen, was in der jüdischen Mundart „fliehen“ bedeutet. Ich sprang sofort aus dem Bett, noch im Pyjama, und ließ mich durch das Fenster jenes Zimmers herab, das auf die Gärten des Gebäudes hinausging. Die nichtjüdischen Bewohner des Häuserblocks verstanden sofort, dass der Einsatz sich nur gegen die Juden richtete, und versuchten uns zu helfen, so gut sie konnten. Eine einfache Waschfrau aus dem dritten Stock wies mich an, nach oben zu kommen und mich in ihrer Wohnung zu verstecken. Nach ungefähr einer halben Stunde brachte mir jemand Kleidung und genau in dem Moment hörte ich, wie eine Frau rief: „Die arme Frau Grazia! Die Deutschen bringen sie und ihre Kinder weg!“1

So begann Tagliacozzo an jenem Tag vor dem Tod zu fliehen. Doch wie viele andere wusste er in jenen bangen Stunden nicht, wohin er gehen sollte. Es war alles andere als einfach, ein Versteck zu finden, wenn die Menschen aus dem eigenen Umfeld entweder schon verhaftet oder selbst in Gefahr waren. So konnte man sich nur noch an Freunde wenden. Wegen der großen Lebensmittelknappheit war es jedoch schwierig, jemanden bei sich aufzunehmen. Roberto Spizzichino berichtete: „Jemanden in jener Zeit zu beherbergen, bedeutete, mit ihm den Hunger zu teilen – und nicht alle konnten sich das erlauben.“2

Jener 16. Oktober war ein verregneter Tag, daran erinnerten sich viele. Tagliacozzo streifte durch die Straßen Roms. Die Razzia der Deutschen endete gegen 14 Uhr. Um 15 Uhr wurden die im Collegio Militare zusammengepferchten Juden nach Männern und Frauen getrennt. Doch natürlich ahnte kein Römer damals, was mit ihnen passierte, auch wenn schon bald die ersten Gerüchte kursierten. Auf seinem Streifzug durch die Stadt gelangte der junge Tagliacozzo irgendwann zur Lateranbasilika. Er fühlte sich verzweifelt und verlassen und betrat die Kirche, um zu beten.

Die Lateranbasilika mit ihrer prächtigen Fassade ist eine der vier Patriarchalbasiliken Roms, die für die Römer damals Oasen der Zuflucht waren, auch wegen ihres exterritorialen Status. Viele Menschen hatten sich während des Luftangriffs auf San Lorenzo dort versteckt. Denn bei Fliegeralarm flüchteten sich viele lieber in die Kirchenschiffe als in die unsicheren Luftschutzbunker. Genauso sah es in den anderen Patriarchalbasiliken aus, dem Petersdom, Santa Maria Maggiore und Sankt Paul vor den Mauern. Ein Seminarist des Päpstlichen Lombardischen Priesterseminars, das direkt gegenüber der Kirche Santa Maria Maggiore liegt, schrieb im März 1944: „Aus der Gruppe von Menschen, die die Freitreppe der Basilika bevölkern, ist eine große Menschenmasse geworden. Beim ersten Alarm drängten sich alle ins Haus der Mutter Kirche […] Als gegen Abend die Sonne allmählich unterging und die Gefahr verflogen war, kehrten alle in ihre Häuser zurück.“3 Diese Orte waren umgeben von der schützenden Aura des Papstes. Als Don Pietro Palazzini, ein Priester aus dem nahegelegenen Seminario Romano, einen Tag nach dem 8. September durch die Lateranbasilika ging, bemerkte er dort eine hitzige Stimmung. Die Kirche war voller Menschen, die sich dort in Sicherheit gebracht hatten. Plötzlich brach Panik aus: Deutsche Soldaten waren ins Innere eingedrungen und kontrollierten die Beichtstühle, da sie glaubten, jemand könnte sich darin verstecken.4

Doch was suchte Tagliacozzo in der Basilika? Diese schloss bei Anbruch der Ausgangssperre ihre schweren Pforten und die alte Tür, die früher zum Sitzungsgebäude des römischen Senats gehört hatte. Wohin sollte der junge Jude nun gehen? Ihm kam seine Italienischlehrerin Maria Amendola in den Sinn. Sie wohnte direkt hinter der Porta San Giovanni in der Via Appia Nuova 21, einem großen Mehrfamilienhaus mit einem Innenhof und mehreren Treppenaufgängen. Es gehörte der Banca d’Italia, die Familien der Angestellten des Kreditinstituts wohnten dort. Der junge Mann machte sich auf den Weg zu ihr und kam an einem Bekleidungsgeschäft am Anfang der Via Appia Nuova vorbei, das einer jüdischen Familie gehört hatte, aber nach den Rassengesetzen den Besitzer gewechselt hatte. Es war nun geschlossen. Tagliacozzo stieg die Treppe A hoch in den ersten Stock und fand im Haus der Lehrerin Unterschlupf. So endete für ihn dieser lange 16. Oktober. In der Wohnung Amendolas befanden sich bereits zwei weitere jüdische Gäste; es waren Kollegen des Vaters der Lehrerin, die dort ein paar Tage blieben.5

Maria Amendola behielt ihren früheren Schüler ein paar Tage bei sich. Tagliacozzo verbrachte die Nacht des 16. Oktober und auch die folgenden in ihrer Wohnung. Die Juden Roms, die während der Razzia festgenommen worden waren, verharrten unterdessen im Collegio Militare. Am Morgen des 18. Oktober stiegen sie im Bahnhof Tiburtina in einen Zug, der sie nach Auschwitz brachte, wo sie am 23. Oktober eintrafen. Doch wie alle Juden Roms, die von diesem Schicksal verschont geblieben waren, wusste Michael Tagliacozzo nichts davon.

Wie schon gesagt: Es war damals alles andere als einfach, jemanden in seiner Wohnung unterzubringen. Zwar war er von Maria Amendola freundlich aufgenommen worden, dochTagliacozzo merkte, dass die Lehrerin wegen der neugierigen Blicke der Nachbarn und des Portiers nervös wurde. Bei der Witwe eines Beamten der Banca d’Italia, Giusta Lopez, die in der Wohnung im Erdgeschoss direkt unter der Amendolas wohnte, sollte sich ein paar Monate später Professor Ruggeri von der Universität Rom verstecken, dem die Deutschen auf den Fersen waren. Im gleichen Aufgang, ein paar Stockwerke höher, wohnte eine Familie, deren beide Söhne Soldaten waren: Einer war in Salò, während der andere in Albanien gekämpft hatte und nach Deutschland deportiert worden war.

Die Lehrerin konnte ihren Schützling nicht einfach auf die Straße setzen. An wen sollte sie sich wenden, wenn nicht an die Kirche? Maria Amendola kannte sich als weltliche Benediktineroblatin und als Verfasserin einer geschätzten Vita des Heiligen Benedikt in der Welt der Kirche gut aus. Ihre erste Anlaufstelle war die nahe gelegene Pfarrei Ognissanti, die auch eine Suppenküche hatte, doch dort hatte sie kein Glück. Ebenfalls in der direkten Umgebung ihrer Wohnung befand sich die sehr gut organisierte Gemeinde Natività di Nostro Signore Gesù Cristo, die ein „Wohltätigkeitsbüro“ leitete, das vor allem nach 1944 mit sieben Dienststellen aktiv war. Der Vikar der Gemeinde, Don Angelini, schrieb über jene schwierigen Monate: „Unter diesen Umständen gehörten die Kirche, die Gemeinde und der Pfarrer zu den wenigen Instanzen, auf die man zählen und denen man vor allen Dingen vertrauen konnte.“6

So dachten auch Amendola und viele andere Römer. Doch auch in der Pfarrei Natività fand die Lehrerin keine Unterkunft für Tagliacozzo. Sie begab sich daraufhin zu den Olivetanern von Santa Francesca Romana auf dem Forum Romanum, deren Abt Placido Lugano war. Dieser Mönch sollte im Jahre 1947 wegen eines Diebstahls erschossen werden (man vermutete, dass Neofaschisten hinter dem Mord steckten; diese hatten – so die Polizei – die Gutgläubigkeit des Ordensmannes ausgenutzt und eine Zeitlang im Kloster eine geheime Druckerei untergebracht).7 Amendola nahm Tagliacozzo zum Gespräch mit Lugano mit. Doch der Abt verwies auf den vom Vatikan erhaltenen Aushang, laut dem das Gebäude dem Heiligen Stuhl unterstand. Er betonte, dass er die Neutralität des Heiligen Stuhls nicht gefährden konnte: „Es tut mir leid“, sagte er betrübt. Die Lehrerin versuchte es auch in Privathäusern. Doch sie fand nichts.

Die Lage schien aussichtslos. Indes begannen Gerüchte darüber zu kursieren, was mit den festgenommenen Juden passiert war. Ein Nachbar Amendolas im Haus der Banca d’Italia in der Via Appia Nuova sah in der Nähe des Ghettos die Lastwagen, mit denen die Juden und ihre Kinder fortgebracht wurden. Auch Fulvia Ripa di Meana erblickte in der Gegend um die Piazza Fontanella Borghese die Lastwagen mit den Juden und „die vor Trübheit bleichen Gesichtchen“ ihrer Kinder.8 Doch Maria Amendola war beharrlich – und hatte schließlich Glück. Als sie an die Tür des Pfarrhauses der Gemeinde Santi Fabiano e Venanzio klopfte, die zu ihrem Wohnbezirk gehörte, öffnete ihr ein junger römischer Priester, Don Vincenzo Fagiolo, der ihren Schützling freundlich aufnahm. Fagiolo selbst (der später Kardinal wurde) brachte die Lehrerin zum Seminario Romano hinter der Lateranbasilika, das nur wenige Schritte von ihrer Wohnung entfernt war. Der Rektor des Seminars, Mons. Roberto Ronca, kannte die Lehrerin und willigte ein, den jungen Juden bei sich aufzunehmen. Am gleichen Tag klingelte bei Amendola das Telefon: Es war Abt Lugano, der ihr eine Absage erteilt hatte. Er teilte ihr mit, er habe seine Meinung geändert und wolle den Jungen aufnehmen, weil – daran erinnerte sich Tagliacozzo später noch – er die Erlaubnis dafür erhalten habe. Dass jemand nach einer entschiedenen Absage beim ersten Kontakt seine Meinung so grundlegend änderte, passierte sonst so gut wie nie.

Maria Amendola entschied sich jedoch dafür, Tagliacozzo im Lateran unterzubringen. So fand der junge Mann eine Woche nach dem 16. Oktober seinen Unterschlupf. Am Nachmittag des 22. Oktober, einem Freitag, sollte er im Seminar aufgenommen werden, nachdem er sechs sorgenvolle Nächte im Hause von Maria Amendola verbracht hatte. Die deutsche Razzia hatte im Morgengrauen des vorhergehenden Samstags stattgefunden. Am Freitagnachmittag sollte Tagliacozzo sich mit einem Priester an der Ecke der Via Emanuele Filiberto treffen, von der aus man die Basilika schon sehen kann: Der Priester sollte mit der „Circolare rossa“, der roten Ringlinie, ankommen, wie man die dort verkehrende Tram damals bezeichnete. Doch Tagliacozzo erinnerte sich daran, dass bis spät abends keiner kam. In der Nähe sah er deutsche Soldaten. Was, wenn sie ihn nun nach seinem Ausweis fragen würden?

Doch schließlich kam der Priester: Claudio Righini, ein Mitarbeiter Roncas im Seminar, gebot dem jungen Mann, ihm in einem gewissen Abstand zu folgen. Sie kamen an der Heiligen Treppe vorbei und gingen durch die Tür des Laterankomplexes. Hier hielt die vatikanische Gendarmerie den jungen Juden an. Diese Kontrolle ließ Tagliacozzo noch ein letztes Mal bangen – doch die Gendarmen ließen ihn schließlich eintreten. Die Lateranbasilika und ihre Umgebung wurden von der vatikanischen Gendarmerie sowie auch von zahlreichen Mitgliedern der Palatingarde überwacht, einer Art Hilfsgarde mit einer etwas behelfsmäßig wirkenden Uniform. Das Korps hatte in jüngster Zeit tüchtig Zuwachs bekommen, offiziell aus Sicherheitsgründen, doch in Wirklichkeit ging es darum, viele junge Römer vor der Wehrpflicht der Italienischen Sozialrepublik zu verschonen. Die Mitgliederzahl der Palatingarde war von 300 auf 2.000 gestiegen, die Mitglieder des Malteserordens und die 916 „theoretischen“ und vom Vikariat bestätigten Angestellten nicht mit eingerechnet. Viele junge Römer entgingen so dem Militärdienst für Salò und auch den Razzien.9

Nach Tagen der Ungewissheit fühlte sich Michael Tagliacozzo nun unter dem Schutz des Papstes endlich sicher und beruhigt. Als er am Abend des 22. Oktober ins Seminar kam, betrat er ein Milieu, das für ihn als Juden fremd war, obwohl er sich für Religion durchaus interessierte. Sofort hatte er den Eindruck, es mit einer gut geführten Organisation zu tun zu haben, denn als erstes gab man ihm einen falschen Namen. Er hieß nun Michele Micheli. Er bekam das Zimmer eines Priesters, dessen Name, wie er sich später zu erinnern meinte, Belgrado war. Man ermahnte ihn jedoch, das Zimmer auf keinen Fall zu verlassen. In der Umgebung geschehe gerade etwas Bedeutsames. Von diesem Freitagabend bis zum folgenden Sonntagmorgen blieb er in der Einsamkeit seines Zimmers. Er rührte sich nicht vom Fleck. Obwohl er Hunger hatte, wagte er es nicht, das Zimmer zu verlassen.

Michael Tagliacozzo ist heute ein betagter Historiker und lebt in Israel. Dorthin war er nach dem Krieg heimlich ausgewandert, nachdem er von den Engländern gefangen genommen und nach Zypern deportiert worden war.10 Er bemerkte später, dass eben jener Samstag, den er hungrig und verlassen in seinem Zimmer im Seminario Romano verbracht hatte, der Tag gewesen war, an dem die römischen Juden Auschwitz erreicht hatten, wo der Großteil von ihnen ums Leben kam. An jenem 22. Oktober kam der deutsche Militärzug gegen 23 Uhr im Lager an. Am folgenden Morgen, noch in der Dunkelheit, wurden die Wagons geöffnet und der Befehl erteilt: „Alles aussteigen!“ Im Licht greller Scheinwerfer wurden die römischen Juden angewiesen, ihr Gepäck dazulassen, und auf einen Weg getrieben, der parallel zu den Gleisen verlief. Eine halbe Stunde später kam Doktor Mengele zur Selektion. Frauen mit Kindern sowie Alte, Kranke und alle, die schwach aussahen, wurden in die Gaskammern und in die Krematorien geschickt. Im Kalendarium des Lagers liest man: „Transport des RSHA aus Rom […] 1.035 jüdische Männer, Frauen und Kinder. Nach der Selektion werden 149 Männer […] und 47 Frauen […] als Häftlinge ins Lager eingewiesen. Die übrigen 839 Menschen werden in den Gaskammern getötet.“11 Nach der Quarantäne wurden Männern und Frauen unterschiedliche Beschäftigungen zugewiesen. Nur eine Frau, Settimia Spizzichino, und siebzehn Männer kehrten aus dem Lager zurück.

All dies geschah, während Tagliacozzo abgeschottet in seinem Zimmer im Seminar saß. Heute hat dieser Tag des Fastens und des Alleinseins für ihn selbst eine besonders tiefe Bedeutung; er sieht ihn gewissermaßen als eine direkte Verbindung zu den ermordeten Juden, unter denen auch einige seiner Verwandten und Freunde waren. Damals hatte er, ein junger, verlorener Jude in einem kargen Seminar, Angst und Hunger. Da er am Sonntagmorgen weit und breit kein Lebenszeichen erkennen konnte, verließ er schließlich sein Zimmer. Er begegnete Mons. Ronca. Dieser musste ihm ehrlich gestehen, dass er ihn ganz vergessen hatte. Er vertraute Tagliacozzo Don Pietro Palazzini an, einem Priester aus den Marken mit dicken Brillengläsern. Dieser wurde Tagliacozzos Bezugsperson im Seminar. Palazzini gab ihm zu essen und brachte ihn dann in einem anderen Flügel des Seminars unter, wo auch andere Juden waren. Er gab ihm auch eine hebräische Bibel. In den Monaten, die er im Lateran verbrachte, unterhielt er sich häufig mit ihm.

Wie viele andere Menschen, die der Razzia des 16. Oktober entkommen waren, fragte sichTagliacozzo, was aus denjenigen geworden war, die von den Deutschen festgenommen worden waren. Palazzini erwiderte ihm einmal auf seine Frage ganz unverblümt: „Nach Deutschland deportiert und wahrscheinlich kein gutes Ende genommen.“ Tagliacozzo erinnerte sich daran, dass es im Dezember 1943 war. Doch er wollte das nicht glauben. Auch nach der Befreiung im Juni 1944 gab er die Hoffnung nicht auf und fragte jeden, den er für urteilsfähig hielt, ob er wisse, was mit den Deportierten geschehen war. Doch Palazzinis Antwort legt nahe, dass man schon im Lateran, in Tagliacozzos direktem Umfeld, befürchtete, dass das Schicksal der Juden besiegelt war. Hatte nicht der ukrainische Soldat das Gleiche gesagt, dessen Worte ihn dazu bewegt hatten, sich zu verstecken? Doch dass ausgerechnet die römischen Juden dieses Schicksal erlitten haben sollten, konnte und wollte Tagliacozzo nicht hinnehmen.

Der längste Winter

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