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2.4.2 Bewirtschaftungsintensität und Artenvielfalt

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Der britische Ökologe J. Philip Grime postulierte, dass die Artenvielfalt wesentlich von der Produktivität eines bestimmten Lebensraums abhängt, welche eine Funktion von abnehmendem Stress und abnehmenden Störungen sei. Tatsächlich folgt die Artenvielfalt in den vielen Ökosystemen der «Grime’schen Buckelkurve» (GRIME 1979; Abb. 17). Gemäss dieser von zahlreichen Studien vor allem in Wiesenökosystemen bestätigten Theorie steigt die Artenzahl ausgehend von extremen Standorten zunächst an, weil mit den geringen Nährstoffen oder den starken Störungen (z. B. Bodenverdichtung, starker Verbiss usw.) viele Arten nicht zurecht kommen, das heisst nur wenige, spezialisierte sich etablieren können. Mit zunehmender Wüchsigkeit des Standortes – sei es durch die Verfügbarkeit von Nährstoffen, sei es durch abnehmende Störungen – eignet sich der Lebensraum für immer mehr Pflanzenarten. Ab einem bestimmten Punkt nimmt dann aber die Konkurrenz vor allem um Licht so stark zu, dass sich immer mehr Arten nicht mehr halten können, weil sie zum Beispiel zu wenig hoch oder zu wenig rasch wachsen, so dass die Artenzahl wieder zurück geht.

In der Realität ist dieser Zusammenhang komplexer. Beispielsweise kann es sich bei «Stress» oder «Störung» um sehr unterschiedliche Faktoren handeln, die teils gegenläufig wirken und die zudem nicht immer leicht zu quantifizieren sind. Aber gerade für das Wiesland Mitteleuropas bietet Grimes Arten-Produktivitätskurve eine nützliche und in den grossen Zügen breit bestätigte Erklärung für die riesige Spanne, innerhalb der sich Wiesen in ihrer Artenvielfalt und Artendichte unterscheiden.

Die Glockenkurve weist für das Ökosystem des Wieslandes eine deutliche Linkslastigkeit auf. Dies hängt insbesondere damit zusammen, dass mit zunehmender Nutzungsintensität ab einem bestimmten Punkt nicht die Lichtkonkurrenz weiter zunimmt, sondern der mechanische Faktor der Schnitthäufigkeit die dominierende Rolle zu spielen beginnt, indem nur noch wenige Pflanzen damit umgehen können. Dieser Effekt kann auch evolutionsbiologisch gedeutet werden: Häufige Mähnutzungen sind eine sehr junge Erscheinung, so dass sich noch keine grössere Zahl an Arten daran anpassen konnte.

Die Grime’sche Artenvielfaltskurve macht auch deutlich, dass es zwischen Artenvielfalt und Ertrag je nach Ertragsniveau entweder Synergien oder Zielkonflikte geben kann. So korrelieren Artenzahl und Ertrag links des Buckels, während sie rechts davon gegenläufig sind. Dabei gibt es nicht nur eine Korrelation, sondern der Ertrag kann auch direkt von der Artenvielfalt positiv beeinflusst werden, da jede zusätzliche Art zu einer besseren Ausnutzung der Ressourcen, beispielsweise in unterschiedlichen Bodenschichten, beitragen kann (Kap. 2.3.2).

Abbildung 18 differenziert den Zusammenhang zwischen Naturschutz- und Ertragsleistungen im Wiesland-Ökosystem und zeigt die Bedeutung der unterschiedlichen Intensitätsniveaus für die Artenvielfalt beziehungsweise Artendichte im mitteleuropäischen Wiesland. Generell gilt: Je stärker die Düngung, insbesondere von Stickstoff, und je besser die Bodenqualität, desto geringer die Artenzahl des Wieslandes (KLIMEK et al. 2007).


Abb. 17. Zusammenhang zwischen Artenvielfalt (Artendichte) und Produktivität (Biomasse) nach GRIME (1979). Schwarz: spezialisierte Arten. Schraffiert: Generalisten. Weiss: Arten mit starker Lichtkompetitivität (starkwachsend oder schattentolerant).


Abb. 18. Zusammenhang zwischen Nutzungsintensität, Ertrag und Vielfalt (Artendichte) an Pflanzenarten im Wiesland, schematisch; Orientierungswerte für Wiesen trockener und mesischer Standorte der kollinen bis montanen Stufe der Schweiz. Nach Vegetationsaufnahmen des Autors, von KLÖTZLI et al. 2010 und weiterer Literatur. Im ganz mageren Bereich verlaufen Ertrag und Artenvielfalt parallel (Abb. 17). Bei zunehmender Nutzungsintensität nehmen dann der Ertrag zu und die Artenvielfalt ab. Seltene und gefährdete Arten kommen nur im extensiver genutzten Bereich vor. Der sehr intensive Bereich ist oft geprägt durch eine Zunahme von Lückenfüllern und futterbaulichen Unkräutern.


Abb. 19. In Weiden ist die Artenvielfalt bei vergleichbarem Niveau der Nutzungsintensität beziehungsweise bei gleichem Biomasseertrag höher als in Mähwiesen. Die Ursachen liegen unter anderem in der meist höheren Strukturvielfalt durch Gehölze, Treien oder stehen bleibende Pflanzenreste.


Abb. 20. Die Wachstumsbedingungen werden von der Beweidung in komplexer Weise beeinflusst. Bestossungszeitpunkt, Besatzstärke, Länge der Bestossung, Zahl der Umtriebe, aber vor allem auch die Art der Weidetiere selber (Art, Rasse, Alter, Genetik innerhalb der Rasse, individuelle Gewohnheiten) wirken sich auf Flora und Fauna einer Weide aus.

Das Naturwiesland der Schweiz und Mitteleuropas

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