Читать книгу Das Naturwiesland der Schweiz und Mitteleuropas - Andreas Bosshard - Страница 32

2.4.9 Einfluss der Fragmentierung auf die Biodiversität

Оглавление

Fragmentierung bezeichnet in ökologischer Hinsicht eine Entwicklung, bei der die Grösse eines zusammenhängenden Lebensraums abnimmt und gleichzeitig dessen räumliche (Distanz zum nächsten ähnlichen Lebensraum) oder funktionale Isolation (z. B. durch Barrieren wie Autobahnen) zunimmt. Dadurch entstehen «Inseln», zwischen denen sich die Populationen von Tieren und Pflanzen nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr genetisch austauschen können. Die Auswirkungen der Fragmentierung können zu lokalem Aussterben von Arten führen (FISCHER und STÖCKLIN 1997), weil auf kleinen, isolierten Flächen die Wahrscheinlichkeit, dass Arten aussterben, höher ist als auf grösseren, vernetzten Flächen. Denn kleine Flächen beherbergen kleinere Populationen. Je kleiner diese sind, desto eher ist ein Aussterben infolge eines Extremereignisses möglich. Wenn zugleich die Isolation zunimmt, können lokal ausgestorbene Arten nicht oder nur noch erschwert aus noch bevölkerten Lebensräumen der Umgebung wieder besiedelt werden (BULLOCK 2011). Zudem sind kleine, isolierte Populationen genetisch oft deutlich weniger divers und dadurch von geringerer Vitalität (KERY et al. 2001; HENSEN und WESCHE 2006).

Kleine Wieslandflächen sind zudem oft besonders empfindlich gegenüber negativen Randeffekten (z. B. Eindringen anderer Arten oder Nährstoffeintrag aus benachbarten intensiv genutzten Parzellen). Wenn die Distanzen dazwischen grösser sind als die Ausbreitungsdistanzen der Arten, ist eine Wiederbesiedlung ohne unterstützende Massnahmen unwahrscheinlich (BOSSHARD 1999).

Die verbliebenen Bestände von artenreichen Wiesen wie Trockenwiesen und -weiden (TWW-Inventar) oder Fromentalwiesen (Kap. 7) sind heute oft nur noch sehr klein und isoliert. 1900 gab es etwa 6559 TWW mit einer Fläche von mehr als zehn Hektaren. Heute sind es nur noch 766 (LACHAT et al. 2010).

Bis Fragmentierung und Randeffekte zum Verlust von Arten führen, kann es Jahrzehnte dauern. Denn das Aussterben von Populationen als Folge dieser Prozesse erfolgt immer mit einer Zeitverzögerung. Man spricht deshalb von der Aussterbeschuld (BUTAYE et al. 2005; SANG et al. 2010; COUSINS und VANHOENACKER 2011): Viele Arten sind immer noch vorhanden als Relikte früherer Landschaftszustände, doch sie sind aufgrund der gegenwärtigen Landschaftssituation aus den genannten Gründen früher oder später dem Aussterben geschuldet. Die Artenzahlen zeichnen in solchen Situationen also aufgrund der Zeitverzögerung des Aussterbens ein zu positives Bild.

Das Naturwiesland der Schweiz und Mitteleuropas

Подняться наверх