Читать книгу Samson und die STADT des bleichen Teufels - Andreas Dresen - Страница 18

Teil 2 Hexentribunal

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„Nein!“ Baddha fiel schreiend zu Boden, während die Blitze sie trafen. Ihr Körper zuckte, als die Energie sich in ihr entlud, ihre Verteidigung schwächte und langsam ihre Kraft raubte. Grüne und violette Funken sprühten auf, als sich ein Teil der Zaubersprüche an dem natürlichen Schild der Hexe brachen. Doch immer wieder drang ein Teil der Ladung unbarmherzig in die junge Frau ein. Selbst als sie schlotternd am Boden lag, hörte ihre Gegnerin nicht auf, auf sie zu feuern.

„Verräterin!“, keuchte Emily, als sie eine neue energetische Ladung in ihren Fingern sammelte, um sie auf die geschwächte Hexe herabregnen zu lassen. Sie würde kein Erbarmen kennen, der nächste Fluch würde tödlich sein.

„Meine Katze …“, keuchte Baddha.

„Die ist entsorgt. Verräter haben kein Recht auf die Kraft. Das hier ist für Morton. Was du uns damit angetan hast, dass du ihn getötet hast!“ Emily hob die Hand, bereit den nächsten schrecklichen Fluch auf die andere Hexe niederfahren zu lassen. Sie zögerte kurz, betrachtete die hilflos auf der Erde liegende Baddha.

„Los, tu es! Töte sie!“ Eine der anderen Hexen war aufgesprungen.

Meterhoch türmten sich um sie herum die Autowracks, Hügel voller Kabel, Reifenberge und jeglicher anderer Schrott, für den die Menschheit in der momentanen Gestalt keine Verwendung mehr hatte und der daher zu neuen technischen Spielereien recycelt werden sollte.

Der Himmel war noch dunkel, bis zur Morgendämmerung würde es noch dauern, trotzdem war der Platz des Gerichts in ein unheimliches, grünliches Licht getaucht.

Es war die alte Toup, die Baddha nun mit eisigen, hasserfüllten Blicken taxierte. Das Standgericht war im vollen Gange und die drei Richterinnen hatten Baddha des Verrats für schuldig befunden. Die alte Toup war eine von ihnen. Die anderen beiden kannte Emily nur vom Sehen, sie wusste aber, dass es sich bei ihnen um altgediente Hexen handelte, die der gemeinsamen Sache schon lange treu ergeben waren. Die Kleinere der beiden hatte schulterlanges blondes Haar, stark geschminkte Augen und trug ein teures Diadem, das im Licht des Schrottplatzes funkelte. Sie verströmte mit jeder Faser Jugendlichkeit. Das Gesicht allerdings sprach eine andere Sprache. Bei einer menschlichen Frau hätte man vermutet, dass sie einmal zu oft geliftet worden war. Hexen hatten das natürlich nicht nötig. Doch auch Zauber hinterließen ihre Spuren. Wenn man bedachte, dass diese Frau weit über zweihundert Jahre alt sein musste, sollte man meinen, dass sie den Glättungszauber besser beherrschen würde. Doch vielleicht tat man ihr auch unrecht, und sie empfand wulstig dicke Lippen und ein maskenhaft erstarrtes Gesicht als schön. Schließlich sahen so die meisten Ladys in der Highsociety aus, und sie wollte sicherlich einfach dazugehören.

Die dritte im Bunde war eine hoch gewachsene, kräftige Frau. Die gekräuselten Haare standen ihr in einem wohldurchdachten Chaos vom Kopf ab. Ihre beeindruckende Oberweite sowie ihre muskulösen Arme versteckte sie unter einem selbstgestrickten Wollpullover. Sie lächelte Baddha verständnisvoll an.

Die alte Toup keifte weiter: „Wenn du auf dem Spectaculum zur Oberhexe gewählt werden willst, dann musst du sie töten, Emily! Es geht kein Weg daran vorbei.“ Sie spuckte auf Baddha, die sich nicht mehr rührte.

Muirre, die muskulöse große Frau, die den Vorsitz des Standgerichts innehatte, räusperte sich. „Toup, halt dich zurück. Galbtraut, bitte lies uns noch mal die entsprechenden Passagen aus dem Hexenrecht vor.“ Sie bedachte die neben ihr stehende Hexe mit einem verwunderten Blick.

„Du hast das Buch doch dabei, oder?“

„Oh, ja ja.“ Die blonde Hexe griff in ihre winzige Handtasche und holte ihr Handy hervor. Mit spitzen Fingern berührte sie kurz das Display, bis es aufleuchtete. Als sie Muirres vorwurfsvollen Blick bemerkte, entschuldigte sie sich. „Ich habe es digitalisiert. Der alte Wälzer ist zu schwer und unhandlich. Ich wollte bei dem Wetter lieber mit dem Motorrad kommen und da wäre das Buch wirklich unpraktisch gewesen.“

Wie durch einen Schleier nahm Baddha die Welt um sich herum noch wahr. Sie hatte einfach keine Kraft mehr. Sie hatten ihr die Katze genommen, ihre Katze, ihren Schatz, ihren Hort der Kraft. Ohne das Tier konnte sie sich nicht mehr aufladen. Das allein wäre schon die Höchststrafe gewesen. Sie ächzte und rollte sich auf den Bauch um aufzustehen. So einfach würde sie die undankbare Brut nicht gewinnen lassen! Sie mühte sich auf die Knie, dann auf die Beine. Wenn sie schon sterben sollte, dann aufrecht. Sie war Baddha, Engelstod, wie man sie nun nannte, weil sie Morton, den schwarzen Engel, im Kampf gebannt hatte. Sie würde nicht im Schlamm verrecken wie ein Wurm. Sie sollten ihr in die Augen sehen.

Ein Raunen ging durch die versammelte Hexenbrut, als Baddha, schwankend, wieder aufrecht stand und Galbtraut hasserfüllt anstarrte. „Sprich weiter, Hexe“, sagte sie leise.

Galbtraut sah Baddha lange an, dann nickte sie.

„Wo ist es … Moment.“ Galbtraut wischte mit dem Finger über die Oberfläche des Handys.

„Nicht sehr hexenhaft“, schalt Muirre sie.

„Was soll ich mich anstrengen und zaubern, wenn es diese praktischen Dinger gibt, hm? So, hier habe ich es. Kapitel 665, Absatz 1. Blabla, blabla … hier: … kann sich, nach dem Verlust des Oberhaupts der Hexen, jede Hexe zum neuen Vorsitz vorschlagen und wählen lassen. Wenn mehrere Hexen sich um das Amt bemühen, entscheidet die Machtprobe.

Außerdem kommt in diesem Fall noch Kapitel 333, Absatz 24 zum Tragen: Verräter an der Sache der Hexen sind mit dem Tode zu bestrafen, es sei denn …“

„Töte sie! Das Recht will es so!“ Toup schrie auf und viele Hexen stimmten mit in das Geschrei ein. Sie waren nicht alle so wütend auf Baddha wie die alte Toup, aber die meisten von ihnen liebten nun mal ein blutiges Spektakel. Emily umkreiste Baddha. Ihre Hände umspielten eine Wolke kleiner Funken, die scheinbar nur darauf warteten, der Hexe in den Leib geschleudert zu werden.

„Macht sie fertig!“ Der alten Toup ging das alles zu langsam. Sie riss ihre Hände nach oben und warf Baddha einen Fluch entgegen. Es war, als sei ein Bann gebrochen. Mehr als die Hälfte der Hexen warfen sich nun nach vorne und wollten Baddha töten. Diese wusste, dass sie nicht mehr kämpfen konnte. Mit letzter Kraft zog sie einen Schutzzauber um ihren Körper. Sie ließ sich vor ein Autowrack fallen und konzentrierte nun alle ihre verbleibende Macht darauf, den Schild aufrecht zu erhalten.

Ein Surren erfüllte die Luft, als die Flüche nun auf Baddha einprasselten. Alle Arten von Schadzaubern trafen auf ihren gebeugten Rücken. Alles schmerzte, sie fühlte wie ihre Kräfte nachließen. Sie brauchte zwar keine freie Hand, um einen energetischen Schutzmantel um sich zu ziehen, doch wehren konnte sie sich trotzdem nicht lange. Die angreifenden Zauber saugten die Lebensenergie aus ihrem Körper. Als sie spürte, wie ihre Knochen plötzlich anfingen von innen heraus zu brennen, als sich ihre Eingeweide umstülpten und Blut durch ihre Haut nach außen drang, setzte ihre Furcht ein. Jetzt werde ich sterben, dachte sie. Alles dröhnte in ihrem Kopf, die Stimmen um sie herum verschwammen im Brummen der Zauberflüche.

„… kein Recht das zu tun …“

„… sterben soll sie …“

„… Maschinen! Achtung, Maschinen …“

„… sterben …“

„… Maschinen! Sie werden uns töten!“

Baddhas Kräfte schwanden. Sie fühlte sich leer. Der Schutzschirm und die Flüche, die ihn durchdrungen hatten, hatten sie alles an Energie gekostet, was noch in ihr gewesen war. Aber ich lebe noch, stellte sie verwundert fest.

Das Brummen hatte aufgehört. Ihr war schlecht, alles drehte sich. Ein weiterer Fluch und es wäre vorbei. Alles tat ihr weh. Sie sehnte sich nach dem Ende. Macht schon, dachte sie. Ich will nicht mehr leiden. Doch kein weiterer Schadzauber traf sie. Es kostete sie eine schier unglaubliche Anstrengung, den Kopf zu heben. Die Hexen hatten sich von ihr abgewandt. In ihrer Mitte stand ein Mädchen mit grüner Haut und sie hielt einen jungen, dicklichen Mann in den Armen, der immer noch schrie: „Maschinen! Sie machen uns kalt!“ Dabei starrte er die Autowracks an, hatte sein Schwert erhoben und wollte sich auf sie stürzen.

„Nicht, Fahrat“, rief das Mädchen. „Es sind nur Autos. Tote Autos. Tote Maschinen. Es ist vorbei. Wir sind zurück in der STADT!“

Der Blick des Schwertlers klärte sich und er straffte seine Schultern. Argwöhnisch ließ er sein Schwert sinken, musterte die Autokadaver um ihn herum aber weiterhin misstrauisch.

„Du hast recht“, gab er zögernd zu. „Wie dumm von mir.“ Er blickte sich um und bemerkte erst jetzt die Hexen, die ihn und seine Begleiterin umringt hatten. „Scheiße!“

In Baddha keimte Hoffnung auf.

Fahrat war gekommen! Mein Fahrat, geliebter Schwertler, noch nie habe ich mich so gefreut dich zu sehen, dachte sie.

Jetzt, wo er wieder vor ihr stand, wurde ihr bewusst, wie sehr sie ihn vermisst hatte. Der Schwertler blickte sie an.

„Baddha!“, rief er erschrocken, doch dann verfinsterte sich sein Blick.

„Hat es dich endlich erwischt? Das geschieht dir recht – du Verräterin!“

Samson und die STADT des bleichen Teufels

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