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Der Terminkalender einer Siebenjährigen

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Gerade in der heutigen Zeit beklagen immer mehr Menschen, dass sie gestresst sind, sich nicht mehr entspannen können und sich wie ein Hamster im Laufrad fühlen. Das liegt sicher mit an der zunehmenden Beschleunigung unseres Lebens und auch an der Fülle von Reizen, denen wir tagtäglich ausgesetzt sind. Beides fördert unsere geistige Aktivität, denn um im hektischen Alltag des 21. Jahrhunderts zurechtzukommen, läuft unser Denken ständig auf Hochtouren und kann kaum noch abschalten. Wir brauchen nur das Leben unserer Großeltern oder Urgroßeltern mit unserem eigenen zu vergleichen: Wie viel ruhiger und weniger herausfordernd lief der Alltag damals ab, wie viel mehr Pausen, wie viel mehr Zeit für Entspannung gab es. Viel davon ist uns heute verlorengegangen. Es ist noch nicht lange her, da gab es nur zwei Fernsehsender. Das Programm begann um 16 Uhr, um 22 Uhr war Sendeschluss. Außerhalb der Sendezeiten lief nur das berühmte Testbild.

Heute können wir auf Netflix zwischen unzähligen Filmen wählen und verlieren uns im Seriendschungel. Studien zeigen, dass selbst unsere Schlafdauer, also die Erholungszeit, die wir uns gönnen, in den letzten Jahren deutlich kürzer geworden ist: Wir schlafen heute im Schnitt eine Stunde weniger als Menschen vor 100 Jahren. In Umfragen gaben mehr als 80 Prozent der Befragten an, ihr Leben sei in den letzten Jahren hektischer geworden. Nach neueren Untersuchungen konzentrieren sich Büroangestellte heute im Schnitt noch 12 Minuten auf eine Tätigkeit, danach werden sie von Handy, E-Mail usw. aus der Arbeit gerissen. Schulkinder haben einen so vollen Terminkalender, wie ihn vor fünfzig Jahren nur Manager hatten: 6.30 Uhr Aufstehen; 7 Uhr Frühstücken; 7.30 Uhr Fahrt zur Schule; 8–13 Uhr Schulunterricht; 13 Uhr Essen in der Schule; 14–15 Uhr Nachhilfeunterricht; 15.30–16.30 Uhr Kinderyoga, Sport, Musikunterricht; 17–18.30 Uhr Hausaufgaben. Es bleibt wenig Zeit, um einfach nur Kind zu sein, zu spielen und den Augenblick zu erleben. Entsprechend fühlen sich heute vier von fünf Kindern unter Zeitdruck, wie aktuelle Studien belegen.

Wenn es in unserem Kopf »laut« wird, dann bekommen wir das zu spüren. Wir haben ständig Gedanken darüber, was wir alles noch erledigen müssen. Haben wir einiges davon abgearbeitet, fallen uns gleich die nächsten Dinge ein, die keinen Aufschub dulden. Vordergründig glauben wir oft, wir seien gestresst, weil wir so viel zu erledigen haben. Wenn wir genauer hinschauen, stellen wir aber fest, dass wir eigentlich unter einem zu aktiven Geist leiden, dem ständig etwas Neues einfällt, was es angeblich noch zu tun gilt. Wir fühlen uns getrieben, hektisch, unruhig und schaffen es nicht, für Ruhepausen zu sorgen. Wir werden fahrig, fangen Dinge an, die wir gleich schon wieder liegen lassen und beginnen mit der nächsten Aufgabe. Unsere Alltagshandlungen laufen vollkommen automatisiert ab, wir wirken dabei fast schon abwesend. Wir haben vergessen, was wir gerade noch erledigen wollten oder wo wir unsere Brille schon wieder hingelegt haben. Wir haben zehn Bücher neben dem Bett liegen und möchten alle unbedingt am besten sofort lesen. Die Zeit reicht nie aus für all das, was wir noch erledigen wollen. Eine Freundin erzählte mir neulich, sie habe am Bankautomaten Geld abgehoben, habe aber aus lauter Eile vergessen, es einzustecken.

Der Aufruhr in unserem Geist bewirkt auch eine Anspannung in unserem Körper. Unsere Gedankentätigkeit führt nachweislich dazu, dass sich unsere Muskelanspannung erhöht, die Atemfrequenz ansteigt oder mehr Schweiß produziert wird. Viele Menschen berichten von einem Druckgefühl im Brustraum. Wir nehmen in unserem Körper ein Gefühl von Enge oder Eingesperrtsein wahr, und tatsächlich sind wir angetrieben und eingesperrt in Gedankenplänen und To-do-Listen. Irgendwann macht unser Körper nicht mehr mit, weil er für diesen lebenslangen Dauerlauf nicht geschaffen wurde. Vielleicht fängt es mit Kopfschmerzen an oder mit Muskelverspannungen, oft im Nacken- und Rückenbereich. Typisch sind auch Schlafstörungen, wenn unser Geist nachts nicht mehr zur Ruhe kommt. Wir liegen abends im Bett und möchten einschlafen, doch uns gehen bereits Gedanken über den nächsten Tag durch den Kopf: Wird morgen alles klappen, werde ich alles schaffen, was ich erledigen muss? Viele Wohlstandskrankheiten des 21. Jahrhunderts sind Folgen unserer stress­reichen Lebensweise. Bluthochdruck beispielsweise, aber auch Essstörungen, verschiedene Süchte, das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyper­aktivitätzssyndrom (ADHS) und andere psychische Erkrankungen. Die beiden häufigsten davon, nämlich Angststörungen und Depressionen, gehen einher mit einem unkontrollierten Geist, der seinen Besitzer mit trüben Gedanken oder ständigen Befürchtungen quält.

In Simbabwe wird die Depression daher »Kufungisisa« genannt, was so viel bedeutet wie »sich zu viele Gedanken machen«.

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