Читать книгу Sinja und die Zaubergeige - Andreas Milanowski - Страница 14
12 Emelda und Amandra
ОглавлениеAmandras Kräutermixtur hatte Emelda das Leben gerettet, doch wie sollte es jetzt weitergehen? Die Ponys waren mitsamt aller Vorräte und Ausrüstungsgegenstände verschwunden. Die zwei Elfen waren alleine in der `Leggiero´ und besaßen nichts mehr, als ihr nacktes Leben und die paar Dinge, die sie in den Rucksäcken mitgebracht hatten.
Emelda war durch ihre Verletzung noch viel zu sehr geschwächt, als daß sie den Weg in die Wälder zu Fuß hätten bewältigen können. Es blieb den beiden also nichts Anderes übrig, als sich dort, wo sie waren erst einmal so einzurichten, dass sie überleben konnten.
Weiterziehen wollten sie, sobald Emelda wieder in der Verfassung wäre, größere Strecken zurückzulegen. Amandra suchte eine geeignete Mulde in der Nähe und hob diese mit den Händen und mit Hilfe des Messers, das sie im Rucksack hatte so weit wie möglich aus.Sie legte aufgesammeltes Reisig, herumliegende Äste und Laub hinein, um die Unterkunft so bequem wie möglich zu gestalten. Wer wusste schon, wie lange sie bleiben mussten?
Gegen den leichten Wind wurde der Unterstand mit einigen Aststücken geschützt, die Amandra so verflocht, dass eine Matte entstand, die sie vor ihrer Behausung aufstellte und befestigte.
Emelda lebte immer noch in einer Welt zwischen den Welten, halb in ihrem Fiebertraum, halb in der Wirklichkeit. Sie war noch nicht in der Lage, aus eigener Kraft in die neu geschaffene Hütte umzuziehen. Amandra nahm sie daher auf ihre Arme und trug sie zum Lager.
Aus ihrem Rucksack zauberte sie dann eine Holzschale hervor, die sie bis zum Rand in die kühle Erde vergrub und mit einem Blatt bedeckte. Die aufgehenden Sonnen würden das Blatt erwärmen, während es an der Unterseite kalt blieb. So würde sich Tau bilden und die Schale Tropfen für Tropfen mit Wasser füllen. Eine sehr mühsame Art, Trinkwasser zu gewinnen, aber die einzige, die ihnen im Moment zur Verfügung stand.
„Kann ich dich für eine Weile alleine lassen?“, fragte Amandra nachdem dies getan war, „ich müsste mich mal um etwas Essbares kümmern, ich glaube, wir brauchen beide was in den Bauch.“
Emeldas Antwort war ein Geräusch zwischen Brummen und Knurren, nicht wirklich aufschlussreich. Amandra nahm es als Zustimmung. Trotzdem machte sie sich Sorgen um Emeldas Zustand. Wie konnte sie ihr helfen? Sie gab ihr noch einmal den Kristall um sie während ihrer Abwesenheit so lange mit Energie zu versorgen, bis sie etwas Nahrhaftes gefunden und zubereitet hätte.
„Ich denke, es wird heute Salat geben“, versuchte sie im Weggehen einen Scherz, wusste aber nicht, ob Emelda etwas davon mitbekommen hatte.
Sie machte sich auf die Suche nach Kräutern und Pflanzen, die ihr brauchbar erschienen. Wenig später war sie zurück und wie versprochen gab es Salat.
Zum Nachtisch aßen sie Beeren, die ebenfalls hier in der Ebene wuchsen.
„Bleib nur liegen und ruhe dich noch ein wenig aus“, sagte sie nach dem Essen zu Emelda, die mit Hilfe des Kristalls wieder ein wenig zu Kräften gekommen war.
„Ich brauche dich gesund und stark. Ich werde solange Wache halten.“
Sie setzte sich zu ihrer Freundin und streckte Arme und Beine von sich.
Sogar die Notenhalsflügel entspannten sich. Zum ersten Mal seit langer Zeit gab es nichts zu tun, außer zu warten…. und zum ersten Mal spürte Amandra ihre Erschöpfung.
Eine bleierne Müdigkeit übernahm das Kommando über ihren Körper und ihren Geist. Sie wollte kurz ausruhen, legte sich auf die Seite neben die bereits schlummernde Emelda, wehrte sich noch einen Moment gegen den Schlaf – und verlor.
Währenddessen hatte der `Unerhörte´ in seinem eisernen Turm im fernen `Morendo´ durch die zurückgekehrten Naurons und den am Leben gebliebenen Reiter erfahren, wie der Kampf in der Ebene verlaufen war. Ohne dass ein Wort gesprochen wurde, bekam er die Information, dass die beiden anderen Reiter getötet worden waren. Er wusste auch, dass der magische Kristall der Königin zum ersten Mal seit hunderten von Jahren die Hauptstadt verlassen hatte.
Einer der Naurons hatte mit seinen spitzen Ohren seinen Ton gehört und dem `Unerhörten´ davon berichtet. Der war begeistert.
„Nun, dass die Reiter tot sind, kann ich verschmerzen. Aber dass der Kristall unterwegs ist und so gut wie ungeschützt, das ist eine ganz hervorragende Neuigkeit. Endlich werde ich diesen Stein in meine Hände bekommen. Holt mir den Kristall“, befahl er.
„Wenn ich ihn besitze wird niemand mehr meiner Macht widerstehen.
Stille wird sich über dem ganzen Land ausbreiten und ich, ich werde es endlich wieder beherrschen. Holt mir diesen Stein.“
Niemand hatte seine Worte gehört, aber alle, die es anging, hatten die Botschaft empfangen und verstanden. Es ging um alles oder nichts. Seine Reiter und die Naurons hatten versagt. Also musste jemand anders die Aufgabe übernehmen und er wusste auch schon, wer das sein sollte.
Anders als die dunklen Reiter waren die Moroks kleine, gedrungene Wesen mit, meist hässlichen, von vielen Kämpfen und Schlägereien vernarbten Gesichtern und brauner ledriger Haut. Ihre Nasen waren plattgedrückt wie die eines Boxers nach der zwölften Runde. Aus ihren Gesichtern bleckten zwei Reihen krummer und schiefer Zähne. Von ihren Schädeln hingen die wenigen Haare in fettigen Strähnen herab. Ihre Körper waren in Lumpen gehüllt, die um die Hüfte mit einem Strick zusammengehalten wurden. Allerdings war jeder von ihnen bis an die Zähne bewaffnet. Ihre Reittiere, die Gifhars standen ihren Reitern an Hässlichkeit nicht nach. Sie sahen aus, wie zu groß geratene Hyänen, mit langen Vorderbeinen und einem niedrigeren Hinterteil, sodass ihre Reiter besondere Sättel benötigten, die den Höhenunterschied zwischen vorne und hinten ausglichen. Dazu hatten die Tiere lange Hälse, ähnlich wie Giraffen und ein beige und braun geflecktes struppiges Fell. Das Besondere an diesen Gifhars war aber nicht ihr Aussehen, sondern die Geschwindigkeit, mit der sie laufen konnten. Sie waren für das Leben in der Ebene ausgerüstet, mussten also, wenn sie jagen und überleben wollten, schneller sein, als ihre Beute – und das waren sie. Es gab weit und breit kein Landtier, das es mit ihrem Tempo aufnehmen konnte, nicht einmal `Allegro´.Hinter dieser Gruppe schloss sich nun langsam das große Tor von `Morendo´.
Sie bewegten sich gemächlichen Schrittes einen Hügel hinauf und kamen so an das Ufer des `Largo´ den sie an einer Furt durchquerten, was durch die Größe der Gifhars keine Schwierigkeit darstellte. Auf diese Weise umgingen sie den Weg über die Brücke von `Lento´, der sie ein Stück weit durch die Sümpfe geführt und unnötig aufgehalten hätte.
Am anderen Ufer des Flusses angekommen, ritten sie durch die Auen, nahmen Tempo auf und Kurs auf die `Leggiero´, auf Amandra, Emelda und den Kristall der Königinnen. Wenn sie in voller Geschwindigkeit durchliefen, konnten sie die Elfen bis zum Anbruch der Dunkelzeit erreicht haben.
Der `Unerhörte´ würde seinen Kristallbekommen und alle anderen eines seiner Feste, bei denen es immer reichlich zu essen und zu trinken gab.
Der Weg war noch weit, aber die Gifhars waren durchaus in der Lage, auch diese lange Strecke in hohem Tempo durchzulaufen.
„Was ist denn?“, fragte Amandra unwillig im Halbschlaf und räkelte sich. Irgendetwas hatte sie aus ihrem schönen Traum gerissen.
Dieses Etwas zwitscherte und flatterte und tirrilierte über ihrem Kopf ganz aufgeregt und furchtbar nervig, wie ein lästiges Insekt. Amandra versuchte, das Tier mit abwehrenden Handbewegungen zu verscheuchen. Plötzlich schrak sie auf. Schlagartig wurde ihr klar, wo sie sich befand und was geschehen war.
„Oh jeh!“, rief sie entsetzt, „ich bin eingeschlafen, wie schrecklich, wie peinlich!“
In diesem Moment erwachte auch Emelda und sah ihre Freundin verwirrt an.
„Was ist denn mit dir los? Du siehst ja aus, als sei die der Leibhaftige begegnet.“
„Es ist schrecklich“, antwortete Amandra, „ich bin eingeschlafen.“
Wenn eine Elfe eine Wache übernahm, dann bedeutete das, dass diejenigen, die man bewachte, sich darauf verlassen mussten, dass der oder die Wachende seine Aufgabe erfüllte. Schließlich vertrauten sie ihm im Ernstfall ihr Leben an.
Für Amandra war es daher Ehrensache, eine Wache, die sie übernommen hatte, bis zur letzten Minute durchzustehen und vor allem: wach zu bleiben und aufzupassen, dass den anderen nichts passieren konnte. Nun war sie eingeschlafen. Amandra war untröstlich und klagte fortwährend über ihr Versagen.
„Jetzt lass das mal gut sein“, versuchte Emelda, ihre Freundin zu beruhigen.
„Es war für uns alle sehr viel in letzter Zeit. Du bist auch erschöpft und irgendwann muss man mal ruhen. Mach dir deswegen jetzt bitte keine Vorwürfe mehr.“
„Das tu ich aber“, bemerkte Amandra. Tränen flossen ihr über die Wangen.
Emelda, die durch den Schlaf wieder zu Kräften gekommen war, nahm Amandra in den Arm und versuchte, sie zu trösten. Es war vergeblich.
„Ohne dich wäre ich gar nicht mehr da. Ich bin dir sehr dankbar dafür, dass du das Gift aus meinem Körper herausgeholt hast. Im Übrigen, was macht eigentlich der Piepmatz hier, der uns geweckt hat? Und was ist das für eine Wolke da hinten?", fragte Emelda bei einem Blick über den Rand ihrer Behausung.
Amandra war noch zu sehr mit sich und ihrem Versagen beschäftigt, als dass sie sich mit einer Wolke hätte befassen können. Sie wollte am liebsten vor Scham und Wut im Boden versinken. Emelda allerdings, kaum, dass sie von ihrer Verwundung genesen war, übernahm wieder das Kommando.
„Das sieht nicht gut aus, was da auf uns zukommt, Mandy und ich wäre wirklich sehr erfreut, wenn du bald wieder bei der Sache wärst.“
Amandra hatte den besorgten Ton in Emeldas Stimme gehört und schaute nun auch in die Richtung, in der Emelda die Staubwolke ausgemacht hatte.
Fünf Punkte waren am Horizont zu erkennen und sie wurden schnell größer.
„Wenn das mal nicht Gifhars sind“, stellte Emelda fest.
„Ich fürchte, du hast Recht....“, antwortete Amandra und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
„....und da sitzt auch noch was drauf.“
„Oh Gott, unsere ganz speziellen Freunde. Wenn ich etwas heute nicht gebrauchen kann, dann diese Ratten.“
„Der Kristall“, rief Amandra entsetzt. „Wir müssen den Stein in Sicherheit bringen. Er darf denen auf keinen Fall in die Hände fallen. Dann wäre Fasolânda und das ganze Königreich in Gefahr.“