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18 `Jambus´, der Einsiedler

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So setzten die drei ihren Weg fort, der Elf, die Elfin und eine nachdenkliche Sinja, der das Bild der Königin nicht aus dem Kopf gehen wollte. Sie liefen noch eine Weile am Fluss entlang. Ein leichter Marsch durch flaches Gelände.

„Wie schön, wieder mal hier zu sein bei dem alten Brummbären“, rief Ferendiano freudig aus, als sie wenig später um eine Baumgruppe aus dunklen, tannenartigen Gewächsen bogen und den Eingang zur `Fermata´ erblickten. Ein hölzerner Torbogen überspannte den gesamten schmalen Zugang zur Halbinsel. Auf dem Querbalken stand, in einem Liniensystem aus fünf Notenlinien ein Rhythmus geschrieben. Achtel-Viertel-Achtel-Viertel.

Die beiden Holzpfosten, auf denen der Bogen ruhte, waren jeweils mit einem Symbol gekennzeichnet, das aussah, wie ein Auge, ein nach unten offener Viertelkreis mit einem Punkt darin.

„Was ist das für eine Melodie die da oben auf dem Torbogen steht und was sind das hier für seltsame Zeichen?“ wollte Sinja wissen und deutete auf die Pfosten.

„Die Zeichen sind sogenannte Fermaten, Haltebögen, die gleichen, die du aus der Musik kennst."

"Ah!", rief Sinja, "irgendwie kamen mir die Dinger bekannt vor. Ich wußte nur nicht mehr, woher. Und warum wurden diese Zeichen hier in die Pfosten geritzt?“ "

"Das Gelände hier war nicht immer eine Einsiedelei", fuhr Ferendiano fort.

"In der alten Zeit, bevor die Moroks das Land unsicher machten, kamen oft Wanderer hierher um sich auszuruhen und eine Pause zu machen. Aus dieser Zeit sind die Fermaten. Sie bedeuten, dass du hier so lange halten und pausieren kannst, wie du willst. Daher heißt die Einsiedelei auch heute noch `Fermata´, obwohl schon lange niemand mehr kommt um hier zu rasten.“

„….und die Melodie?“

„….ist keine.“, antwortete Ferendiano, „es geht nur um den Rhythmus.

Ta-tam-ta-tam, das ist ein Jambus und von diesem Rhythmus hat der Herr des Hauses seinen Namen. Kennst du diesen Rhythmus irgendwoher, ta-tam-ta-tam?“

„Na ja, hört sich an wie Herzklopfen, oder was meinst du?“

„Genau! Und wenn du den Alten genauer kennen lernst, weißt du auch, warum er sich nach diesem Rhythmus nennt. Er ist am Anfang vielleicht ein wenig rau, aber gib ihm eine Chance.

Er ist ein Einsiedler und lebt normalerweise alleine. Hier kommt nur selten jemand vorbei.

Deswegen ist er es nicht gewöhnt, mit Leuten zu tun zu haben, schon gar nicht mit vielen.

„Na, ich bin gespannt“, sagte Sinja.

„Dann lasst uns mal gucken, ob wir den Herrn des Hauses irgendwo entdecken.“

Sie benötigten all ihre Kräfte, um das massive Holztor zu bewegen, welches das Gelände der Einsiedelei vom Rest der Welt trennte. Es war am Boden mit Gras verwachsen und von Efeu überwuchert. Es knirschte und knackte, bewegte sich aber zunächst keinen Millimeter.

Das Holz steckte im Boden fest, als wäre das Tor jahrelang nicht geöffnet worden. Nach einigem Rütteln und Drücken liess es sich schließlich unter Quietschen und Knarren soweit aufschieben, dass die drei an einer Seite durchschlüpfen konnten. Der Weg zur `Fermata´war ebenfalls mit Gras und Gestrüpp bedeckt und so kaum noch auffindbar. Links und rechts standen einige der dunklen Bäume. Vögel zwitscherten in den Ästen ein leises Lied.

Sinja hatte das Gefühl, als läge ein Geheimnis, ein unsichtberer Nebel über diesem Anwesen.

Sie gingen weiter und kamen auf einen großen freien Platz in dessen Mitte eine Feuerstelle mit Drehspieß angelegt war, die aber schon lange niemand mehr benutzt hatte. Der Spieß war verrostet und die Holzbänke und Tische, die um den Feuerplatz herumstanden, völlig verwittert und teilweise morsch. Der gesamte Platz sah aus, als seien hier früher wilde Feste gefeiert worden, doch das war sicher schon einige Zeit her. Im hinteren Bereich des weiten Geländes stand, hinter einigen Bäumen versteckt ein steinernes Gebäude, das aussah wie eine alte, große Berghütte. Das Holzdach war mit dicken Steinen befestigt und dicht bemoost. Aus der Mitte des Hauses ragte ein gewaltiger Schornstein in die Höhe, aus dem eine dünne Rauchfahne nach oben stieg. Das einzige Zeichen, dass hier jemand wohnte. Eine Kuh muhte im Stall.

„Hallo?“, rief Ferendiano vorsichtig…..

Der Ruf verhallte und mischte sich mit dem Rauschen und Plätschern des Flusses, das hier deutlich zu hören war.

„Hallo, Jambus. Bist du da?!“

Aus einer Ecke hinter dem Haus hörte man das Scheppern einer leeren Milchkanne und das Meckern einer Ziege. Eine schwere Tür schlug quietschend ins Schloss.

Nach einer Zeit, die Sinja vorkam wie zwei Ewigkeiten, schleppte sich von dort ein alter Mann an der Hauswand entlang, zwei Eimer voll Milch in den schwieligen, kräftigen Händen.

Er hatte graues, schulterlanges, Zottelhaar und ein ebenso graues, ungepflegtes Gewächs um sein Kinn herum, das man als Bart gerade so durchgehen lassen konnte. Er trug einen alten, zerschlissenen, blau- grauen Wollpullover, in dem noch Reste von Stroh steckten über seinem runden Bauch und eine Jeans mit durchgescheuerten Knien, die von einem viel zu langen Gürtel zusammengehalten wurde. Das Ende des Gürtels hing nach vorne über die Hose.

Der Alte beachtete die Ankömmlinge nicht und trug seine Eimer ins Haus. Sinja, Gamanziel und Ferendiano sahen sich unsicher an und gingen hinterher.

„Hallo?“, rief Ferendiano noch einmal und spähte dabei um die Ecke des Hauses, Richtung Eingang.

Der Graue erschien wieder in der Türe.

„Hmpf“, brummte er. „Ihr jungen Leute macht einen Lärm wie fünfzig von Banglims Truppe nach dem dritten Fass Bier. Hmpf.“

„Hallo 'Jambus', auch ich grüße dich!“ rief ihm Ferendiano vergnügt zu.

Die abweisende Behandlung durch den Alten schien ihm nicht das Geringste auszumachen.

„Ja, ja! Ist ja gut. Kommt halt rein“, knurrte der.

„Guten Tag“, sagte Sinja, weil ihr nichts Besseres einfiel und trat hinter Ferendiano durch die große, halbrunde Eingangstür. Gamanziel folgte den beiden. Es roch nach Stall und saurer Milch, wie in einer Käserei und nach frischem Fett.

„Grnf, war gerade bei den Ziegen. Geben mächtig Milch zurzeit.“

Jambus hatte die drei in einen fensterlosen Lagerraum geführt, der sich gleich rechts neben dem Eingang befand. Ein kleines Loch unterhalb der Decke liess ein wenig Licht ein und sorgte so dafür, dass man etwas sehen konnte. An der Wand hingen mehrere fette Schinken und dicke, rote Würste nebeneinander. Darunter standen Eimer, die das ausgelassene Fett auffingen. In Regalen, die bis unter die Decke reichten, lagen Käseleiber so groß wie kleine Wagenräder, manche, die aus Kuhmilch gelb, andere, die aus Ziegenmilch heller und schmutzig weiß. Davor stand ein Butterfass und eine viersprossige Holzleiter.

Durch einen schmalen Einlass kam man in den benachbarten Raum. Hier befand sich der Backofen, in dem noch heiße Asche rauchte. Frisch gebackene Brote lagen auf einem Tisch daneben. Sinja besah alles mit großen, neugierigen Augen. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie ein einziger Mann diese ganze Arbeit bewältigen konnte.

„Machen sie das alles alleine, Herr `Jambus´?“, fragte sie und versuchte, höflich zu sein.

„Hmpf – kein anderer da...“, war die kurze Antwort, die er einige Augenblicke später ergänzte durch „…außer euch jetzt.“

Es war klar, was damit gemeint war.

„Okay, Kinder, dann müssen wir wohl ran!“, stellte Gamanziel fest und rollte die Augen, „was gibt’s zu tun?“

„Hmpf, Schweinestall ausmisten, füttern, vorher die Kuh melken, ausmisten, füttern, neues Stroh für alle.“

Und nach einer Pause:

„Ach, und Frollein,….lass das `Herr´ weg. Einfach `Jambus´. Das reicht!“

„Und ich bin Sinja, ohne Frollein bitte. Freut mich!“

Sie streckte `Jambus´ die Hand entgegen.

"Spar dir die Mühe", flüsterte Ferendiano ihr zu, "ich sagte doch: er ist ein wenig eigenwillig."

`Jambus´ beachtete sie nicht weiter. Er hatte zu tun.

So kam Sinja zum ersten Mal in ihrem Leben in den zweifelhaften Genuss, mit der Mistgabel in der Hand im Dreck zu stehen um einen Schweinestall zu säubern. Keine leichte Aufgabe, zumal die Schweine das nicht unbedingt gut fanden. Alleine das Aufheben der metallenen Gabel mit dem schweren Holzstiel war für Sinja schon eine Herausforderung und wenn dann auf den vier Zarken auch noch der schwere Mist lag, konnte sie das Gestell kaum noch bewegen. Mit der Zeit löste sie dieses Problem, indem sie den Stiel einfach weiter unten anpackte und die Gabel dann gerade soweit füllte, dass sie diese noch tragen konnte. Der Gestank war allerdings fast unerträglich. Da aber auch Ferendiano und Gamanziel ihre liebe Not mit dieser Arbeit hatten, fühlte sich Sinja nicht schlecht dabei. Im Gegenteil, als sie sich daran gewöhnt hatte, machte sie ihr sogar Freude.

„Na Sinja, hab´ ich dir zu viel versprochen was den Herrn `Jambus´ angeht?“, fragte Ferendiano und lachte dabei.

„Nein, sicher nicht. Der ist schon sehr speziell.

Man muss ihn einfach mögen, oder – hmpf, man lässt es.“

Sinja kicherte leise, als sie das Räuspern des Alten nachahmte.

„Wir haben ja noch ein wenig Zeit um uns aneinander zu gewöhnen.“

Sinja und die Zaubergeige

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