Читать книгу Sinja und die Zaubergeige - Andreas Milanowski - Страница 19
17 Myriana - eine Botschaft aus dem Wasser
ОглавлениеWie von Ferendiano versprochen, hatten sie den dichtesten und dunkelsten Teil des Waldes bald hinter sich. Hier und da, wenn der milde Wind günstig stand, wurde schon leise ein Plätschern des `Largo´ herübergeweht. Die Bäume standen lockerer und waren von Gebüschen umgeben. Die Wälder von `Adagio´ verwandelten sich mit jedem Schritt den sie gingen mehr und mehr in eine Flusslandschaft. So bezaubernd und verwunschen der Eingang des Waldes auf der anderen Seite gewesen war, so unheimlich und gespenstisch war der Marsch, nachdem sie das Baumhaus verlassen hatten. Sinja war wirklich froh, als die Kronen der Bäume sich teilten und sie endlich den dämmrigen Himmel sah. Jetzt würde, so hatte es Ferendiano beschrieben, bald das Flussufer kommen. Sie folgten ihrem Weg noch um zwei Biegungen herum. Am Ende der zweiten Kurve lichteten sich die Büsche und Bäume endgültig und gaben den Blick frei auf das Wasser des dunklen Flusses.
„Der ist ja noch breiter als der Rhein“, sagte Sinja bewundernd.
„Ja, das mag sein, antwortete Ferendiano, „ich kenne den Rhein nicht. Wir werden uns am Ufer des `Largo´ halten bis wir die Halbinsel erreichen auf der `Jambus´ Einsiedelei steht. Das ist der sicherste Weg. Sollten die Moroks sich trauen uns anzugreifen, haben wir immer noch die Möglichkeit, uns in dem Buschwerk hier zu verstecken. Das ist ein guter Schutz.“
Es ließ sich aber weder ein Morok sehen, noch ein Gifahr, auch kein schwarzer Reiter oder Nauron. Der Rest des Weges wurde zügig und ohne Störungen zurückgelegt, nur unterbrochen von einer Rast am `Largo´.
Sinja genoss die Aussicht auf den riesigen Fluss und das ruhige Sitzen an dessen Ufer. Sie folgte mit ihren Blicken dahintreibenden Holzstücken, Ästen und Blättern bis sie am Horizont verschwanden und träumte sich in eine andere Welt. Sie schaute ins Wasser, lang und immer tiefer und hörte dem Plätschern der Wellen zu, das sich in leisen Echos von ihr entfernte.
Langsam verschwamm die Wirklichkeit um sie herum. Die Stimmen von Gamanziel und Ferendiano verloren sich in der Ferne. Das Gras, in dem sie sass, die Bäume, die Wolken, die Vögel am Himmel, ihre Seele – alles wurde eins und fand sich wieder im tiefen, dunklen Wasser des Flusses. Auf einmal sah sie in den Fluten ihr eigenes Bild. Es war keine Spiegelung. Es war ihr eigenes Selbst, das vom Grund des Flusses emporstieg. Sie fühlte die Kälte und die Frische des Wassers an und in ihrem Körper.
Sie war in ein weites, weißes Gewand gekleidet, ihr langes blondes Haar fiel offen über ihre Schultern. Über ihrem Kleid trug sie ein braunes Lederband mit einem Amulett.
Es war wie ein Tagtraum und doch war es kein Traum.
Einen Augenblick später kam ihr eine junge Frau, die ihr äusserlich glich wie ein Zwilling in exakt dem gleichen Gewand entgegen. Ein Lichtschleier umgab sie. Sie wurde begleitet von zwei Delphinen.
Die Gestalt versuchte, Sinja zu fassen. Sie rief nach ihr und streckte ihre Arme aus. Immer wieder versuchte sie, etwas von ihr zu greifen, ihre Hände, ihr Kleid, aber es gelang ihr nicht.
„Sinja,……. Sinja Wagemut, komm zu mir und hilf mir…..!“
Die Delphine sangen dazu eine traurige Melodie aus drei Tönen.
Dann entfernte sich die Gestalt langsam, ihr Bild verschwamm und Sinja war wieder alleine, alleine am Ufer des `Largo´.
„Na, Sinja Wagemut, hast du sie gesehen?“, hörte sie weit, weit entfernt die sanfte Stimme von Gamanziel, „war es eine junge blonde Frau in einem langen, weißen Gewand, die dich rief?“
„Was....wie bitte? Was sagst du? Woher weißt du das?“, fragte Sinja verstört.
„Du hast die Königin gesehen. Ich habe das Bild auch bemerkt, aber für mich war es nicht so intensiv wie für dich. Sie rief nach dir, nicht nach mir."
„Was will sie von mir – warum ruft sie nach mir? Und warum sieht sie aus wie ich?“
„Das wirst du noch erfahren. Sie sucht nach uns und wollte wissen, ob es dir gut geht. Deshalb hat sie das Wasser gefragt.“
„Und das hat jetzt geantwortet?“, fragte Sinja ungläubig.
„Warum fragst du mich das? Das weißt du doch selbst viel besser. Was hast du ihr denn geschickt, Sinja?“
„Hab´ ich etwas geschickt?“
Sinja konnte mit Gamanziels wirrer Fragerei nichts anfangen.
„Ich habe nichts geschickt!“
„Okay, lassen wir das erstmal.
Zumindest weiß die Königin jetzt, dass wir am Leben sind und auf dem Weg. Ich hoffe, diese Nachricht beruhigt sie ein wenig.“
„Lasst uns dann mal langsam weiter ziehen“, schaltete sich Ferendiano ein.
Er hatte die ganze Zeit über still neben den beiden gesessen und zugehört.
Jetzt drängte er zum Aufbruch.