Читать книгу Sinja und die Zaubergeige - Andreas Milanowski - Страница 18
16 Ein kurzer Kampf - seltsame Freunde
Оглавление„Da kommen sie, diese Dreckskerle“, rief Emelda.
„Wollen wir diesen Lumpen wirklich unseren Kristall überlassen?“
„Niemals!“
„Na dann, auf in den Kampf…!“
Die Moroks auf ihren Gifhars waren noch etwa einen Kilometer entfernt.
Bei deren Tempo würden sie innerhalb kürzester Zeit das Lager der Elfen erreicht haben. Emelda und Amandra mussten sich vorbereiten. Beide nahmen ihre Bögen von der Schulter und Pfeile zur Hand. Noch wenige Augenblicke und die Schlacht würde beginnen.
Immer näher kam die staubige Horde. Die Moroks waren zu allem entschlossen, wie die beiden Elfen auch.
Noch fünfhundert Meter….
Bei fünfzig würden sie ihre ersten Pfeile abschießen.
Vorher war die Gefahr eines Fehlschusses zu groß und wenn sie überhaupt eine Chance in diesem ungleichen Kampf haben wollten, dann musste jeder Schuss sitzen. Sie hatten es jetzt mit einem anderen Gegner zu tun. Die Reittiere waren schnell und wendig, außerdem viel kleiner als ein Nauron, sodass die Möglichkeit, sie wirkungsvoll zu treffen kaum gegeben war.
Sie mussten also auf die Reiter zielen. Schwer genug.
Noch zweihundert Meter...hundertfünfzig…hundert…
Emelda und Amandra konnten die offenen Mäuler der Gifhars erahnen und die brennende Gier und Mordlust in den Augen der Moroks. Sie spannten ihre Bögen mit voller Kraft durch.
„Dann mal los!“ rief Amandra und es lief ihr dabei ein kalter Schauer den Rücken hinunter.
Fünfzig….Schuss!.....
Zwei Pfeile surrten durch die Luft, wie an der Schnur gezogen in Richtung der ersten beiden Moroks. Genau in diesem Moment hörten die Elfen ein lautes Rumpeln und Donnern wie von einem fernen Gewitter. Die Erde bebte, der Boden vibrierte und dort, wo sie eben noch die Moroks auf ihren Gifhars erwartet hatten, riss das Feld auf und es entstand ein Graben, der ungefähr fünfzehn Meter breit war und drei Meter lang. Die Tiefe des Grabens konnten die beiden nicht abschätzen. Sie reichte jedoch aus, um die Gifhars, die in vollem Lauf waren samt ihrer hässlichen Fracht zu verschlucken. An beiden Enden des Grabens bildeten sich Erdhaufen, die wuchsen und immer größer wurden, bis Emelda und Amandra erkennen konnten, dass diese Erdhaufen Arme und Beine hatten, gewaltige Arme und mächtige Beine.
Diese gewaltigen Gliedmaßen sausten nun auf die Schädel der Moroks hernieder, die gerade im Begriff waren, sich fluchend aus dem Graben herauszuwühlen.
Amandra und Emelda schauten sich ungläubig an und konnten nicht fassen, was da vor ihren Augen passierte. Die zwei Mugols hatten ihnen das Leben gerettet und waren nun dabei, den Moroks eine Tracht Prügel zu verpassen, die keiner von denen, die sie überleben würden, jemals würde vergessen können.
Noch nie hatten die Eigenbrödler in irgendeiner Form mit den Elfen zusammengearbeitet. Zu unterschiedlich waren die jeweiligen Lebensweisen und Interessen. Die beiden Elfen bekamen vor Staunen und Verwunderung die Münder nicht zu, wollten aber auch nicht abseitsstehen und die Mugols die ganze Arbeit erledigen lassen.
„Na dann, auf ein Neues!“, rief Emelda erfreut, „jetzt ist es ja nicht mehr ganz so schwer“, spannte ihren Bogen und schoss dem ersten Morok, den sie zu sehen bekam, einen Pfeil direkt in die Brust.
Der kippte rückwärts in den Graben zurück, aus dem er gerade herausgeklettert war.
„Und diesen….“, hörte man Amandra von der anderen Seite, als sie ebenfalls einen Pfeil ins Ziel gebracht hatte.
Die übrigen Moroks und zwei der Gifhars erledigten die Mugols mit ihren Fäusten. Die drei übrigen Tiere nahmen Reißaus und flüchteten in die Dunkelheit, die mittlerweile über die Ebene gekommen war.
„Dass das Ganze hier so ein Ende nehmen würde, hätte ich mir nicht träumen lassen“, stellte Amandra fest, als klar war, dass die Moroks erledigt waren.
"Ja, um ehrlich zu sein, ich dachte, dass wir hier sterben würden", antwortete Emelda ernst.
Sie wollten ihren Rettern danken, doch die Mugols waren verschwunden.
„Hast du noch etwas von den beiden gesehen, Emelda?“
„Hmmmm! Sie haben sich umgedreht und einmal kurz und unfreundlich zu uns herüber gebrummt. Offenbar ist es so, dass sie die Moroks noch weniger leiden können als uns. Sie sind weg. Wir müssen das nicht verstehen. Sie haben uns gerettet. Darauf kommt es an. Ich glaube, wir sind denen was schuldig und was mich angeht, ich bin ihnen sehr dankbar.“
„Ja, ich auch. Aber jetzt lass uns mal schnell eine Fackel anzüden und nachsehen, was die da vorne überhaupt angestellt haben. Ich bin neugierig.“
„Ich auch, aber Vorsicht! Wir wissen nicht, ob nicht noch einer von denen am Leben ist.“
Sie entzündeten eines der mitgebrachten Lichter, verließen auf Zehenspitzen die Stellung, in der sie sich verschanzt hatten und schlichen die fünfzig Meter hinüber zum Schlachtfeld. Das hatte diese Bezeichnung wirklich verdient. Die fünf Moroks lagen, übel zugerichtet im Graben neben, unter und über zweien ihrer Reittiere. Keiner von ihnen war mehr am Leben.
„Ui, die sehen nicht gut aus“, stellte Amandra fest und schüttelte sich, „aber sie haben bekommen, was sie verdient haben. Wenn die nicht dort unten lägen, wären wir jetzt tot. So herum ist es mir erheblich lieber.“
„Ja, es ist ein hässlicher Anblick. Zumindest brauchen sie sich keine Gedanken mehr über die Heimreise zu machen. Man soll ja immer das Positive sehen“, versuchte Emelda einen Scherz und verzog ihr Gesicht zu einem gequälten Grinsen.
Zu groß war noch die Anspannung der kurzen Schlacht und die Verwunderung über deren unerwarteten Verlauf als dass ein beherztes Lachen möglich gewesen wäre.
Plötzlich fuhren beide herum. Hufgetrappel war zu hören, nicht sehr laut, aber deutlich.
Amandra löschte mit einer kurzen, schnellen Bewegung die Fackel.
"Schnell, zurück in den Unterstand", flüsterte Emelda Amandra zu.
"So ein Mist!", antwortete Amandra ebenfalls flüsternd, "wer ist das jetzt? Ich dachte, die seien alle erledigt!"
Mit schnellen Sprüngen gingen sie in Deckung. Das Getrappel kam näher. Amandra und Emelda griffen nach ihren Bögen und Pfeilen. Das Schnauben eines Pferdes.
„Hallo……, Emelda? Amandra? Seid ihr hier“, rief eine junge, männliche Stimme.
„Oh, nein! Emmi, hörst du, was ich höre?"
Erleichtert ließen die beiden ihre Waffen sinken.
"Das ist Cichianon. Dann kann das Hufgeklapper eigentlich nur von `Allegro´ stammen.“
"Puh, bin ich froh! Ich dachte schon, da kommen wieder Moroks auf uns zu.
„Und Doriaaaandoooo“, rief es von der anderen Seite.
Die beiden Elfenmädels krochen aus ihrem Verschlag.
„Hallo Jungs“, rief Emelda erleichtert und hob grüssend die Hand, „ihr habt uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Außerdem kommt ihr zu spät.
Die Party ist vorbei. Wollt ihr beim Aufräumen helfen?“
„Die gute Emelda – immer ein Scherzchen auf den Lippen“, erwiderte Cichianon.
"...und so voller Dankbarkeit und Demut", ergänzte Doriando.
Sie kamen näher. Die beiden Elfenjungs mit ihren geschulterten Bögen, zusammen auf dem geflügelten Hengst gaben selbst in der doremisianischen Dunkelheit ein Bild von Kraft und Eleganz ab.
„Gamanziel und Sinja haben uns erzählt, wie und warum ihr getrennt wurdet. Und da dachten wir, dass ihr vielleicht Hilfe gebrauchen könnt.“
„Ein guter Gedanke“, antwortete Emelda.
„Moment mal, Gamanziel ist nicht tot und Sinja war bei euch?“, fragte jetzt Amandra.
„So ist es. Wir haben die beiden mit Ferendiano im Baumhaus zurückgelassen. Ich denke, sie werden jetzt auf dem Weg zu `Jambus´ sein.“
„Emmi, wir lagen goldrichtig mit unserer Einschätzung, dass die Glissandonachricht falsch war. Da wollte uns jemand in die Falle locken. Wenn wir drauf reingefallen wären, wären wir jetzt nicht nur den Kristall los, sondern würden wahrscheinlich anstelle dieser Stinktiere da unten im Graben liegen.“
„Viel verstehe ich noch nicht von dem, was ihr da gerade redet“, meinte Doriando.
„Aufklärung später“, entgegnete Amandra, „jetzt haben wir erst noch etwas anderes zu tun. Schön übrigens, dass ihr da seid. Das war eine hervorragende Idee, uns hier abzuholen.
Zu Fuß hätten wir wahrscheinlich zwei Sonnentänze gebraucht um zu `Jambus´ zu gelangen.“
„Was war denn hier eigentlich los?“, wollte Cichianon wissen.
„Es sieht ziemlich wüst aus. Und was liegt da unten in dem Graben rum und wie kommt der Graben überhaupt dort hin? Den habt ihr doch nicht etwa selbst ausgehoben?“
„Wo denkst du hin? Dazu waren wir gar nicht in der Lage.
Das waren ein paar Freunde von uns“, übertrieb Emelda
„Freunde?“
„Na ja, genau genommen waren es zwei Mugols!“
„Das glaub ich jetzt nicht! Was sagt man dazu? Kaum lässt man die Mädels mal alleine, bandeln sie mit den Mugols an. Doriando, wie findest du das? Seit wann sind die Mugols denn unsere Verbündeten. Die gehen uns doch normalerweise aus dem Weg.“
„Ich vermute“, setzte Amandra fort, „sie haben sich gedacht, dass besondere Zeiten besondere Maßnahmen erfordern und sind mal über ihren mächtigen Schatten gesprungen. Das war unser Glück. Sonst würden wir jetzt nicht so angeregt plaudern. Seht euch den Bruch da unten im Graben ruhig mal an. Wären die über uns hergefallen, hätte es Elfen am Spieß gegeben, so wahr ich hier stehe.“
„Ja, ich bin ganz gespannt! Lasst mal sehen!“, forderte Doriando und ging zum Graben, um sich das Ergebnis der Schlacht anzusehen.
„Uiuiui! Die haben denen aber ganz ordentlich die Helme verbeult.“
„Ja, es hat hübsch gekracht, sagte Emelda, „wo ein Mugol hinschlägt, da wächst kein Gras mehr. Besser, man zählt sie zu seinen Freunden.“
„Zumindest nicht zu seinen Feinden.“
„So Jungs! Jetzt haben wir aber lange genug geplaudert. Helft uns bitte beim Packen, dass wir hier wegkommen. So toll ist das hier nicht, dass man den Aufenthalt künstlich verlämgern muss. Super, das ihr gekommen seid. Danke!“
„Na, wir können doch unsere Schwestern nicht hängen lassen.“
Emelda und Amandra gruben das Kästchen mit dem Kristall wieder aus und verstauten es in Amandras Rucksack. Dann schütteten die vier, soweit dies möglich war, den Graben zu, den die Mugols ausgehoben hatten. Vielleicht würde in vielen hundert Jahren ein interessierter Forscher die Knochen der Moroks und ihrer Gifhars ausgraben und die Geschichte der Schlacht von `Leggiero´ neu schreiben. Dass hier Elfen und Mugols zusammen gegen Moroks gekämpft hatten, das würde ihm sicher nicht im Traum einfallen. Zu unwahrscheinlich war das. Und doch hat es sich genau so zugetragen.
Als die Arbeit getan war, packten die vier ihre Bündel, setzten sich auf `Allegros´ Rücken und ritten zurück in Richtung der Wälder von `Adagio´. Der Hengst trug sie leicht.