Читать книгу Winzerschuld - Andreas Wagner - Страница 15

8

Оглавление

»Du bist aber früh dran.«

Er zuckte zusammen und fuhr herum, obwohl er wusste, zu wem diese Stimme gehörte. Niemand sonst war ihm so vertraut wie sie. Ihre wohltuende Nähe begleitete ihn schon sein ganzes Leben.

»Musst du mich so erschrecken?« Daniel bedachte seine Schwester mit einem tadelnden Blick, drehte sich wieder weg und zog die nächste leere Wasserflasche aus der Plastikkiste.

»Ich hätte um diese Uhrzeit noch nicht mit dir gerechnet. Du hast gestern ordentlich Gas gegeben. Bist du auch über die Felder heimgelaufen und hintenherum zum Haus?« Laura erwartete keine Antwort. Sie fasste ihre blonden Haare am Hinterkopf zusammen und zog den Haargummi darüber, den sie am Handgelenk getragen hatte. »Soll ich dir helfen?« Sie langte nach einer der Wasserflaschen, zog sie aus der Kiste und schraubte den Plastikdeckel ab.

»Ich bin ohnehin gleich fertig. Die andere Kiste ist schon voll und steht unter Fass dreiunddreißig.«

»Hat das nicht Zeit bis Montag?«

»Wie sollen wir dann am Dienstag die große Probe für die Frühjahrsabfüllung machen?« Daniel drehte den Kosthahn am großen Stahltank auf. Der Jungwein, der in die durchsichtige Glasflasche floss, zeigte noch eine leichte Trübung.

»Ich habe die Hefe erst gestern Vormittag noch mal aufgerührt, wie wir es besprochen haben, deswegen ist er noch nicht ganz blank. Es wäre besser, wenn du bis morgen wartest.« Sie versuchte, möglichst wenig vorwurfsvoll zu klingen.

»Ich kann die Proben morgen aber nicht ins Labor bringen. Heute ist bis zehn jemand da, so bekommen wir am Montagnachmittag die Analyse, Schwesterlein. Und nur mit Analyse macht es überhaupt Sinn, am Dienstag die Jungweine zu probieren und zu entscheiden, was in der ersten Runde in drei Wochen und was erst später, Anfang Mai, abgefüllt wird.«

»Sei doch nicht gleich genervt.«

»Ich bin nicht genervt, sondern müde. Bei mir war es kurz nach drei. Wann bist du heim?«

Laura zuckte mit den Schultern, weil sie nicht auf die Uhr geschaut hatte. »Es war jedenfalls noch nicht hell.« Sie grinste. »Genauer kann ich es nicht eingrenzen.« Sie strich ihrem Bruder über den Rücken. Der hellbraune Stoff seiner Multifunktionsjacke fühlte sich unangenehm rau an. Die geschwungenen Buchstaben lösten sich bereits an manchen Stellen. Spätestens nach dem nächsten Waschen würden welche fehlen. »Weingut Reichelsheimer Hof«. Sie besaß die gleiche. Ihre Jacke sah aber eindeutig noch besser aus, was daran lag, dass Daniel meistens mit draußen war und auch hier im Keller die Arbeiten übernahm, bei denen man sich dreckig machte. »Du warst auf einmal weg und hast dich nicht mal von mir verabschiedet.«

»Ich hatte genug.«

»Genug Alkohol oder genug von Johanna?«

Er reagierte nicht. Die Flasche war voll. Mit einer schnellen Bewegung drehte er den Kosthahn zu und reichte sie ihr. Dafür erhielt er von ihr die leere und ging zum nächsten Fass, um sie dort zu befüllen. Der Wein war klar, fast golden.

Die Farbe faszinierte Laura. »Dem sieht man die lange Maischestandzeit deutlich an.«

Daniel nickte.

Die Trauben aus ihrem ältesten Grauen Burgunder hatten sie Anfang Oktober noch vor Sonnenaufgang gelesen. Sie waren reif, zuckersüß und mussten schleunigst vom Stock, damit der Wein nicht zu alkoholisch und fett wurde. Für den Lesetag waren über zwanzig Grad und strahlender Sonnenschein vorhergesagt gewesen. Daher hatten sie mitten in der Nacht angefangen. Der Lesetrupp war nicht gerade begeistert gewesen. Bis die ersten Sonnenstrahlen durchbrachen, hatte keiner der Polen auch nur ein Wort gesagt. Das war sonst nicht ihre Art. Jazek hatte abends sogar bissig gefragt: »Chefin, morgen wieder Frühschicht?« Was er dachte, stand ihm ins Gesicht geschrieben: die Schnapsideen der Jungen. Beim Vater hat es das nicht gegeben.

Sie brauchten die Trauben kalt, für die weiteren Schritte und vor allem für die mehrtägige Standzeit der Maische. Nur so waren das Aroma und die Farbe aus den Schalen zu lösen. Dabei durfte aber die Gärung nicht beginnen. Entscheidend war daher die Temperatur. Am besten kamen die Trauben mit zehn Grad oder weniger ins Kelterhaus und auf den Entrapper. Nach dem Entfernen der Stiele und Stängel hatten sie zum Schutz noch etwas Trockeneis auf den Wannen verteilt. Der Kohlenstoffdioxidnebel verdrängte den Sauerstoff und wirkte als Oxidationsschutz. Zur Not hätten sie damit die Maische kühlen können. Es war aber ein Grundsatz ihrer Arbeitsweise, auf energieintensive Arbeitsschritte zu verzichten, wenn es zu vermeiden war und die Qualität darunter nicht litt. Den Einsatz von Trockeneis für die Kühlung der Maische hatten sie auf diese Weise um mehr als die Hälfte reduziert.

In diesem Bereich lagen sie gut im Rahmen ihres selbst gesteckten Ziels, bei steigender Fläche und Weinproduktion dennoch den Ausstoß von CO2 zu reduzieren. Sie sahen darin eine ihrer wichtigsten Aufgaben neben dem Marketing und dem Verkauf. Ihre Kunden honorierten diese Bemühungen, und spätestens wenn die für die nächsten fünf Jahre geplanten umfangreichen Umbaumaßnahmen abgeschlossen waren, würden sie vollständig klimaneutral und ressourcenschonend produzieren. Die gesamte Dachfläche des neuen Kellereikomplexes musste dazu mit Solarpaneelen bedeckt werden.

Weit kniffliger und längst nicht gelöst war die Frage der Klärung der eigenen Kellereiabwässer. Die Planungen für einen eigenen mehrstufigen Reinigungsteich hinter dem Gehöft liefen. Die Nähe zur Selz war das große Problem. Nach Fassenacht sollten die Gespräche mit den beteiligten Behörden beginnen. Ob diese nach ihren Vorstellungen ablaufen würden, stand in den Sternen. Wenn es nach den Beamten ging, sollten sie mit unerfüllbaren Auflagen zum Schutz der Selz bei Hochwasser oder ähnlichen vollkommen unrealistischen Risiken belegt werden.

Laura nahm Daniel die nächste volle Flasche ab, die sie neben den anderen in der Wasserkiste platzierte. »Ziehst du von der Variante aus dem Stückfass auch eine Probe?«

»Die habe ich schon. Sie schmeckt geil.« Daniel blickte kurz in ihre Richtung. »Kannst gerne einen Schluck aus der Flasche nehmen. Für die Analyse ist es ohnehin zu viel. Es ist die Nummer sechsunddreißig.«

Den Grauen Burgunder aus dem Kalkmergelband des Teufelspfads hatten sie nach dem Keltern aufgeteilt. Zweitausend Liter waren vergoren und reiften hier im Edelstahltank. Die kleinere Restmenge von zwölfhundert Litern hatten sie in ein altes Holzfass gelegt. Beide Weine hatten sich dadurch ganz unterschiedlich entwickelt. Der im Holzfass besaß Schmelz und zarte Noten von Karamell, der im Stahl protzte mit Fruchtigkeit und kühler Mineralität. Kurz vor der Abfüllung wiedervereint, würde ein komplexer und kräftiger Weißwein entstehen, der typisch für den muschelkalkigen Bereich in ihrer Lieblingslage war, auf dem sich die Reben seit Jahrzehnten in die Tiefe arbeiteten. Ob beide Teile wirklich so gut zusammenpassten, wie sie annahmen, war eine der vielen Fragen, die sie am Dienstag zu klären hatten. Dazu benötigten sie die Analysen aus dem Labor, die Auskunft über Säuregehalt, Alkohol und Süße gaben.

»Du hättest gern jeden für sich auf der Flasche? Separat voneinander?« Laura schraubte die nächste Wasserflasche auf.

Daniel zuckte mit den Schultern. »Du kennst meinen Geschmack, aber ich weiß, dass wir dafür keine Kundschaft haben. Sie wollen die Fruchtigkeit, und die sollen sie bekommen. Im nächsten Jahr lege ich mir ein Barrique zur Seite. Ganz für mich allein.« Er grinste sie an. Es tat ihr gut, ihn so zu sehen.

»Das Küken ist dir ja auf Schritt und Tritt gefolgt.« Sie bereute die Worte sofort, weil sie an seinem Gesichtsausdruck erkennen konnte, dass er sie unpassend fand.

»Lass das.« Abrupt drehte er sich von ihr weg und ging zum nächsten Fass.

»Entschuldige, ich wusste nicht, dass …«

»Da gibt es nichts zu wissen. Lass es einfach.«

Schweigend lauschten sie dem Plätschern des Rieslings aus dem Elsheimer Bockstein auf seinem Weg in die Wasserflasche. Sie mochte diese Stille nicht. Sie störte.

»Mit Jochen ist es aus.«

Er reagierte nicht.

Seit sie denken konnte, redeten sie und Daniel über alles. Sie gehörten zusammen, von Anfang an. Winternheimers Zwillinge. Schon immer waren aber auch ihre Anteile am Gespräch ungleichmäßig verteilt. Daniel geizte mit langen Ausführungen. Seine Meinungsäußerungen waren stets kurz und knapp. Sie mochte diesen Wesenszug ihres Bruders und war manchmal neidisch, dass sie selbst die Dinge nicht so auf den Punkt bringen konnte wie er.

»Ich habe es ihm gestern gesagt.«

»War er deswegen nicht dabei?«

»Ich denke, ja. Ganz ahnungslos kann er nicht gewesen sein. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass er noch voll dahintersteht. Zwischen uns plätscherte es so dahin in den letzten Wochen. Das kann es doch nicht sein.« Sie schob die Wasserkiste mit dem Fuß ein Stück weiter. Das Plastik knirschte auf dem rauen Betonboden.

Gestern Nachmittag hatte sie geweint und eigentlich nicht mit zur Sitzung gewollt. Ihr Vater hatte aber nicht mit sich reden lassen. Nach der ausgelassenen Party im Anschluss daran sah die Welt schon wieder ganz anders aus. Sie fühlte sich in ihrem Entschluss bestätigt. Es passte einfach nicht.

»Da wird unser Vater aber enttäuscht sein.«

Sie bemerkte den sarkastischen Tonfall in Daniels Stimme. Er hatte sie in den vergangenen Wochen und Monaten häufig genug damit aufgezogen. »Alle Erwartungen ruhen auf dir.« – »Auf dich kann man sich verlassen. Ganz im Dienste der Familie, der Dynastie.« – »Der große Schritt für die Zukunft des Reichelsheimer Hofes.« Ihr Vater hatte sich hingegen weitgehend zurückgehalten. Sie wusste, dass Jochen und vor allem dessen Vater Klaus nicht zu seinen liebsten Winzerkollegen zählten. Schnee von gestern nach ihrem Entschluss und dem knappen Gespräch mit Jochen. »Ist Papa schon aufgetaucht?«

»Ich habe ihn nicht gesehen.« Er hielt kurz inne. »Sie aber auch nicht.«

»Lass Mama in Ruhe. Das ist einzig und allein ihre Entscheidung.«

Daniel fuhr herum und blickte sie lauernd an. »Schätzchen, du weißt, dass das nicht stimmt. Ich habe es dir vorgestern schon mal erklärt.« Er kam auf sie zu. Die Wasserflasche war nur halb voll, der Wein darin schimmerte noch trüber als der, den sie frisch aufgerührt hatte. Daniel schien das egal zu sein. »Es ist alles andere als allein ihre Entscheidung, weil es dabei um unsere Zukunft geht. Sie macht unsere Pläne zunichte! Wenn sie das wirklich durchzieht, brauchen wir mit dem Ausbau gar nicht erst anzufangen. Unter diesen unsicheren Bedingungen wird uns die Bank kaum den benötigten Kreditrahmen einräumen.« Verärgert wandte er sich ab, er schien einen Moment zu brauchen, um sich zu sammeln.

Sie kannte das schon. Er wiederholte nur, was er bereits neulich lautstark deutlich gemacht hatte. Was das betraf, waren sie verschiedener Meinung, doch sie wollte sich nicht mit Daniel streiten. Als sie eben einen versöhnlichen Ton anschlagen wollte, fuhr er dazwischen: »Sie hat einen Neuen! Und das macht die ganze Sache noch komplizierter.«

»Sei still«, zischte sie. Obwohl sie hier unten zwischen den Fässern niemand hören konnte, wollte sie das Gespräch nicht in dieser Lautstärke führen. Ihr Vater würde bis Mittag nicht ansprechbar sein, er schlief seinen Sitzungsrausch aus, und Mamas Schlafzimmer, in das sie heute Nacht beim Nachhausekommen einen ersten Blick geworfen hatte, war auch vorhin noch leer und das schmale Bett unberührt gewesen.

»Du willst die Wahrheit nicht hören! Du hast es mir doch selbst gesagt! Das ist ihre Sache, natürlich, aber nur, solange sie es nicht durchzieht. Es zerreißt unsere Familie. Na gut. Vielleicht nicht sofort. Aber was ist, wenn der Neue sie drängt, reinen Tisch zu machen? Hast du darüber mal nachgedacht? Wenn sie ihren Anteil möchte, wird es teuer. Und selbst wenn das nicht der Fall ist, denke nur mal ein Stück in die Zukunft. Unsere Mutter lässt sich scheiden und heiratet ihren Neuen. Gehört ihm dann auch ein Teil von alldem hier?« Daniel blickte sie fragend und herausfordernd an. Seine Augen waren gerötet. Er schnaufte.

»Du denkst immer nur an das Geld!« Laura spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen. Die Umrisse ihres Zwillingsbruders verschwammen und wurden eins mit den in Reihe stehenden Edelstahlbehältern, in denen die Weine des neuen Jahrgangs reiften. Sie verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. »Sie hat es ertragen, all die Jahre, wegen uns!«

»Das weiß ich doch.« Seine Stimme klang jetzt weniger aggressiv. Sie wusste, dass er sie nicht weinen sehen konnte. Einen Moment lang herrschte Stille.

Aus einem der Fässer hinter ihr drückte sich eine Luftblase durch das Wasser im Gärröhrchen nach oben. Das Geräusch, das dadurch verursacht wurde, klang wie das ausgelassene Blubbern, das sie als Kind so gerne mit dem Strohhalm produziert hatte, um ihren Vater aus der Reserve zu locken. Höchstens zweimal hatte sie kräftig hineinblasen müssen, damit er mahnend von seinem Teller aufblickte. Bis zum Verbot des Sandmännchens hatte sie noch drei bis vier weitere Versuche, abhängig von seiner Laune und davon, wie gut es ihr gelang, ihn mit ihrem Lächeln milde zu stimmen.

Bei Daniel ging es meistens schneller. Er schaffte höchstens zwei Versuche bis zum Fernsehverbot. Und Milde konnte er selten erwarten. Lauras Lächeln wirkte bei ihrem Vater heute noch genauso. Sie wurde daher von Daniel in den letzten anderthalb Jahren immer dann vorgeschoben, wenn es darum ging, dem Vater die benötigten Summen für neue Geräte aus den Rippen zu leiern. Sie brauchte selten lange, um ihn von der Notwendigkeit zu überzeugen.

Bei der optischen Traubensortieranlage war etwas mehr Einsatz nötig gewesen, dieser Investition hatte ihr Vater erst nach Wochen zugestimmt. Vor dem Herbst war sie geliefert und aufgebaut worden. Den gesamten Jahrgang hatten sie, bis auf wenige Ausnahmen, darüber laufen lassen. Das Ergebnis war beeindruckend gewesen. Jede der vier Spezialkameras war mit sechzehn Druckluftdüsen verknüpft. Im freien Fall erkannten sie schadhafte, faule und unreife Beeren und schossen diese bereits im Flug heraus. Das ging in einem derart rasenden Tempo vonstatten, dass die Anlage bis zu fünf Tonnen Trauben pro Stunde selektieren konnte. Und zwar weit sauberer, als es ihre Truppe bei der Handlese hinbekam. Das hatte auch ihren Vater überzeugt, obwohl er immer noch jedes Mal den Kopf schüttelte, wenn er an der neuen Traubenverarbeitungslinie vorbeikam, die an der Kelter endete. Zusammen mit dem auf die Sortieranlage abgestimmten neuen Entrapper hatten sie dafür mehr als hunderttausend Euro ausgegeben.

Das war aber alles nur ein Klacks im Vergleich zu dem, was sie in den nächsten fünf Jahren vorhatten. Drei Bauabschnitte, mit denen sie den Reichelsheimer Hof fit für die nächsten Jahrzehnte machen würden. Die Planung stand, die Finanzierung war ambitioniert, aber machbar, und sie würden zudem einen ordentlichen Zuschuss aus der EU-Förderung bekommen. Sie hatten mehr als ein halbes Jahr intensive Arbeit in dieses Projekt investiert, zusammen mit dem Architekten aus Mainz und dem Kellereiausstatter aus Alzey. Inzwischen gab es nur noch Details zu klären, bevor es Mitte des kommenden Jahres endlich losgehen konnte.

»Er ist Anwalt, Schwerpunkt Immobilienrecht.« Daniel riss sie aus ihren Gedanken. Sie musste sich kurz sortieren, ehe sie antwortete.

»Hast du ihr nachspioniert?« Sie fuhr sich über die Augen, obwohl sie ahnte, dass es das Brennen nur noch schlimmer machte. Gleich würden die Tränen richtig fließen. Sie kämpfte erfolglos dagegen an.

»Das ist mein gutes Recht! Ich muss wissen, was uns erwartet. Und tu nicht so! Du weißt das alles schon längst. Mit dir redet sie darüber, mit mir nicht. Wenn sie geht und es ernst wird mit dem Neuen, sind die nächsten Schritte klar: Scheidung und Aufteilung. Und der Lover unserer Mutter wird schon wissen, was ihr zusteht. Die Hälfte von allem, was in den letzten fünfundzwanzig Jahren verdient worden ist. Du brauchst sicher keinen Taschenrechner, um zu erkennen, dass uns das auf Jahre hinaus aller finanziellen Möglichkeiten beraubt. Selbst wenn es so weit nicht kommt, weil sie ihre Hälfte nicht sofort einfordert, werden wir uns in Zukunft bei jeder Entscheidung umständlich mit ihr und ihrem Lover abstimmen müssen. Die Pläne des Architekten für unsere Neubauten kannst du also getrost in die Tonne hauen. Das Thema ist durch. Wir kriegen erst mal keinen Cent von der Bank.«

»Das weißt du doch gar nicht. Und warum sollte Mama das wollen?« Sie schluchzte, fing sich aber sogleich wieder. »Sie hat mir gesagt, dass sie es nicht mehr aushält, dass es immer schlimmer wird.« Sie flüsterte jetzt. »Daniel, du weißt, dass er sie schlägt. Wir haben das schon als kleine Kinder mitbekommen.« Ihre Stimme zitterte. »Er tut ihr weh. Sie kann nicht mehr.«

Durch den Tränenschleier sah sie, dass er vorsichtig näher kam. Sie spürte seine wohltuende Wärme und den sanften Druck, als er sie tröstend in die Arme schloss. Seine rechte Hand fuhr über ihren Kopf und schob sich am Zopf vorbei, um in ihrem Nacken zu verharren. Seine Hand war eisig kalt.

Winzerschuld

Подняться наверх