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Prolog

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Der schmale Weg leuchtete im Mondlicht. Unter ihren Füßen knirschte der Schotter. Sie wollte ihre brennenden Augen schließen, nur mit allergrößter Mühe konnte sie die Lider offen halten. Angestrengt schleppte sie sich vorwärts. Ihre Knie und die heißen Füße in den Turnschuhen schmerzten bei jedem Schritt. Ach, wäre sie doch schon daheim in ihrem Bett. Sie sehnte den Moment herbei, in dem sie endlich die Beine und auch den Rest ihres erschöpften Körpers ausstrecken konnte.

Sie spürte seine Hand auf ihrem Rücken. Ein sanfter Druck zwischen ihren Schulterblättern, der guttat und ihr die Richtung vorgab in dieser Nacht, die so schön begonnen und doch im totalen Chaos geendet hatte. Wie immer, weil sie die Kontrolle verloren hatte. Über sich und alles um sich herum. Sie schluckte und schloss nun doch die Augen, durch die Tränen hindurch konnte sie jetzt ohnehin nichts mehr sehen. Er schob sie sanft, aber entschlossen weiter dem Ziel entgegen, das nicht mehr weit sein konnte.

Die Müdigkeit drohte sie zu übermannen, schon jetzt, auf dem Weg zu seinem Auto. Der Kampf gegen den Schlaf würde sich als aussichtslos erweisen, wenn sie erst einmal auf dem weichen Polster des Beifahrersitzes Platz genommen hatte. Sie wusste, dass sie dann keine Chance mehr hatte. Er würde dafür Verständnis haben und sie in Ruhe schlafen lassen. Sie wollte nicht reden, nicht über Belanglosigkeiten und schon gar nicht darüber, dass sie immer auf die Falschen traf. Sie schluchzte laut auf und sank noch etwas mehr in sich zusammen.

Mühsam ging sie weiter, setzte schwerfällig einen Schritt nach dem anderen. Blind, mit geschlossenen Augen, durch die weiter ihre Tränen quollen. In schmalen Strömen bahnten sie sich ihren Weg. Die Schminke war sowieso längst ruiniert. Zum Fürchten sah sie aus. Verheult, weil sie wieder einmal realisiert hatte, dass sie sich zu schnell an jemanden geklammert hatte, der es nicht wert war. Lag es am Überschwang und der Euphorie, die die halbe Flasche süßer Sekt in ihr entfacht hatte, oder fehlte es ihr schlicht an Urteilsvermögen? Wie sollte man denn die Richtigen von den Falschen unterscheiden? Er war ein richtiges Arschloch gewesen!

Sie rieb sich mit dem Handrücken über die tränenden Augen und versuchte, durch den Schleier, der blieb, abzuschätzen, wie weit sie noch zu laufen hatte. Sie musste die Augen weit aufreißen, um überhaupt etwas erkennen zu können. Der Druck seiner Hand auf ihrem Rücken verstärkte sich. Er schob sie unerbittlich weiter, obwohl sie gern für einen Moment stehen geblieben wäre. War das überhaupt der Weg zum Parkplatz? Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Sie stemmte sich gegen den Druck auf ihrem Rücken, schluckte, um den Mund frei zu bekommen für die Worte, die sie dann doch nicht herausbrachte. Vor ihren Augen drehte sich alles. Sie wankte. Die Fragen, die ihr in diesem Augenblick zäh wie Watte durch den müden Schädel flossen, verstärkten den Schwindel.

Der feste Griff seiner zweiten Hand, die sie jetzt auf ihrer Brust spüren konnte, ließ sie zusammenzucken. Sie riss den Mund auf und wollte schreien. Ein erstickter Laut löste sich aus ihrer Kehle. Sie glaubte, gar nicht weit entfernt Stimmen und das Schlagen einer Autotür zu vernehmen. Er zog sie an sich, presste sie gegen seine Brust. Sie versuchte, sich aus der Umklammerung herauszuwinden. Ohne Erfolg. Er riss an ihrer Bluse. Die Knöpfe sprangen fort und hüpften munter über den Schotter. Gleich darauf spürte sie seine rauen Handflächen auf ihrer Haut. Er zerrte den BH zur Seite und quetschte ihre Brust so sehr, dass sie vor unbändigem Schmerz endlich schreien konnte. Sie brüllte heiser. Das Geräusch wurde sogleich von seiner groben Hand erstickt, die sich fast über ihr gesamtes Gesicht legte. Sie versuchte Luft zu bekommen, während er sie auf den Boden drückte. Ihre schwarze Perücke fiel ihr vom Kopf. Sie schlug wild um sich und traf ihn, ohne dass ihn das davon abbrachte, sich auf sie zu setzen. Das Gras, in dem sie lag, war eisig und feucht.

Als er die Hand von ihrem Gesicht nahm, rang sie gierig nach Luft. Doch bevor sie erneut schreien konnte, hatte er ihren Hals mit beiden Händen umfasst. Schmerz durchfuhr sie. Sie versuchte mit letzter Kraft, sich aufzubäumen. Sein Gewicht hielt sie unten. Gedämpfte Stimmen drangen an ihr Ohr. Gelächter. Aus den Augenwinkeln konnte sie ein Pferd erkennen, das sich vorsichtig näherte. Es starrte sie aus dunklen Augen an und bewegte neugierig den Kopf auf und nieder. Dann legte sich eine große, dumpfe Schwärze über alles. Sie seufzte und fiel immer tiefer hinab in die endlose Dunkelheit.

Winzerschuld

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