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23. April 2009 - Stralsund

„Marion?“ Regina Vollmer ging nach hinten in den Aufenthaltsraum ihrer Apotheke, um ihre Kollegin zu holen, die sich gerade einen Kaffee eingoss und frühstücken wollte.

Marion schaute auf und als sie das Gesicht ihrer Chefin sah, wusste sie Bescheid.

„Nein, nicht schon wieder.“

„Ich hab versucht ihn abzuwimmeln, aber er will nicht gehen, er will dich nur ganz kurz sprechen.“

„Wie immer.“ Marion stöhnte. „Warum hat er erst diese Scheiße gemacht, wenn er jetzt wieder angekrochen kommt?“

„Geh bitte zu ihm“, bat Regina sie. „Ich möchte nicht, dass er wieder Krawall macht, wie beim letzten Mal. Diesmal hole ich die Polizei.“

„Gute Idee“, stimmte Marion zu. „Rufen wir die Polizei. Vielleicht begreift er dann, dass es kein Zurück mehr gibt.“

„Bitte Marion, versuch es in Ruhe mit ihm zu klären. Die Polizei möchte ich nur im Notfall holen, nur dann, wenn er wieder ausrastet. Ihr seid erwachsene Menschen. Könnt ihr euer Problem nicht mal klären? Und zwar nicht hier im Laden?“

„Sag ihm das. Für mich ist alles geklärt. Er hat eine Andere kennen gelernt, ich habe es akzeptiert, auch wenn es mir schlecht ging. Nun will er zurück. Und irgendwann kommt die Nächste. Ne, nicht mit mir. Ich hab mich mit dem Gedanken zwar noch nicht anfreunden können, nun allein zu leben, aber so was soll mir nicht noch einmal passieren.“

„Marion?“ Sie hörten ihn rufen. „Komm bitte kurz zu mir. Ich bin auch gleich wieder weg.“

Widerwillig stand Marion auf und ging in den Verkaufsraum. Am Vormittag war zum Glück nie viel los. Er stand neben einem Regal, in dem unter anderem die Kondome auslagen. War das Absicht?

Sie musste innerlich grinsen, als sie ihn in seinem grauen schlapprigen Lieblingspullover sah, den sie schon immer hässlich fand. Seine neue Flamme schien da wohl anderer Meinung zu sein.

„Was willst du, Uwe? Wann kapierst du endlich, dass es kein Zurück mehr gibt? Es ist vorbei. Geh zu der…“

„Okay, okay“, fiel er ihr ins Wort, „ich sehe ein, du lässt dich nicht umstimmen und ich akzeptiere es. Ich will dich nur fragen, wie wir es mit den Möbeln machen. Wir haben sie gemeinsam gekauft und ich denke, ein paar davon stehen mir zu.“

Schlagartig wurde es Marion schwummrig vor den Augen. Sie musste sich setzen. Was war das? Lag es an der Endgültigkeit? Bis jetzt versuchte er immer, sie zurück zu gewinnen, aber nun wollte er sich mit der Trennung abfinden und einen Teil der gemeinsamen Möbel abholen. Sie hatte sich stark gefühlt, ihn abzuweisen. Nun zweifelte sie, ob es richtig war. Hätte sie ihm nicht doch noch eine Chance geben sollen? Nach all den Jahren, die sie verheiratet waren? Nein, es hatte zu sehr wehgetan, als er ihr von der Anderen erzählte, als er die Wohnung verließ und nicht zurückkam. Aus Wut und Verzweiflung hatte sie damals gleich das Türschloss ausgewechselt, auch wenn das nicht rechtens war. Er besaß dort immer noch Wohnrecht, hatte sich aber darüber nie beklagt. Seitdem kam er immer in die Apotheke, um mit ihr zu reden und sie um eine zweite Chance zu bitten. Aber sie war hart geblieben und das würde sie auch bleiben.

„Geht es dir nicht gut, Marion?“ Uwe schaute sie mit zärtlichem Blick an.

Marion riss sich zusammen und erhob sich. „Doch, alles in Ordnung. Hab bloß heute viel zu tun und nun bringst du mich auch noch um meine Frühstückspause.“

„Entschuldige. Es wird das letzte Mal sein. Wenn wir die Möbel geteilt haben, siehst du mich nicht wieder.“

„Morgen Nachmittag habe ich frei.“ Ihre Stimme klang schärfer als beabsichtigt. Sie versuchte damit ihre Emotionen zu verbergen, was ihr nicht ganz gelang. „Wir könnten uns in einem Café treffen und darüber reden. Ab wann kannst du?“

„Sagen wir 16:30 Uhr? Wo ist es dir recht?“

Marion überlegte. Sie wollte nirgendwohin gehen, wo sie mit ihm war. „In der Wasserstraße gibt es ein kleines Café. Urig und gemütlich. Ich war da neulich mal mit Regina. Treffen wir uns dort halb fünf.“

„Ich kenne das Café. Hast Recht. Ist wirklich gemütlich dort. Also bis morgen halb fünf.“

Er drehte sich um und verließ die Apotheke.

Das Café kennt er also, dachte sie. Mit mir war er dort nie. Sicher mit seiner Neuen.

Sie ging nach hinten, setzte sich auf einen Stuhl und fing an zu weinen.

Das Gedicht der Toten

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