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Summer Wine – Ville Valo & Natalia Avelon

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Nachdem sie gemeinsam den Cadillac zugedeckt hatten, schob er das Scheunentor zu und wunderte sich, wie sie den schweren Flügel überhaupt bewegen konnte.

Im Haus lief eine breite Diele bis zur gegenüberliegenden Außenwand und einer weiteren Tür; ab der Hälfte führte eine alte, ausgetretene Holztreppe nach oben. Ebenfalls alte, breite Dielenbretter bedeckten den Boden. Links zog sich über die gesamte Länge der Diele eine gusseiserne Hakenleiste, an der mehrere Kombis hingen, darüber auf einem Bord mehrere Helme. Rechts stand ein schweres, dunkles Sideboard, darüber hing an einem Haken ein Jagdgewehr.

Die Küche war modern, hell und italienisch anmutend, das Wohnzimmer geräumig über die gesamte Breite am Südende des Hauses und über große französische Flügeltüren mit der ihm schon bekannten Terrasse verbunden. Ein moderner Kamin bildete einen interessanten Gegensatz zur sonst regionalen, gemütlichen Einrichtung.

„Was willst du trinken? Alkoholfreies hab ich nur Weizen und Wasser aus der Leitung“, rief Charly aus der Küche.

„Weizen klingt gut.“

„Hell oder dunkel?“

„Dunkel.“

Sie kam mit schnellen Schritten ins Wohnzimmer und stellte zwei Flaschen auf den rustikalen Esstisch. „Du machst Feuer, ich Essen“, wies sie an. Damit verschwand sie erneut in der Küche.

Zehn Minuten später saßen sie bei knisterndem Kaminfeuer im Wohnzimmer und futterten Nudeln mit Gorgonzolasauce.

„Sind das Spaghetti?“

„Capellini. Die brauchen nur drei Minuten“, grinste Charly. „Wenn ich Hunger habe, muss es schnell gehen.“

„Das werde ich mir merken“, schmunzelte er. „Schmeckt jedenfalls sehr gut.“

„Freut mich.“

„Woher wusstest du, was ich fragen wollte, in der Scheune?“

Sie lachte. „Weil jeder Mann unter die Motorhaube eines Caddys schauen will. Ich habe in Kuba jeden Taxifahrer verrückt gemacht, weil ich vor oder nach der Fahrt unbedingt den Motor sehen wollte. Das machen sonst nur Männer.“

„Du warst in Kuba?“

„Mit meinem Dad. Ist fast zehn Jahre her.“

Schweigend machten sie sich über ihre Portionen her. Sie besetzten die gegenüberliegenden Ecken des riesigen Big Sofas und er beobachtete sie während des Essens.

‚Sie beobachtet mich auch’, bemerkte er, ‚aber unauffälliger.’

„Ich wundere mich, dass wir uns noch nie gesehen haben“, eröffnete er ein unverfängliches Thema. ‚Sie wohnt neben meinem Patenonkel, fährt eine Handvoll auffälliger Fahrzeuge und wir haben uns noch nie gesehen? Das kann es eigentlich nicht geben!’ wunderte er sich insgeheim.

„Ich bin entweder zur Arbeit, bastele zu Hause oder bin auf Tour. Der einzige Motorradtreff, den ich hier in der Gegend anfahre, ist der, wo wir uns das erste Mal gesehen haben. Meist auch nur, wenn Mellis Motorrad muckt oder ich dringend einen Kaffee brauche.“

„Sie ließ sich partout nicht überreden, mir deine Telefonnummer zu geben“, schmunzelte er. „Du hast doch sicher Freunde?“

„Ist eine gegenseitige Abmachung aus der Zeit, als wir beide allein gewohnt haben.“

‚Bilde ich es mir ein, oder hat sich ein Schatten über ihre Züge gelegt?’, überlegte er. Ihre nächsten Worte lenkten ihn von seinen Betrachtungen ab.

„Freunde allgemein, oder einen Freund im Besonderen?“, neckte sie mit schelmischem Lächeln.

„Sowohl als auch“, ließ er sich nicht aus der Ruhe bringen.

„Ich habe hier ein paar Leute, mit denen ich klettern gehe. Unter anderem Melli. In Chemnitz bin ich ein bisschen in der Clique meines Adoptivbruders verbandelt, aber einen festen Freund habe ich nicht“, gab sie preis.

Er lachte. „Jede Antwort von dir wirft drei neue Fragen auf, mindestens.“

„Dann frag doch. Wenn ich etwas nicht beantworten will, sage ich dir das schon.“

Er nahm sie beim Wort und fragte sie leidlich aus. Auch sie war neugierig und stellte so manche Frage. Nach dem Essen hielt sie ihr leeres Glas fragend in die Höhe. „Noch eins?“

Er streckte sich, zögerte. Er war müde und hatte überhaupt keine Energie mehr, sich jetzt aus der kuscheligen Kaminwärme aufs Motorrad zu setzen und nach Hause in seine kalte Wohnung zu fahren. ‚Noch nicht’, dachte er. „Ich sage nur eben meinem Vater Bescheid, dass es später wird.“

Sie nickte und brachte das Geschirr in die Küche. Solange er sprach, beschäftigte sie sich da und kehrte mit zwei vollen Bierflaschen zurück. Sie hatte es sich eben wieder gemütlich gemacht, als draußen ein heller Blitz aufzuckte, gefolgt von einem krachenden Donnerschlag, dann rauschte Platzregen herab.

„Verdammt, mein Helm!“ Er schoss vom Sofa hoch, aber sie war schneller. Als er bei der Haustür ankam, schlüpfte sie gerade in Stiefeln und Regenponcho hinaus, schnappte den Helm vom Spiegel und die Handschuhe aus dem Cockpit, kam zurück und packte beides aufs Sideboard.

„Ich mache dir unterm Dach Platz!“ Schon war sie wieder draußen. Er folgte ihr. Als er am Carport ankam, hatte sie eine kleine schwarze Suzuki in die hintere Ecke verfrachtet. Er trabte zu seiner BMW und schob sie in die entstandene Lücke. Dann rannten sie zusammen zurück ins Haus. Lachend drückte sie ihm ein Handtuch in die Hand. „Siehst aus wie ein nasser Hund.“ Sie lüpfte sein T-Shirt, das an seinem Oberkörper klebte wie eine zweite Haut. „Zieh es aus, ich stecke es in den Trockner.“

Als er zögerte, schnaubte sie ungeduldig. „Ich werde vom Anblick deines nackten Oberkörpers weder umfallen noch dich anfallen.“

„Schade“, grinste er und zog sich das Shirt über den Kopf. ‚Letzteres fände ich durchaus interessant’, dachte er. Es laut auszusprechen wagte er jedoch nicht.

***

‚Himmel, hat der Mann einen Körperbau!’ Sie musste sich arg zusammenreißen, um ihren letzten Satz nicht auf der Stelle zu revidieren. ‚Unverfängliches Thema!’ Aber ihr Kopf war wie leer gefegt. Zurück im Wohnzimmer fiel ihr Blick auf die noch ungeöffneten Bierflaschen. „Die oder lieber einen Wein?“

„Ist das jetzt die Einladung, über Nacht zu bleiben?“, fragte er prompt und ließ ihr keine Zeit zur Antwort. „Dann gerne Wein.“

Entspannt stand er im Türrahmen. Sein Lächeln war eindeutig lasziv, bevor es verschwand und er mit langsamen Schritten auf sie zukam, die nackten Füße lautlos auf den alten Dielen.

‚Stop, das geht mir zu schnell!’ Gehetzt sah sie sich im Zimmer um und entdeckte ihren iPod auf dem Tisch. Sie drückte das Gerät in seine Hand. „Such dir was aus, ok?“ Dann flüchtete sie in den Keller.

‚Charly, jetzt reiß dich zusammen!’, schalt sie sich lautlos. ‚Ja, er sieht verdammt gut aus. Ja, er hat mir geholfen und ich habe ihn eingeladen. Und er ist geblieben’, betonte sie. ‚Das muss aber nichts zu sagen haben. Mach nicht mehr daraus, als es höchstwahrscheinlich ist. Behalte die Nerven.’

Als sie zurückkam, lief „Hello“ von Lionel Ritchie und er war immer noch mit dem Gerät zugange. Er sah nur kurz auf. „Ich habe eine neue Liste erstellt bzw. bin noch dabei. Du hast interessante Songs.“

„Zum Beispiel?“, fragte sie atemlos. Hoffentlich bezog er es darauf, dass sie gerade die Kellertreppe hochgerannt war. Sie setzte den Korkenzieher an, als er geschmeidig wie eine Katze vom Sofa schnellte und ihr die Flasche abnahm. Erschreckt trat sie einen Schritt zurück. Bis jetzt war es ein Spiel, aber plötzlich wurde ihr bewusst, dass er sehr viel größer war als sie.

‚Schwerer.’

‚Und stärker.’

Und sie waren allein.

Ihre Nackenhärchen stellten sich auf.

***

‚Ich habe sie erschreckt. Aber da ist noch etwas in ihrer Haltung’, dachte Christian. Er musterte sie prüfend, während er die Flasche öffnete und den Wein eingoss, darauf bedacht, keine abrupten Bewegungen zu machen. Er reichte ihr eines der Gläser.

Sie nahm es mit einem Lächeln.

Was auch immer es gewesen war, es war verschwunden. „Sofa oder Bett?“ Er lächelte ein langsames, verheißungsvolles Lächeln.

„Hättest du wohl gern.“ Sie tippte ihm auf die Brust. „In meinem Bett schlafen nur Amadeus und ich.“

‚Moment, wer ist Amadeaus?’, fragte er sich, verfolgte die Frage aber nicht weiter. Zeit genug, später. „Du weißt nicht, was dir entgeht“, schäkerte er sacht, zog sich aber in seine Sofaecke zurück.

„Ich habe es die ganze Zeit vor Augen.“ Bedeutungsvoll wanderte ihr Blick über seinen nackten Oberkörper.

‚Ah, dir gefällt, was du siehst? Nun, ich würde auch gern mehr sehen.’ Es war der falsche Gedanke und eilig griff er auf seine Überlegung von eben zurück. „Wer ist Amadeus?“

„Mein Kater. – Trainierst du?“

„Zwei bis dreimal die Woche Krafttraining. Gelegentlich joggen. Und klettern.“ Er erwartete, dass auch sie in ihre Ecke zurückkehren würde. Stattdessen kuschelte sie sich neben ihn. Aber ihre Reaktion von vorhin gemahnte ihn zur Vorsicht.

„Halle oder draußen?“, fragte sie.

„Beides.“

Sie fachsimpelten. Zuerst über Schwierigkeitsgrade und Routen in der Fränkischen, dann gingen sie die Kletterhallen der Region durch. Nach einiger Zeit wagte er es, den Arm um sie zu legen. Sie schmiegte sich an ihn und legte ihre Hand auf seinen Bauch. Sanft streichelnd, Kreise und Kringel malend, während sie sprachen, wurden ihre Bewegungen immer träger, bis sie ganz aufhörten und ihr regelmäßiger Atem verriet, dass sie eingeschlafen war.

Er betrachtete sie ungläubig. ‚Das hat auch noch keine geschafft, mich bis unter die Decke zu jagen und dann mir nichts, dir nichts einzuschlafen.’ Er wand sich unter ihrem Arm hervor, suchte und fand das Bad und kehrte zu ihr zurück. ‚Gehen oder bleiben?’

Er brachte es nicht übers Herz, sie allein zu lassen und schob sich vorsichtig wieder zu ihr aufs Sofa. Umständlich zog er eine der Decken heran und deckte sie beide zu, dann glitt auch er zu den getragenen Klängen von John Lennon’s „Imagine“ in den Schlaf.

***

Ein kühler Luftzug strich um seine Nase. Er lag auf einem ihm fremden Sofa und brauchte einen Moment, um sich die Ereignisse des letzten Abends in Erinnerung zu rufen. Statt Charly hatte es sich ein glänzend schwarzer Kater an seiner Seite bequem gemacht. „Du bist dann wohl Amadeus“, sprach er das Tier an und bot ihm einen Zeigefinger zum Schnuppern. Schnurrend rieb Amadeus den Kopf an seiner Hand, forderte mit ekstatischem Genuss mehr Zuwendung. Schmunzelnd gewährte er sie. „Auch wenn ich lieber dein Frauchen kraulen würde“, vertraute er ihm leise an und sah sich nach ihr um. Die Wohnung jedoch schien leer.

Die Terrassentür stand offen, die bodenlangen Vorhänge bewegten sich sanft im Luftzug. Sehr zum Missfallen des Katers erhob er sich und trat in den kühlen Morgen hinaus. Tau glitzerte auf dem Gras.

Auf dem Gartentisch stand eine dampfende Tasse, der verheißungsvoller Duft nach Kaffee entströmte. Im Vorbeigehen nahm er sie mit und ging zur Koppel hinunter, auf der Charly einhändig den großen Braunen putzte. Der brummelte ihm freundlich entgegen und sie unterbrach ihre Arbeit. „Guten Morgen. Gut geschlafen?“, begrüßte sie ihn.

„Bestens“, erwiderte er. „Nur etwas einsam aufgewacht.“

Sie schmunzelte. „Ich bin zu zappelig, um lange im Bett zu bleiben, wenn ich wach bin“, erklärte sie. „Ich wollte dich nicht wecken. Napoleon und die anderen warten auf mich.“

„Napoleon?“, fragte er zurück.

Sie deutete auf den Braunen neben sich.

„Netter Zufall. Mein Hund heißt auch so.“

Sie schwiegen sich eine Weile unbehaglich an, dann hielt er die Kaffeetasse in die Höhe.

„Trink du. Solange er noch heiß ist. Ich putze ihn eben fertig“, winkte sie ab.

Er ging auf die Terrasse zurück und beobachtete sie aus der Ferne. Es dauerte etwa zehn Minuten, bis sie sich durch den Koppelzaun duckte und ebenfalls zur Terrasse kam. Er folgte ihr ins Haus.

„Frühstück?“, bot sie an.

Bedauernd schüttelte er den Kopf. „Ich muss zur Arbeit.“

„Wie du willst“, akzeptierte sie ungerührt.

‚Ich werde nicht schlau aus ihr’, dachte er. Sie nicht aus den Augen lassend zog er seine Motorradjacke an. „Dann sehen wir uns Montag“, stellte er fest, sorgsam darauf bedacht, es nicht als Frage erscheinen zu lassen.

Sie hielt ihm die Haustür auf und lächelte. „Ich freu mich drauf.“

„Pass auf dich auf, ja?“

„Mach ich“, versprach sie.

Im Losfahren sah er, wie sie ihm eine Kusshand zuwarf.

Charlys Sommer

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