Читать книгу Cemetery Car® - Angelika Nickel - Страница 12
10 - Nachtschrecken
ОглавлениеKim kuschelte sich eng an Quentin.
»Sag, Schatz, ob das alles stimmt, was Nora erzählt hat?« Ihr Blick lag fragend auf ihm.
»Süße, lass dich doch nicht kirre machen. Hast du schon einmal einen Dämon gesehen? Oder gar davon gehört, dass irgendjemand von einem heimgesucht worden wäre? Ich nicht!« Quentin hauchte Kim einen Kuss auf die Stirn und zog sie noch fester an sich. »Lass uns jetzt nicht mehr darüber nachdenken. Morgen früh können wir gerne noch einmal darüber reden, wenn du das für dich brauchst; aber die Nacht sollten wir jetzt unbedingt zum Schlafen nutzen. Es ist sehr spät geworden. Außerdem müssen wir auch darüber nachdenken, wann wir nach hierher umziehen wollen.«
»Du willst wirklich in ein Spukhaus ziehen? In ein Haus, in dem ein Dämon sein Unwesen treiben soll! Quentin, hast du dir das auch genau überlegt?« Kim hatte sich aus seiner Umarmung befreit, ihre Hände auf seiner Brust abgestützt und sah ihn mit vorwurfsvoll dreinblickenden Augen, in denen die Angst vor dem Unbekannten aufflackerte, an.
»Darling, wir können ganz umsonst in diesem wunderschönen großen Haus wohnen.« Er strich ihr übers Haar. »Und du bräuchtest nicht weiterhin zu kellnern.« Zärtlich küsste er ihren Arm. »Und von einem Spukhaus war nie die Rede. Nur davon, dass ein Dämon in der Villa hausen soll. Aber deswegen ist es noch lange kein Spukhaus.« Als er Kims verängstigtes Gesicht sah, grinste er sie an. »Wenn es dich beruhigt, Schatz, sollte hier tatsächlich ein Dämon leben, dann richten wir ihm doch einfach eins der Zimmer ein. Immerhin, nicht jeder hat einen Dämon zum Untermieter«, scherzte er. Für ihn war Noras Gequatsche nach wie vor nur Schnickschnack, nichts, worüber es sich lohnte, sich Gedanken zu machen.
»Du sollst dich nicht über mich lustig machen!« Kim wandte sich entrüstet von ihm ab.
»Tu‘ ich doch gar nicht, Dummerchen. Nur, du hast dir soviel Angst machen lassen, vor nichts, vor absolut gar nichts!« Er schaute sie ernst an. »Und das auch noch von einer fremden Frau, die du heute zum ersten Mal gesehen hast.« Kopfschüttelnd, sagte er, und es lag ein Unterton des Vorwurfs darin: »Nur, weil sie meine Großtante gekannt und nach ihrem Ableben auf Salbei aufgepasst hat, heißt das doch noch lange nicht, dass wir jedes ihrer Worte auch glauben müssen.« Er schnaufte auf. »Wenn du mich fragst, dann ist sie nicht ganz dicht im Oberstübchen. Basta.«
Kim winkte ab. So einfach, wie Quentin es sich machte, so einfach war das Ganze nicht. Zumindest nicht aus ihrer Sicht. Ihr Blick lag nachdenklich auf seinem Gesicht, als sie herausfordernd fragte: »Und der Lavendelduft? Wie erklärst du den?«
»Der Lavendelduft ist in allen Räumen verbreitet, weil Tante Evelyn nun einmal eine Vorliebe für diesen Geruch gehabt hat. Außerdem, draußen auf der Veranda habe ich Pflanzen gesehen, das könnte möglicherweise Lavendel sein. Von daher wäre es nicht weiter verwunderlich, dass alles nach Lavendel riecht.« Er zog sie wieder an sich und küsste sie erneut auf ihren unbedeckten Arm. »Mehr ist das nicht, und mehr ist an dem ganzen Gerede auch nicht dran, dabei bleibe ich! Dass du besorgt bist, dass Tante Evelyn noch in dem Haus herumwandelt, das hat doch nur mit Noras wirrem Gerede zu tun.«
»Und der Leichenwagen? Hältst du das alles tatsächlich nur für einen Zufall?«
»Aber sicher doch. Oder glaubst du, dass meine Großtante mir einen Flyer aus dem Totenreich hat zukommen lassen? Weißt du, Kim, ich glaube, du solltest etwas weniger von deinen geliebten Mysteryfilmen ansehen.«
»Oh Mann, du weißt ganz genau, dass ich weiß, dass es nur Filme sind. Aber das hier, das ist anders, das ist die Wirklichkeit, Quentin.« Sie verzog gekränkt den Mund. »Und ich weiß sehr wohl zwischen Fiktion und Wirklichkeit zu unterscheiden!«
»Derzeit macht es nicht diesen Eindruck auf mich.«
Naserümpfend, erwiderte sie: »Wenn es aber doch wahr ist? Wenn du dann erst erkennst, dass Nora doch keine Spinnerin ist, kann es vielleicht zu spät sein. Was, Quentin, willst du tun, wenn es diesen Dämon doch gibt, und er uns eines Tages gegenübersteht? Wenn er sich uns krallen will?«
»Kim, Schluss jetzt, wir müssen schlafen!«, antwortete er entschlossen, da er einsah, dass es zurzeit keine Möglichkeit gab, mit Kim vernünftig über das Thema zu reden. »Lass uns morgen früh weiterreden.« Er verschloss mit seiner Hand ihren Mund, bis er merkte, dass sie nachgab. Anschließend umspannte er ihre Handgelenke und zog sie auf sich.
Kim wusste, dass es keinen weiteren Zweck hatte, mit Quentin darüber reden zu wollen. So gab sie seufzend nach, schloss die Augen, und schlief nach einer quälend endlos langen Zeit endlich ein.
Die schemenhafte Silhouette entfernte sich aus Noras Zimmer.
Und der penetrant vorherrschende Müllgestank verflüchtigte sich, mit Verschwinden der Silhouette.
Vorsichtig lugte Nora unter ihrer Bettdecke hervor.
Dem Fürsten sei Dank, er ist weg.
Sie atmete auf, drehte sich zur Seite und schlief endlich wieder ein, während die Silhouette sich zielstrebig auf Kim und Quentins Schlafzimmer zubewegte.
Salbei, der unten in der Küche auf dem Regal saß, fing plötzlich aufgeregt zu schreien an, so dass Kim, Quentin und Nora in ihren Betten hochfuhren und nach unten, in die Küche stürmten.
Kim bewegte sich langsam auf Salbei zu.
»Ruhig, Salbei, ganz ruhig. Was, um alles in der Welt, hat dich nur derart erschreckt?« Sie hob der Krähe ihre Hand entgegen, und bereits im nächsten Moment saß sie auf ihr drauf. Beruhigend strich Kim über das Köpfchen der Krähe. Rieb ihr den Bauch, und fühlte dabei das aufgeregte Herz des Vogels heftig schlagen.
»Er war hier. Der Gestank von ihm, er hängt noch in der Luft«, flüsterte Nora, völlig verängstigt.
Quentin drehte sich wütend zu ihr um. »Für heute Nacht will ich nichts, aber auch gar nichts mehr, von diesem Dämonengefasel hören! Dämonen, es gibt sie nicht! Und dass es hier so mies riecht, hat nur damit zu tun, dass das Haus sehr lange nicht mehr richtig und ausgiebig genug gelüftet worden ist. Wir werden das morgen früh nachholen, und dann werden auch Sie, Nora, erkennen, dass sich der eigenartige Geruch verflüchtigen wird.«
»Wenn Sie meinen. Ich weiß, warum es so stinkt, und Sie, Sie werden es auch noch herausfinden. Für heute können Sie sich noch dagegen sperren, den Dämon verleugnen, auch den Gestank, der auf seine Anwesenheit hindeutet. Aber Sie werden ihn nicht für immer aus Ihrem Leben verdrängen können. Irgendwann kommt der Tag, da wird er Ihnen gegenüberstehen, und dann, Quentin, dann können auch Sie nicht mehr umhin, zu begreifen, dass es Imperato wirklich gibt. Dass er zu einem Teil Ihres Lebens geworden ist.« Nora wandte sich von ihm ab, flüsterte noch ein leises Gute Nacht, und schlich mit dem Gefühl des Unbehagens, zurück in ihr Zimmer.
Kim nahm Salbei mit nach oben, setzte ihn auf einem alten Stuhl in der Ecke ab, und ging wieder ins Bett.
Quentin folgte ihr.
Doch dieses Mal brauchte er lange, bis er einschlafen konnte.
Wieder und wieder hörte er Noras Erzählungen, roch den miefigen Gestank.
Auch wenn er es nicht zugeben wollte, nagten auch an ihm bereits die ersten Zweifel.
Kann es tatsächlich sein, dass in diesem Haus, ein Dämon sein Unwesen treibt?
Dass er für den Tod zweier alter Damen verantwortlich ist, so wie Nora vermutet?
Quentin schüttelte über sich und seine Gedanken den Kopf.
Ich darf mich von dem Getratsche nicht verrückt machen lassen!
Seufzend drehte er sich zur Seite, sah hinüber zu Salbei, der inzwischen seinen Kopf unter einen seiner Flügel gesteckt hatte und schlief.
Kurz danach schlief auch Quentin endlich ein. Allerdings wurde er in seinem Traum von einem schattenhaften Wesen verfolgt, dem wiederum die Silhouette einer alten Frau folgte.
Einer Frau, die umgeben war, vom aufdringlichen Duft nach Lavendel.
Und auf ihrer Schulter saß ein schwarzer Vogel.
Eine Krähe.
Salbei!