Читать книгу Cemetery Car® - Angelika Nickel - Страница 15

13 - Wiedersehensfreude

Оглавление

»Kommen Sie doch bitte herein. Der Doktor ist gleich soweit. Nur noch ein vierbeiniger Patient, ist vor Ihnen, danach hat er Zeit, für Sie«, begrüßte die Sprechstundenhilfe Maria, Kim und Quentin.

Die beiden betraten das Wartezimmer und stutzten.

»Sie hier?« Quentin blickte die Frau mit einem Hauch von Misstrauen an.

»Nora, wie schön, Sie zu sehen«, freute sich Kim, als sie Nora im Wartezimmer sitzen sah.

»Kim, Quentin, hallo! Was hat Sie beide zu unserem guten Morgenrot verschlagen? Salbei wird doch nicht womöglich krank sein?« Nora gab sich besorgt.

»Nein, um den brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen, dem geht’s gut. Sehr gut sogar. So gut, dass er heute Morgen vollster Begeisterung, genüsslich von meinem Kaffee geschlappert hat«, antwortete Quentin sarkastisch.

Nora lachte von Herzen auf.

»Oh ja, Kaffee, den liebt Salbei. Das hatte ich ganz vergessen, Ihnen zu sagen. Bei Ihrer Tante bekam er jeden Morgen seine eigene Tasse auf den Frühstückstisch gestellt«, erklärte sie, wobei sie immer wieder von Neuem lachte.

Quentin verkniff sich dieses Mal die Bemerkung, dass es sich bei Evelyn nicht um seine Tante, sondern um seine Großtante handelte. Stattdessen, sagte er: »Ich weiß nicht, was daran so lustig sein soll.«

»Quentin, das ist es! Wir hätten Salbei nur seine eigene Tasse hinstellen müssen, dann wäre er erst gar nicht an deinen Kaffee gegangen.«

»Wie schön, Kim, dann vergiss morgen früh auch ja nicht, der Krähe ihren Kaffee hinzustellen. Am besten auch noch auf die Tischmitte, damit sie auch alles genau beäugen kann, während sie ihren Kaffee schlürft.« Bei dieser Vorstellung verzog er erneut den Mund.

»Ach, das braucht es nicht. Salbei ist es gewohnt, den Platz am Fenster zu haben«, sagte Nora. »Dass er bei Evelyn mit am Tisch sein durfte, na ja, sie war eben so. Wenn jedoch Besuch da war, dann begnügte sich Salbei auch mit dem Platz am Fenster.« Sie lächelte ihn an. »Von daher müssen Sie sich nicht gezwungen sehen, ihm seinen Kaffee auf den Frühstückstisch zu stellen. Wenn Sie ihn gleich daran gewöhnen, dass sein Platz in dieser Zeit am Fenster ist, dann wird er sich, über kurz oder lang, auch damit abfinden.«

»Na siehst du, Quentin, dann wird er morgen früh am Fenster seine Kaffeetasse hingestellt bekommen«, lachte Kim, und strich Quentin über den Arm.

Noras Augen wanderten zwischen den beiden hin und her.

»Eines, Kim, sollten Sie jedoch noch wissen. Salbei sitzt auf dem Tisch, an der Seite, die in Richtung des Fensters zeigt, wenn er auf den Tisch darf«, fügte Nora erklärend hinzu. Sie richtete ihren Blick auf Quentin. »Allerdings, wie gesagt, Salbei ist verwöhnt. Versuchen Sie einfach, ihn daran zu gewöhnen, dass ab sofort sein Platz am Fenster zu sein hat.« Sie zupfte eine Falte zurecht. »Sicher ist die Krähe, was den Tisch angeht, schon sehr verwöhnt, denn allzu oft hatte sich kein Besuch zu Evelyn verirrt. Sie lebte sehr zurückgezogen. Und«, wieder wanderte ihr Blick zwischen den beiden hin und her, »vielleicht irre ich mich auch, und Salbei ist nicht willens, am Fenster seinen Kaffee zu schlürfen.« Sie biss sich auf die Unterlippe, und tat, als dächte sie nach. »Immerhin, Sie sind kein Besuch. Sie sind für Salbei eine Art, Ersatz-Evelyn. Auch das sollten Sie dabei bedenken.« Sie fuhr mit der Hand von sich weg. »Ach, was soll’s, ist doch eigentlich ganz gleich, ob die Krähe mit Ihnen am Tisch, oder am Fenster frühstückt.«

Quentins Blick haftete verständnislos auf Nora. Langsam schweiften seine Augen von Nora weg, zu Kim hin.

»Da hast du es! Hab‘ ich es nicht gleich gesagt, dass das Vogelvieh auf dem Tisch sitzen will! Was hat sich meine Großtante nur dabei gedacht, einen Vogel auf den Tisch zu lassen?« Er schüttelte entrüstet den Kopf.

Werden alte, einsame Menschen tatsächlich so? Derart eigenartig?

Er sah Kim vor sich, fast sechzig Jahre älter, und schrullig, und wie sie eine Krähe am Tisch fütterte.

Mit einer Handbewegung wischte er diese Bilder beiseite.

Das bleibt mir hoffentlich erspart! Immerhin, Kim hat mich!

»Nora, was verschlägt Sie so früh zu einem Tierarzt?«, wechselte Kim das Thema. »Sie hatten gar nicht erwähnt, dass Sie auch ein Haustier haben.«

»Mir geht es da ähnlich wie Ihnen. Auch ich habe ein Tier vererbt bekommen.« Sie tupfte sich mit dem Taschentuch über die Augen. »Merlin, den Kater meiner Mutter.« Nora knetete nervös ihre Finger ineinander.

»Sie haben eine Katze? Ich mag Katzen sehr. Kim hat mit ihnen leider nicht viel am Hut.« Quentin klang bereits wieder versöhnlicher. Katzen, er mochte Katzen. War fasziniert von ihrem eigenwilligen Wesen, und davon, dass sie sich nur bedingt erziehen ließen, und dass sie immer nur das taten, was sie auch tun wollten. Nicht so, wie ein gut erzogener Hund, der auf Kommando parierte.

»Honey, das kannst du aber so nicht sagen. Ich mag Katzen auch, aber nicht bei mir zuhause. Katzen und ich, da treffen zwei Welten aufeinander. Wahrscheinlich sind wir beide zu eigensinnig, um auf Dauer miteinander klarzukommen. Ich bin nun einmal ein Fan, von Hunden und Vögeln«, rechtfertigte Kim, ihr Verhältnis zu Katzen.

»Deswegen freut sie sich auch so über dieses Krähenvieh« Quentin schickte seinen Blick zwischen Kim und Nora hin und her.

»Ihre Meinung, über Salbei, wird sich schon noch ändern, wenn Sie erst einmal hinter sein Geheimnis gekommen sind. Und ich bin mir sicher, dass diese Krähe ein Geheimnis umgibt«, flüsterte Nora, als hätte sie Angst, dass jemand anderes sie womöglich belauschen könnte.

Auch wenn Nora nicht wusste, welches Geheimnis Salbei umgab, war sie sich dennoch sicher, dass er eines in sich barg.

Wenn sie nur daran dachte, wie sehr sich Evelyn um Salbei gesorgt hatte.

Und auch die mysteriöse Art und Weise, wie sie damals zu dem rabenartigen Vogel gekommen war.

Nora war sich ziemlich sicher, dass mit dem Federvieh irgendetwas nicht ganz geheuer war. Irgendetwas nicht stimmte.

Auch die Augen des Vogels …, und wie sie einen ansahen ... Als wollten sie die Abgründe der Seele ergründen. Womöglich Verborgenes enthüllen.

»Geheimnis? Was soll das nun wieder heißen? Nora, ich finde Sie eigentlich recht sympathisch, aber Ihre Phantastereien, in allen Ehren, die sind nicht so ganz meine Welt. Sie machen um alles ein Geheimnis. Als wären überall um uns herum, rätselhafte, um nicht zu sagen, geisterhafte, mysteriöse Dinge.«

»Nora, Sie können jetzt zu Merlin. Der Doktor hat ihm den Magen ausgepumpt. Es geht ihm bereits schon wieder besser. Allerdings, heute und morgen müssen Sie ihn mit Babybrei ernähren.« Schwester Maria war hereingekommen und hatte das Gespräch unterbrochen.

Nora stand auf, verabschiedete sich von Kim und Quentin und folgte Maria.

Kurz danach kam Maria, um Kim und Quentin zu holen.

»Den Magen ausgepumpt? Bei einer Katze? Was fehlt Noras Katze?« Kims Braue hob sich unmerklich, sie war besorgt und erschüttert zugleich.

»Fehlen ist wohl das falsche Wort. Doktor Morgenrot hat Merlin den Magen auspumpen müssen, weil der Kater irgendwo anscheinend Gift gefressen hat.«

»Vergiftet? Wer vergiftet eine Katze?« Kim war entsetzt. Sie liebte Tiere und sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass es Menschen geben konnte, die Tiere einfach vergifteten.

»Katzenhasser! Und die gibt es leider überall. Übrigens, auch Ihr Hund muss für einige Tage Babybrei gefüttert bekommen. Ich sage Ihnen das besser jetzt gleich. Nicht, dass wir es später vergessen, zu erwähnen.« Maria fuhr mir der Hand in die Tasche ihrer Schwesterntracht.

»Tierhasser? In so einer idyllischen Gegend?« Kim konnte es nicht fassen.

»Lassen Sie sich von dem friedvollen Bild unserer Gegend nicht täuschen. Auch hier gibt es Menschen, um die man besser einen großen Bogen machen sollte. Aber das werden Sie mit Sicherheit bald selbst herausfinden.« Ein listiges Leuchten huschte durch ihre Augen, doch das bemerkte weder Quentin noch Kim.

Kim kamen die Worte der Sprechstundenhilfe wie eine Warnung, fast schon wie eine Art Drohung vor.

Wo, um alles in der Welt, waren sie nur hingeraten?

In Kim wuchs erneut die Furcht.

Konnte es sein, dass Dämonen Katzen vergifteten? War es das, was Maria ihnen zu sagen versuchte? Doch Kim wusste, dass sie diese Frage nicht so ohne Weiteres stellen konnte.

Noch in Gedanken versunken, wurde sie plötzlich überfallen. Ohne Vorwarnung sprang etwas an ihr hoch, schleckte über ihre Hand. Ein weißes, fellgelocktes Hundebündel umsprang sie, winselte freudig, geradeso, als hätten sie schon immer zueinander gehört.

»Das sieht aus, als würde sich der Hund vor lauter Wiedersehensfreude nicht mehr einkriegen. Sind Sie sicher, dass Sie diesem Hund niemals zuvor begegnet sind?« Maria sah Kim misstrauisch an, während sie in ihre Schreibtischschublade griff, ein Fläschchen herausholte, und sich mit dessen Inhalt besprühte.

Auf Quentins fragenden Blick, sagte sie: »Allergien! Habe immer wieder mit ihnen zu kämpfen. Und dieses Zeugs da, das hilft ein bisschen dagegen.« Dabei beobachtete sie Kim und den Hund. In eigenartigem Tonfall, fragte sie erneut: »Sicher, dass Sie den Hund nicht schon zuvor gehabt haben?«

»Wie? Nein. Wir haben Ihnen doch gesagt, dass wir ihn angefahren am Straßenrand vorgefunden haben.« Kim kniete sich zu dem Hund, der ganz ausgelassen um sie herumschwänzelte. »Na, Kleiner, willst du mit uns nach Hause kommen? Ja! Dann wirst du ab heute einen neuen Namen haben. Wir nennen dich Rhapsodie. Wie gefällt dir das?«

Rhapsodie kläffte und bellte, umsprang Kim, hüpfte an Quentin hoch, so sehr freute sich das kleine weiße Hundebündel. Rhapsodie, der ein Ebenbild Peppels war, war glücklich. Sein kleines Hundeherz schlug vor Freude dermaßen aufgeregt, wie es seit einem Jahr nicht mehr geschlagen hatte.

Schwester Maria beobachtete das Ganze mit misstrauischem Blick.

Doktor Morgenrot, der auf ein Hallo zu ihnen hereinschaute, gab den beiden noch einige Ratschläge mit auf den Weg, wünschte ihnen viel Glück mit dem Ausreißer und verabschiedete sich auch schon wieder von ihnen.

Im Wagen, fragte Kim: »Findest du es nicht eigenartig, dass er überhaupt kein Geld für die Behandlung, von uns verlangt hat?«

»Nicht schon wieder, Kim! Jetzt such‘ doch nicht in allem und jedem etwas Eigenartiges zu finden. Der Doktor ist wahrscheinlich einfach nur ein Tierfreund, der uns kein Geld abgeknöpft hat, weil er wusste, dass es nicht unser Hund war, den wir ihm gestern gebracht haben.«

»Doch er wusste von uns, dass wir vorhatten, ihn zu behalten, und damit ändert sich das Ganze doch, meinst du nicht auch?«

»Nein, das meine ich nicht. Und jetzt lass uns nach Hause fahren. Vergiss nicht, wir haben daheim eine Kartonagenstadt, die noch ausgepackt sein will.«

»Aber zuerst müssen wir noch einkaufen. Wir brauchen Babybrei für Rhapsodie, und natürlich auch Hundefutter.«

»Wie konnte ich das nur vergessen. Brauchen wir für uns vielleicht auch etwas?«

»Wie? Ja, klar, Toilettenpapier«, antwortete Kim.

»Und was essen wir?«

»Essen? Ups, daran habe ich gar nicht gedacht. Wir müssen ja auch noch für uns etwas zu Essen einkaufen. Wir wär’s mit Hawaii Toast? Das würde ich gerne wieder einmal essen.« Kim war so sehr mit dem kleinen Hund beschäftigt, der hinten auf der Rückbank lag, dass sie doch tatsächlich den Lebensmitteleinkauf vergessen hätte. »Und wir müssen Joghurt kaufen. Nora hat mir vorhin nämlich noch gesagt, dass Salbei sehr gerne Joghurt futtert.« Als ihr Blick auf die Zigarettenschachtel fiel, fügte sie hinzu: »Und Zigaretten brauche ich auch noch.«

»Schön, dann gehen wir am besten dort hinten in den Supermarkt, sofern es auch ein Supermarkt ist. Sieht von hier zumindest recht groß aus«, schlug Quentin vor und wendete Cemetery Car, so dass sie wieder ein Stück zurückfuhren, hin in die Richtung, aus der sie soeben kamen.

Als sie zurück in der Villa Punto waren, streiften bereits schon leichte Nachtwolken den Himmel.

Rhapsodie rannte übermütig im Haus herum. Er schnüffelte an jeder Tür, rannte nach oben und blieb vor Evelyns Tür stehen. Winselnd tappte er hin und her. Er beschnupperte die Luft, die unter der Tür hervorkam. Erneut begann er, zu winseln. Plötzlich bellte er lautstark.

»Was für ein Glück, dass die Nachbarn so weit weg wohnen, sonst könnten wir wahrscheinlich gleich wieder ausziehen, so laut, wie der Knabe kläfft«, schimpfte Quentin.

»Er will uns bestimmt etwas sagen, Schatz.«

»Kim, jetzt reicht’s. Auf jetzt, lass uns das Auto zu Ende ausladen!«

»Rhapsodie, komm wieder runter«, rief Kim, und lief mit Quentin zum Wagen, um ihn gänzlich auszuräumen.

Als sie wieder zurückgingen und die Küche betraten, saß Salbei auf Rhapsodies Rücken. Die Krähe krächzte, während der Hundewollknäuel freudig fiepte.

»Du, Quentin, sieh dir nur einmal die beiden an. Das sieht fast so aus, als wenn sie sich kennen würden.«

»Sind wahrscheinlich wiedergeborene Geister, die sich nun, nach einer unendlich langen Zeit, wiedergefunden haben«, scherzte Quentin.

»Scheusal!« Leis‘ lachend, kniff sie ihm in den Unterarm. »Lass uns Essen machen«, forderte sie ihn auf, und kramte bereits schon in einer Tüte.

Nach einem kleinen Imbiss gingen sie, zusammen mit Salbei und Rhapsodie, auf dem Privatgrundstück der Villa Punto, Silentsend, spazieren.

Als sie wieder zurück waren, liefen sie hoch, wollten in ihr Schlafzimmer, als sie an Evelyns Zimmer vorbeikamen.

Kim blieb stehen. Verwundert sah sie Quentin an. »Hast du die Tür aufgemacht?«

»Ich? Was soll ich in Tante Evelyns Zimmer?«

»Aber wer hat sie dann aufgemacht? Ich war auch nicht in ihrem Zimmer.«

»Niemand hat sie aufgemacht. Wahrscheinlich war es windig. Ein Windzug, der durchgeweht ist, so dass sich die Tür geöffnet hat, oder aber das Schloss war nicht richtig eingerastet. Dafür kann es viele Gründe geben.«

»Imperato?« Kim schüttelte sich. »Was, wenn es der Dämon war, der unsere Abwesenheit dafür genutzt hat …«

»Hör auf, Kim! Hör endlich damit auf! Hör dir doch selbst einmal zu!« Er packte sie bei den Schultern und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. »Du bist ja schon ganz besessen, von all diesem Dämonennonsens.« Seine Stirn lag auf ihrem Haar, während er flüsterte: »Kleines, du darfst dich von Noras Gefasel nicht verrückt machen lassen. Wir leben nun einmal hier. Und es gibt keinen Dämon noch eine Tante Evelyn, die in diesem Haus ihr Unwesen treiben. Begreif‘ das doch endlich!«

Doch bevor Kim antworten konnte, war sie erneut von Rhapsodies aufgeregt wilden Bellens abgelenkt.

»Der Hund ist in Evelyns Zimmer.« Quentin schaute unwillkürlich in Richtung Evelyns Zimmertür.

»Aber was will er dort?« Die Farbe wich aus ihrem Gesicht, sie war fahl wie die Wand.

»Was weiß ich. Vielleicht hat er einen Knochen gefunden.« Seine Schultern zuckten auf und ab. »Vielleicht hatte auch Tantchen einen Hund gehabt. Wer kann das schon wissen; immerhin hatte sie ja auch einen Vogel.«

»Lass uns nachsehen.«

»Oh ja, Kim, lass uns nachsehen gehen, und uns überzeugen, dass es nichts gibt, was anders wäre, als es sein sollte. Und danach sollten wir endlich etwas Vernünftiges essen.«

»Schon wieder?« Sie schaute ihn verwundert an.

Er hob die Augen, den Blick nach oben gerichtet. »Ich habe einen Kohldampf, dass ich ein ganzes Mammut verdrücken könnte. Muss vom vielen Schleppen kommen.«

»Dann pass bloß auf, dass du nicht auch noch von einem Mammut gefressen wirst.« Kim griff nach Quentins Hand und zog ihn mit sich fort.

»Kann nicht passieren. Mammuts waren Vegetarier, Pflanzenfresser.«

»Pst!« Kim legte ihren Finger auf seine Lippen. »Sei still, ich will nicht, dass wir ihn vertreiben«, flüsterte sie ihm zu, bereits gemeinsam mit ihm vor dem Zimmer seiner Großtante stehend.

Sie schoben die Tür zu Evelyns Zimmer weit auf.

Bereits beim Eintreten drang ihnen der intensive Geruch von Lavendel entgegen.

»Sie ist hier, Quentin. Ich kann sie riechen, … und du kannst das auch. Du kannst dich nicht immer dagegen sperren, du musst endlich die Wahrheit akzeptieren, und lernen, mit ihr umzugehen. Das müssen wir übrigens beide, Quentin.« Für einen Bruchteil einer Sekunde lehnte sie ihren Kopf an seine Brust. »Lass uns gemeinsam herausfinden, was in diesem Haus vor sich geht. Vielleicht sind wir beide dazu auserwählt, den Dämon von hier zu vertreiben, oder die Seele deiner Großtante zu befreien. Vielleicht kann sie auch erst loslassen, von dieser Welt gehen, wenn sie alles geklärt hat, was sie noch klären muss.« Die Lippen krampfhaft zusammengepresst, schaute sie zu Boden. »Vielleicht ist sie mit dem Dämon ja auch noch nicht im Reinen.«

»Was redest du denn da?« Quentin hielt sie am Arm fest und zwang sie wieder einmal, ihm ins Gesicht zu sehen. »Wir sind nicht in einem Film, das hier ist unser Leben. Und da wird niemand von Geistern und Dämonen umzingelt … Du nicht, und ich auch nicht.« Seine Hand ballte sich zur Faust. »Ich könnte dieser Nora den Hals umdrehen«, fauchte er.

»Und wenn doch?« Kim ließ sich nicht davon abbringen, dass in der Villa Punto eben doch nicht alles so war, wie es sein sollte, und wie es bei anderen Leuten normal war.

»Und wenn doch, was?« Mit beiden Händen raufte er sich das Streichholz kurze Haar. »Es gibt keinen Dämon, hier in diesem Haus. Und auch keine herumgeisternde Tante Evelyn. Merk dir das endlich!« Er war am Rande seiner Geduld.

»Das sagst du so einfach daher. Aber alle Zeichen sprechen dagegen.« Kims Augen glitzerten feucht. Tränen schillerten darin.

Als Quentin dies sah, seufzte er: »Weißt du was, Kleines, morgen gehen wir diese Madame Zink besuchen. Nora behauptet, dass sie eine Freundin von Tante Evelyn war.« Mit dem Finger schob er eine Locke von ihrer Stirn. »Vielleicht weiß sie, was in diesem Haus vor sich geht. Womöglich kann sie uns etwas erzählen, das uns gewisse Vorkommnisse, in einem anderen Licht sehen lassen wird.« Seine Hand suchte nach der ihren und hielt sie fest. »Vielleicht weiß sie auch, was es tatsächlich mit diesem Modergestank und dem Lavendelduft auf sich hat.« Er ließ ihre Hand wieder los, pfiff Rhapsodie zurück, schob Kim vor sich aus dem Zimmer und verschloss die Tür. Anschließend zog er den Schlüssel ab und steckte ihn in die Hosentasche. »Damit du nicht auf noch mehr dumme Gedanken kommst.« Quentin war anzumerken, dass für heute sein Pensum an Dämonenhypothesen ausgereizt war. Es war unverkennbar, dass er nichts mehr darüber hören wollte.

Deswegen schwieg Kim, und sagte ihm nicht, was sie auch weiterhin bedrückte und ängstigte.

Nachdem sie wieder in der Küche waren, legte sich eine betretene Stille zwischen sie.

Gemeinsam belegten sie nochmals Toastbrotscheiben und schoben das Blech für zehn Minuten in den vorgeheizten Ofen.

Dieser Tag stand wahrlich unter dem Motto Hawaii Toast, denn eine andere Auswahl hatten sie nicht.

Nach dem Essen zwangen sie sich dazu und räumten noch drei Stunden lang Kartons aus, wobei sie vergaßen, dass sie doch eigentlich längst zu Bett gegangen sein wollten, wären da nicht Rhapsodies Bellen, Evelyns offene Zimmertür und Quentins Hunger gewesen.

Den Inhalt der Kartons breiteten sie auf der U-förmigen Couch im Wohnzimmer, auf dem Tisch und auf dem Fußboden aus, auf der Suche, nach einem neuen, geeigneten, dauerhaften Platz für diese Dinge, ihre Habseligkeiten.

Ihr neues Leben bedeutete ein totales Umdenken; ein Absagen ihres alten, gewohnten Lebens.

Ein Eintreten in eine fremde, unbekannte Zukunft.

Und Fragezeichen über Fragenzeichen, was die Daseinsform von Geistern und Dämonen anging; auch, wenn Quentin den Gedanken daran zu verdrängen versuchte, und Kim sich davor fürchtete.

Cemetery Car®

Подняться наверх