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Die NeuenglandNeuengland (s.a. Nordosten, Regionen)-Kolonien

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Bei der Besiedelung der Region, die der Seefahrer und Abenteurer John SmithSmith, John 1614 New EnglandGroßbritannien nannte, stand das religiöse Moment im Vordergrund. Die ersten Siedler waren strenggläubige CalvinistenCalvinisten, PilgrimsPilgrims, die nicht nur in Opposition zur anglikanischen StaatskircheAnglikanische Kirche standen, sondern auch Abstand zu ihren gemäßigten Glaubensbrüdern, den PuritanernPuritaner, hielten. Nachdem ihr Versuch gescheitert war, im niederländischen Exil eine dauerhafte Existenz zu gründen, kehrten sie nach EnglandGroßbritannien zurück und suchten die Unterstützung puritanischer Kaufleute für ein neues Auswanderungsprojekt. Im Besitz eines Patents der Virginia CompanyVirginia Company brachen dann im September 1620 18 Familien mit insgesamt 102 Personen – nicht alle von ihnen Pilgrims – an Bord der „MayflowerEinwanderungKolonialzeitMayflower“ von PlymouthPlymouth in die „Neue Welt“ auf. Sie erreichten aber nicht Virginia, sondern kamen – möglicherweise absichtlich – weiter nördlich in der MassachusettsMassachusetts Bay an. Da sie sich nun außerhalb der Jurisdiktion der Virginia CompanyVirginia Company befanden, konnten sie nach ihren eigenen Regeln leben. Noch vor der Landung bei Cape CodCape Cod unterzeichneten die 41 erwachsenen männlichen Passagiere am 11. November 1620 den Mayflower CompactMayflower Compact, der später zu dem amerikanischen Gründungsdokument schlechthin verklärt wurde. Den Vorstellungen der Pilgrims vom biblischen Bund (covenant) entsprechend, etablierte er einen civil body politic, der die Mitglieder der Gemeinschaft verpflichtete, sich gegenseitig Beistand zu leisten und den Anweisungen der Amtsinhaber zu gehorchen. Damit gaben sie ihrem Verlangen nach Selbstbestimmung und religiöser Autonomie eine politische Form und schufen – unter der Souveränität des englischenGroßbritannien Königs James I.James I. – ein RegierungssystemRegierungssystem für die neue Kolonie Plymouth PlantationPlymouth Plantation. Wohl nur durch die Zusammenarbeit mit den IndianernNative AmericansKolonialzeit, die in dieser Gegend durch Epidemien sehr geschwächt waren, überstand die Plymouth-Kolonie die harten Anfangsjahre und konnte sich stabilisieren. Ihrer Ausdehnung waren aber enge Grenzen gesetzt, denn die Siedler, die in Bruderschaften (brotherhoods) nach strikten religiösen Regeln lebten, lehnten das Streben nach Wohlstand und weltlicher Macht bewusst ab. Im Gefolge der Glorious RevolutionGroßbritannienGlorious Revolution, die auch in NeuenglandNeuengland (s.a. Nordosten, Regionen) politische Veränderungen bewirkte, ging die Kolonie der Pilgrims mit ihren 7500 Einwohnern schließlich 1691 in Massachusetts auf. Die zweite, letztlich stärkere Wurzel Neuenglands war die 1629 von der KroneGroßbritannien mit einer Charter ausgestattete Massachusetts Bay CompanyMassachusetts Bay Company. Sie förderte die Auswanderung von PuritanernPuritaner, einer gemäßigten calvinistischenCalvinisten Glaubensrichtung, die in EnglandGroßbritannien vergeblich versucht hatte, die Staatskirche von katholischen „Überresten“ zu reinigen. Unter dem Eindruck der krisenhaften Entwicklung in EnglandGroßbritannien und der blutigen Religionskriege in Europa fasste einer ihrer Führer, John WinthropWinthrop, John, den Entschluss, möglichst viele Gläubige und vielleicht sogar das Christentum selbst durch einen Exodus nach Amerika zu retten. In der Wildnis sollte eine „City upon a Hill“, ein dem wahren Glauben geweihtes und dem Rest der Welt zum leuchtenden Vorbild dienendes Gemeinwesen errichtet werden. Nachdem der gebildete und besitzende WinthropWinthrop, John von König Charles I. eine koloniale Charter erlangt hatte, verließen 1.630.900 PuritanerPuritaner auf elf Schiffen EnglandGroßbritannien in Richtung Massachusetts Bay. Bis 1640 strömten in einer ersten „EinwanderungswelleEinwanderungKolonialzeit“ über 20.000 englische Puritaner, zumeist im Familienverband, in die neue Kolonie. Ihr Zentrum war BostonBoston, aber das Siedlungsgebiet dehnte sich bald bis zum ConnecticutConnecticut River nach MaineMaine und New HampshireNew Hampshire aus. Zum ersten Gouverneur wurde John WinthropWinthrop, John gewählt, dessen religiös-orthodoxer und elitärer Führungsstil die Kolonie auf lange Zeit hinaus prägte. Das von WinthropWinthrop, John formulierte Sendungsbewusstsein überdauerte die Kolonialzeit und bildet bis heute – in religiöser und in säkularisierter Form – eines der wichtigsten Elemente des amerikanischen Selbstverständnisses und der nationalen Identität. Anders als die Pilgrims waren die Puritaner machtbewusst und strebten nach wirtschaftlichem Erfolg, den sie als Zeichen der göttlichen Gnade und Auserwähltheit werteten. Nicht wenige von ihnen wurden Kaufleute, Reeder und Schiffseigner, die am Küstenhandel und Fischfang, vor allem aber am Überseehandel mit den KaribikinselnKaribik und dem Mutterland gut verdienten. Massachusetts Bay war keine TheokratieTheokratie, denn die Geistlichen übten zwar moralische Autorität, aber normalerweise keine Regierungsämter aus. Andererseits bildeten Kirche und Staat eine feste Einheit, und das WahlrechtWahlrecht blieb bis 1691 für männliche puritanische Kirchenmitglieder reserviert. Die politische Führung lag in den Händen weniger Familien, die früh eingewandert waren und die besten Besitztitel erworben hatten. Auf der anderen Seite wurde das Prinzip der gemeindlichen Selbstverwaltung (local self-government) großgeschrieben, so dass sich oligarchische mit demokratischen Zügen mischten. Das kirchliche Leben war ebenfalls dezentralisiert und vollzog sich in weitgehend selbstständigen Gemeindebezirken, den Kongregationen (congregations), die der gesamten Glaubensrichtung den Namen KongregationalismusKongregationalisten verliehen.

Im Sinne des biblischen covenant forderten die PuritanerPuritaner die Unterordnung des Einzelnen unter die Gemeinschaft. Die Tugenden, die ihre Geistlichen predigten – Gottesfurcht, Fleiß, Rechtschaffenheit, Bescheidenheit, Selbstbeherrschung –, sollten nicht so sehr dem individuellen Fortkommen als vielmehr dem Wohl der Gemeinden dienen. Um diese Ideale zu verwirklichen, führten sie ein rigides System der geistigen und sozialen Kontrollen ein, das sich bald als Quelle innerer Spannungen erwies. Im Extremfall konnte diese Unduldsamkeit zu HexenverfolgungenHexenverfolgung, Prozessen und Hinrichtungen führen, wie sie noch in den 1690er Jahren in SalemSalem, Massachusetts stattfanden. Der gewöhnliche Ausweg war aber die Flucht Andersdenkender, die im Laufe des 17. Jahrhunderts die Abspaltung dreier Kolonien von MassachusettsMassachusetts zur Folge hatte. 1636 gründete Roger WilliamsWilliams, Roger mit einigen Anhängern Providence PlantationProvidence Plantation auf Rhode IslandRhode Island, wo, wie er versprach, niemand seines Gewissens wegen belästigt werden würde. In der Tat wurde die Kolonie bald für ihre Toleranz und ihren demokratischen Geist bekannt, aber auch für die tiefe Verstrickung ihrer Kaufleute in den transatlantischen Sklavenhandel: Hier liegt einer der Widersprüche, an denen die Geschichte NeuenglandsNeuengland (s.a. Nordosten, Regionen) und Nordamerikas insgesamt so reich ist.

Auf ähnliche Weise wie Rhode IslandRhode Island entstand ConnecticutConnecticut, nachdem Thomas HookerHooker, Thomas in Ungnade gefallen war und mit seiner Kongregation CambridgeCambridge, Massachusetts hatte verlassen müssen. Unter Hookers Führung schlossen sich 1638/39 die Gemeinden am Connecticut River zusammen und vertrieben in blutigen Kämpfen die dort lebenden PequotPequots-IndianerNative AmericansKolonialzeit. 1662 erhielt die Kolonie eine eigene königliche Charter und schloss sich mit der PuritanerPuritaner-Siedlung in New Haven zusammen. Unablässige Grenzstreitigkeiten mit allen benachbarten Kolonien taten der wirtschaftlichenWirtschaft Entwicklung kaum Abbruch: Um 1775 hatte Connecticut etwa 200.000 Einwohner und besaß ein gut ausgewogenes Verhältnis zwischen LandwirtschaftLandwirtschaftKolonialzeit u. Revolutionsepoche und Handel. Im Norden gehörte das Gebiet zwischen dem Pisquataqua und dem Connecticut River, das die Siedler New HampshireNew Hampshire nannten, bis 1679 zu MassachusettsMassachusetts.

Dann wurde es durch Gewährung einer königlichen Charter ebenfalls eine separate Kolonie, die mit ConnecticutConnecticut das Schicksal der unsicheren Grenzen teilte. Im Landesinnern leisteten die IndianerNative AmericansKriege, oft mit französischerFrankreichKolonien Unterstützung, Widerstand gegen das Vordringen englischer Kolonisten. Ungelöst blieb bis zur Revolution der Konflikt mit New YorkNew York um das bergige Vermont-Territorium westlich des Connecticut River. Vermont gehörte deshalb nicht zu den dreizehn „Ursprungskolonien“, sondern blieb unabhängig, bis es 1791 den Vereinigten Staaten beitrat.

Trotz der Verselbstständigung von Rhode IslandRhode Island, ConnecticutConnecticut und New HampshireNew Hampshire blieb MassachusettsMassachusetts – mit PlymouthPlymouth Plantation und dem MaineMaine-Distrikt, die es 1691 von der KroneGroßbritannien zugesprochen bekam – die bevölkerungsreichste und wirtschaftlich stärkste NeuenglandNeuengland (s.a. Nordosten, Regionen)-Kolonie. Die Hafenstadt BostonBoston hatte 1775 16.000 EinwohnerBevölkerungsentwicklung – nicht viel im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung von ca. 300.000. Das Erscheinungsbild der Kolonie und von Neuengland insgesamt prägten nach wie vor Familienfarmen, auf deren eher kargen Böden wie in der Heimat Ackerbau und Viehzucht betrieben wurden, sowie Dörfer und kleine Städtchen mit ihren religiösen meeting houses und den town halls zur lokalen Selbstverwaltung. Ethnisch waren die NeuenglandNeuengland (s.a. Nordosten, Regionen)-Kolonien so homogen, dass sie „englischer als EnglandGroßbritannien“ wirkten, und im religiösen Bereich herrschte – ungeachtet der theologischen Meinungsverschiedenheiten – weitgehende puritanische Konformität. Im 18. Jahrhundert lockerten sich die sozialen Kontrollen allmählich, und die Autorität des orthodoxen Klerus wurde seit den 1740er Jahren durch eine religiöse Erweckungsbewegung, das Great AwakeningGreat Awakening, geschwächt. Mit Ausnahme von Rhode Island blieben die Privilegien der kongregationalistischen Kirche dennoch erhalten: AnglikanerAnglikanische Kirche, QuäkerQuäker und BaptistenBaptisten durften ihren Glauben zwar praktizieren, wurden aber nur toleriert. Sie mussten sich von den Behörden registrieren lassen und Steuern entrichten, die nur der puritanischen Obrigkeit und deren KirchenKirchen zugutekamen.

Die religiöse Liberalisierung des 18. Jahrhunderts erzeugte auch eine wirtschaftliche Aufbruchstimmung. Unter den gewandelten Umständen konnten die alten puritanischen Tugenden mehr und mehr zu Triebfedern einer an individueller Leistung und Wachstum orientierten WirtschaftWirtschaft werden. Trotz des Aufschwungs, den der Handel in den Küstenstädten nahm, und trotz des steigenden Wohlstands der Kaufleute und einiger Anwälte zeichnete sich NeuenglandNeuengland (s.a. Nordosten, Regionen) aber auch am Ende der Kolonialzeit durch relativ geringe Besitzunterschiede und eine egalitäre Sozialstruktur aus. Allerdings erzeugten das starke BevölkerungswachstumBevölkerungsentwicklung (auf Grund des gesunden Klimas war die Lebenserwartung wesentlich höher als im SüdenSüden) und die Neuzuwanderung einen zunehmenden inneren Druck, der sich nur durch die Erschließung weiteren Siedlungslandes im WestenWestenErschließung ausgleichen ließ.

Nach dem Willen der puritanischen Gründer sollte möglichst jedes Gemeindemitglied die Bibel lesen können, um mit offenem Geist auf die göttliche Gnade und Erlösung vorbereitet zu sein. Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts bauten die KolonialparlamenteRegierungssystemKolonialparlamente deshalb mit Steuergeldern ein System von Grundschulen und höheren Lateinschulen auf, das NeuenglandNeuengland (s.a. Nordosten, Regionen) zur Region mit der höchsten Alphabetisierungsrate und der besten AllgemeinbildungBildungswesen in ganz Amerika machte. Schon 1636 war HarvardUniversitätenHarvard University College in CambridgeCambridge, Massachusetts gegründet worden, vor allem um Nachwuchs an Geistlichen heranzuziehen, aber auch, um die Gentlemen, die Söhne der führenden Familien, in den Schönen Künsten zu unterweisen. YaleUniversitätenYale University College in New Haven, ConnecticutConnecticut, geht auf das Jahr 1701 zurück und zählt damit ebenfalls zu den ersten nordamerikanischen UniversitätenUniversitäten. Gemessen an den anderen Kolonien trat NeuenglandNeuengland (s.a. Nordosten, Regionen) also mit einem erstaunlich hohen BildungsniveauBildungswesen in die Revolutionsepoche ein. Ungeachtet aller Verweltlichungstendenzen lebte das puritanische Erbe in dem Auserwähltheitsglauben fort, der Neuengland eine hervorgehobene Rolle im göttlichen Heilsplan zuwies. Diese Überzeugung von einer „besonderen Mission“, die ursprünglich oft mit Versagensängsten und Selbstanklagen, etwa in der typisch puritanischen Predigtform der Jeremiade, einherging, strahlte bald auf alle Kolonien aus, verband sich in der Revolution mit der Ideologie des RepublikanismusRepublikanismus und wurde im 19. Jahrhundert Teil des amerikanischen Nationalbewusstseins.

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