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2 - Stolz

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Alicia erscheint kurz nachdem der Mann mit den schwarzen Haaren, dessen Namen ich nicht weiß, der selbst aber unbedingt meinen wissen wollte, aus dem Café verschwunden ist. Immer noch stehe ich perplex an derselben Stelle, wo er mich verlassen hat.

»Erde an Malia. Bist du da?«

Erst jetzt bemerke ich Marius, der vor mir steht und mir mit der Hand vor meinem Gesicht herumwedelt. Ich schüttele einmal den Kopf, damit sich alle Gedanken wieder ordnen und sehe meinen Mitarbeiter an.

»Ich bin da. Tut mir leid, was hast du gesagt?«, frage ich nach und sehe ihn an.

»Wer war denn dieser Kerl? Ich dachte, wir machen erst in einer halben Stunde auf?«, wiederholt er seine Frage, dabei legt er den Kopf leicht schief.

»Tun wir auch, aber meine Mutter meinte, ich solle ihn reinlassen und ihm einen Kaffee kochen. Er war also mein erster Kunde – warte. Hat er denn bezahlt?« Schnell hechte ich zum Tresen und sehe, dass auf ihm ein fünf Pfund Schein liegt. Ich nehme das Geld in die Hand, um es dann in die große Kasse zu legen. In dem Moment, als ich den Schein zu dem Wechselgeld lege, durchströmt mich erneut ein Rausch des Stolzes. Mein erstes verdientes Geld in diesem Café. Es fühlt sich irreal an, wie ein Traum. Meine Mundwinkel zucken stark nach oben und ich strahle bis über beide Ohren. Ich habe es geschafft. Sie beide wären stolz auf mich, so unfassbar stolz.

»Was muss noch gemacht werden?«, fragt mich Alicia, nachdem sie die Cookies in die Vitrine gelegt und die frischen Cupcakes von Marius in die Glasglocke gestellt hat.

»Du könntest die Tische und Stühle draußen schon einmal aufschließen und hinterher die Polster darauf legen.« Alicia nickt, worauf ich ihr den kleinen Schlüssel für die Schlösser, die Tische und Stühle vor Dieben schützen sollen, gebe.

»Danke übrigens, für den Willkommenscupcake«, grinst sie, bevor sie nach draußen geht. Erneut fange ich an zu lächeln und sehe auf die Uhr. 9.55 Uhr. Fünf Minuten noch. Wo bleibt meine Mutter? Sollte sie nicht schon längst wieder hier sein?

Wie aufs Stichwort steht sie vor der Tür, trägt eine hellblaue Jeans und eine weiße Bluse dazu. Mum sieht für ihre achtundfünfzig Jahre noch sehr gut aus. Bis auf ein paar Fältchen im Gesicht ist ihre Haut makellos und auch kein Fremder, würde sie niemals auf achtundfünfzig schätzen, eher zehn Jahre jünger.

»Hat dir der gutaussehende Mann seine Handynummer gegeben?«, fragt sie, als sie auf mich zu kommt.

»Mum, könntest du bitte aufhören, mich verkuppeln zu wollen? Ich bin noch nicht bereit für eine neue Beziehung und das weißt du selber«, erwidere ich leicht genervt. Aus dem Augenwinkel kann ich erkennen, wie Mum ihre Augen verdreht und sich an den Tresen setzt.

»Marius, wie weit bist du? Es ist gleich zehn, wir eröffnen in drei Minuten«, teile ich ihm mit und sehe ihn durch die offene Tür an. Er nickt und meint, er sei sofort fertig. Kurz atme ich durch, dann greife ich unter die Theke und nehme die frisch gewaschenen kurzen Schürzen, auch Vorbinder genannt, hervor. Geschickt binde ich sie mir um die Taille, um den kleinen Block, für die Bestellungen, in der Tasche dafür zu verstauen.

»Malia, ich weiß, dass es dir nach der Sache mit Mark nicht gut ging und das alles sehr schlimm für dich war, aber das ist nun fast vier Jahre her. Ich werde nicht jünger und du auch nicht, außerdem möchte ich Enkelkinder haben«, schmollt Mum.

»Fang nicht schon wieder damit an, Mum«, stöhne ich. Sie kann dieses Thema nicht lassen und das nervt mich tierisch. Ich kann sie verstehen, natürlich, welche Mutter wünscht sich keine Enkelkinder? Dabei darf sie aber nicht vergessen, was vor vier Jahren mit Mark passiert ist. Allein wenn ich an ihn denke, schmerzt mein Herz und ich werde traurig. So etwas möchte ich auf keinen Fall noch einmal erleben, also lasse ich es lieber ganz mit der Liebe.

»Draußen sind die ersten Kunden, Malia, du musst raus und das Café endgültig eröffnen. Sogar die Presse ist da!«, quietscht Alicia freudig, als sie wieder herein kommt. Ich reagiere sofort, richte noch einmal meinen Pferdeschwanz und gehe vor die Tür.

Eine junge Frau mit einer Kamera um den Hals kommt auf mich zu und reicht mir die Hand, die ich freudig schüttele.

»Sie müssen Malia Cooper sein, richtig?«, fragt sie mit einem übertriebenen Lächeln. Ich nicke.

»Ja, die bin ich.«

»Freut mich. Ich bin Mrs. Jones, darf ich ein Bild von Ihnen vor Ihrem Café machen?« Ich nicke wieder und lächle leicht. Sie dirigiert mich etwas näher an die Scheibe, wo man das Logo des Cafés gut lesen kann. Nachdem ich ihren Anforderungen nach richtig stehe, bittet sie mich zu grinsen und schießt darauf zwei, drei Bilder.

»Super. Wären Sie so freundlich und würden mich etwas in Ihrem Café herumführen? Das würde mir sehr helfen, für den Bericht meine ich.«

»Klar gerne, folgen Sie mir doch bitte«, stimme ich zu und gehe zurück in das Café. Dort zeige ich ihr alles, die Sessel, Sofas und auch den Tresen. Die Reporterin macht sich nebenbei Notizen, hört mir interessiert zu. Zum Schluss zeige ich ihr die Speisekarte und biete ihr etwas zu trinken an. Sie bestellt einen Latte Macchiato und eine Puddingschnecke.

Also nehme ich ein Latte Macchiato Glas, stelle es unter die Hightechmaschine und lasse den Latte Macchiato ins Glas laufen. Die Puddingschnecken werden zufälligerweise gerade von Marius in die Vitrine gelegt, sodass ich ihr direkt eine auf den Teller legen kann.

Nachdem der Latte Macchiato fertig ist, streue ich mit dem kleinen Kakaostreuer ein Herz auf den Milchschaum, stelle das Glas auf eine Untertasse, um sie Mrs. Jones anschließend zusammen mit der Puddingschnecke zu servieren.

»Lassen Sie es sich schmecken.«

Mittlerweile ist es 11.00 Uhr und bevor die Reporterin mein Café verlässt, bestellt sie sich noch einen Latte Macchiato zum Mitnehmen und schwärmt, dass es die besten Puddingschnecken wären, die sie jemals gegessen hätte.

»Ich werde öfter kommen«, sagt sie, als sie hinausgeht.

Der erste Tag verläuft hervorragend. Es kommen immer wieder ein paar Kunden, nicht zu viele, aber für den ersten Tag bin ich zufrieden.

Als ich zwischendurch eine freie Minute habe, denke ich an den Mann, der heute Morgen hier im Café saß. Ich frage mich, wann er wohl das nächste Mal kommen wird um den, seiner Meinung nach, besten Kaffee der Welt zu trinken. Was wird er dann wohl tragen? Diese Jeansjacke und wieder die schwarze Jeans, die ihn so gut aussehen lassen?

Seine strahlend blauen Augen und seine glänzenden schwarzen Haare erscheinen mir vor meinem geistigen Auge und ich verfalle in eine Art Trance. Vor mir spielt sich der Morgen noch einmal ab, wie er hier rein gekommen ist und wie er sich umgesehen hat. Die Art, wie er sich bewegte, so anmutig und bedächtig. Seine gesamte Ausstrahlung hat einen sehr bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Obwohl ich nicht möchte, dass ein Mann solch einen Eindruck bei mir hinterlassen, der mich dazu bringt, an ihn zu denken. Ich will nicht an irgendwelche Männer denken, die ich noch nicht einmal kenne, geschweige denn den Namen weiß. Dass dieser Unbekannte solch einen Eindruck bei mir hinterlassen hat, macht mir eine Heidenangst, weil ich eine ähnliche Situation schon einmal bei Mark hatte. Damals musste ich auch immer wieder an ihn und seine Art denken. Kurz danach sind wir zusammen gekommen. Nach dem Ende unserer Beziehung, was definitiv kein schönes gewesen ist, habe ich mir vorgenommen, die Finger von Männern zu lassen. Deswegen passen mir die Gedanken über meinen ersten Kunden heute morgen nicht.

»Der Tag ist doch wirklich gut gelaufen, oder?«

»Ja, finde ich auch. Wir haben es geschafft Leute. Der erste Tag ist vorbei und wir haben insgesamt zweihundertfünf Pfund eingenommen«, teile ich Marius und Alicia mit, nachdem ich die Tür geschlossen habe und die Abrechnungen gemacht habe.

»Echt? Wow, das ist doch toll!«, freut sich Alicia und umarmt mich glücklich. Die junge Mitarbeiterin war mir heute wirklich eine große Hilfe und ich bin dankbar, dass ich sie habe.

»Wir haben heute auch sehr viele Komplimente für das Gebäck und die Torten bekommen. Sie sind wirklich lecker.« Marius bedankt sich und isst den letzten Bissen von seinem Cookie auf.

»Ich bin euch beiden wirklich dankbar für alles. Ihr seid mir wirklich eine große Hilfe, ich könnte mir keine besseren Mitarbeiter vorstellen«, versichere ich den beiden nochmal, während ich das gegebene Trinkgeld zähle und an die beiden verteile.

»Für das Trinkgeld habe ich mir überlegt, dass wir es in der Kasse sammeln und am Ende des Tages unter euch beiden aufteilen. So hat Marius die Chance ebenfalls etwas zu bekommen, weil er sich selbst eben nicht bei den Kunden zeigen kann«, erkläre ich.

Sowohl Alicia, als auch Marius stimmen mir zu und nehmen ihr Trinkgeld freudig an. Ich lächle sie an und nehme meine Tasche.

»Wir sehen uns morgen. Ich muss nochmal weitere Schilder für Mitarbeiter aushängen. Wenn einer von euch krank ist, besonders du Marius, sind wir geliefert.«

»Ich kenne jemanden, der genauso gerne und gut backt wie ich. Den könnte ich fragen, ob er Lust hätte, sich zu bewerben. Wir haben zusammen gelernt«, erzählt Marius.

»Wirklich? Das wäre fantastisch.«

»Klar, ich rufe ihn gleich heute Abend an, dann kann ich dir morgen Bescheid geben.«

»Das wäre klasse, danke.«

Kurz darauf verabschiede ich die beiden, bleibe aber selbst noch im Café, weil ich noch die Buchhaltung erledigen muss. Mein Handy fische ich aus meiner Hosentasche und stelle das neue Album von Harry Styles ein, während ich die Kassenbons und die Beträge in das Kassenbuch eintrage. Nebenbei lasse ich mir einen Milchkaffee in eine Tasse füllen und nippe langsam an meiner Lieblingsflüssigkeit, die mir mollig warm, aber nicht zu heiß, die Speiseröhre herunter fließt. Es lässt mich wohlfühlen, sodass ich entspannt weiter arbeiten kann.

Gerade, als Harry »Just stop your crying, it's a sign of the times« singt, muss ich an Mark denken. Eigentlich hat Harry Recht. Ich sollte aufhören, ihm nachzutrauern. An der Situation kann ich nichts ändern, ich kann ihn sowieso nicht wiederbekommen.

Vielleicht war diese Geschichte mit Mark wirklich ein Zeichen der Zeit. Vielleicht wollte mir das Universum zeigen, dass ich etwas in meinem Leben ändern muss und dass es so wie es zu dem Zeitpunkt, vor vier Jahren, gewesen ist, nicht weitergehen konnte. Was auch immer es war, es hat mir auf irgendeine Art und Weise gut getan. Natürlich ist auch ein großer Schmerz vorhanden gewesen, weil er vom einen auf den anderen Moment verschwunden ist, aus meinem Leben gestrichen wurde. Von gestern auf heute, ohne jegliche Vorwarnung. Einfach weg. An einem Tag war alles gut, wir haben gelacht und uns geliebt. Die Momente mit ihm sind unbeschreiblich. Er wäre der Mann fürs Leben, habe ich immer gesagt. Ich habe gedacht, wir wären füreinander bestimmt, auf ewig. Es hat gepasst, immer. Selbst, wenn wir uns gestritten haben, haben wir am Ende immer wieder zusammengefunden und uns sogar noch ein kleines Bisschen mehr geliebt. Diese Momente werden für immer unvergesslich sein bleiben. Aber eines Tages war er weg. Einfach so. Ich könnte mich selbst hauen. Dafür, dass ich von seinen Problemen, Sorgen und Gefühlen nichts mitbekommen habe. Am Ende war es ein Riesenschock für mich, weil ich auch nicht nur ein Funken davon mitbekommen habe, was wirklich in ihm vorgegangen ist. Im Nachhinein schäme ich mich dafür, schließlich sind wir ein Paar gewesen. Ein gut funktionierendes Paar, bei dem alle gedacht haben, wir wären perfekt füreinander, aber sie haben sich getäuscht. Alle, auch ich habe mich in ihm getäuscht.

Wir waren nicht perfekt füreinander, schließlich hat er mich verlassen, einfach so. Ohne zu kämpfen, er hat einfach so unsere angeblich perfekte Beziehung aufgegeben.

In meiner kleinen Dreizimmerwohnung lasse ich mich erschöpft auf mein Bett fallen, nachdem ich meine Schuhe durch das Zimmer geschleudert habe. Ein lautes »Uff« verlässt meinen Mund. Ich bin geschafft. Meine Füße tun weh, meine Beine sind schlaff und morgen habe ich bestimmt Muskelkater.

Während meine Augen langsam zufallen, denke ich an den vergangenen Tag zurück und schlafe, stolz auf mich, ein.

Café au lait

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