Читать книгу Immunsystem und Psyche – ein starkes Paar - Anna E. Röcker - Страница 28
Narrative Medizin und die subjektive Bedeutung von Symbolen
ОглавлениеSymbole sind unglaublich wirkmächtig in der Medizin. Genauer gesagt ist es die individuelle Reaktion des Menschen auf die subjektive Bedeutung des jeweiligen Symbols, die ihnen diese Kraft verleiht. Häufig wird die symbolische Wirkung leichthin als »Placebo« abgetan und als Scheinmedikament abgewertet. Hier hat sich der Begriff der »Bedeutungsreaktion« etabliert, weil die individuelle Bedeutungszuschreibung ausschlaggebend ist.
Eine narrative Medizin berücksichtigt all das. Der Begriff »narrative Medizin« wurde von Rita Charon, einer Ärztin am Columbia Presbyterian Hospital in New York, geprägt. Unter diesem Begriff ist eine Herangehensweise gemeint, die die individuelle Geschichte jedes Patienten mitdenkt und mitberücksichtigt. Sie definierte »narrative Kompetenz« als die Fähigkeit, die Geschichte, die ein Mensch erzählt, ernst zu nehmen, die subjektive Bedeutung zu erfassen, sich davon berühren zu lassen und sie richtig einordnen zu können. So kann beispielsweise ein Bild (für einen gläubigen Menschen z.B. das Bild der Schutzmantelmadonna) stärkende Wirkung entfalten. Es kann zu einem Symbol für Schutz und Heilung werden, das die Selbstheilungskräfte stärkt – im Sinne einer Bedeutungsreaktion, d.h. im Sinne einer Antwort auf ein mit Bedeutung aufgeladenes Symbol. Viele positive Wirkungen aus dem Bereich der Alternativ- und Komplementärmedizin (z.B. Akupunktur, Jin Shin Jyutsu, Tai-Chi, spirituelles Heilen) können auf diese Weise verstanden und in ihrer Wirkkraft neu geschätzt werden. Sie gelten als nachweislich geeignet, um die Immunfunktion positiv zu beeinflussen. Es ist wichtig, dem Menschen die Verantwortung zuzutrauen, dass er selbst heilende Symbole in sich trägt und sie (gegebenenfalls mit professioneller Unterstützung) auch findet, weil er selbst der »Experte« für sein Leben ist. In diesem Verständnis ist der Körper keine Maschine mehr, die zum Arzt gebracht wird, wenn etwas nicht funktioniert, sondern Teil eines lebendigen Ganzen (siehe auch 4. und 5. Kapitel).