Читать книгу Kurze Formen in der Sprache / Formes brèves de la langue - Anne-Laure Daux-Combaudon - Страница 12

3.1 „Offene“ Ellipsen und „versteckte“ Ellipsen

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„Offene“ und „versteckte“ Ellipsen werden formal über Rektion und Akzent definiert: Ellipsen entsprechen der Nichtrealisierung / Abwesenheit eines regierenden und dadurch auch unbetonten Satzteils, sodass die Präsenz einer regierten und einer betonten Form, ohne ihr regierendes Element, das grammatisch-morphologische und phonologische Indiz für die Präsenz einer Ellipse darstellt. Ausgehend von einem verbozentrischen Ansatz (vgl. Forsgren 1998) sind daher für Götzinger verblose Sätze prinzipiell „grammatische“ oder „offene“ Ellipsen, da „gar kein Träger vorhanden ist, an welchen die regierte Form sich anschließen könnte […]“ (Götzinger 1839: 226, im Folgenden G II), z.B.:

 (1) Heute roth, morgen todt (G II: 50)

 (2) die Kinderlein ängstlich nach Hause so schnell (G II: 225)

 (3) Mein ganzes Glück in Scherben G II: 226)

 (4) Fort mit ihm! (G II: 227)

 (5) Ich dich ehren? (G II: 227)

Um eine „versteckte“ Ellipse handelt es sich dagegen, wenn ein Element als regierend erscheint, es aber in der Struktur nicht ist, z.B.

 (6) ich will nach Paris (G II: 226)

wo will grammatisch einen Infinitiv regieren würde, von dem seinerseits nach Paris abhängig ist; oder in dem Beispiel

 (7) Fast bin ich so verlassen wieder, als da ich einst vom Fürstentage gieng (G II: 371)

wo der Vergleichssatz als abhängig von einem Temporalsatz analysiert wird, nämlich wo als ich vormals war, da ich.

Wichtig ist historiographisch gesehen, dass Götzinger bei all diesen verblosen Sätzen im Allgemeinen zwar eine grammatische Ellipse annimmt, jedoch keinerlei Mangel in der semantischen Vollständigkeit und kommunikativen Leistung; im Gegenteil, er stellt einerseits hinsichtlich der Semantik dieser Sätze fest: „Man kann sich dabei oft gar kein bestimmtes Verbum weggelassen denken; man denkt wenigstens an kein besondres […].“ Kommunikativ sieht er diese Sätze als normalen Ausdruck von „aufgeregte[r] Stimmung, […]“ und von einer „Hast, die das nicht schnell genug sagen kann, was die Erinnerung belebt, die Seele erfüllt, oder den Antheil erregt“ (G II: 227). Daraus schließt er, dass die meisten Ellipsen Fragen, Ausrufe, Wünsche, Gebote sind, mit denen der Sprecher „Commandowörter, alle Grüße, Verwünschungen, Betheurungen, Verwunderungen, Segnungen“ (G II: 227) realisiert. Zeitgenössisch ist ein derartiger Verweis auf eine bestimmte sprecherpsychologische Disposition verbunden mit der Aufzählung bestimmter Satzmodi und verschiedener ‚Sprechakte‘ neu. Schließlich werden verblose Sätze auch mit bestimmten Textsorten in Zusammenhang gebracht: Ellipsen seien Bestandteile literarischer Texte sowie der „lebendige[n] Sprache“, die „keineswegs so [verfährt], daß sie immer alles nennte, was in den grammatischen Verband des Satzes gehörte; sie macht vielmehr oft Sprünge […].“ Inhaltlich betreffen diese „Sprünge“ also hier Informationen, die sich aus dem Ko- oder Kontext ergeben oder vom Hörer / Leser eigenständig erschlossen werden können oder die vom Sprecher als wichtig empfunden werden (s. auch unten 3.4, 3.5).

So erklärt Götzinger auch die häufigen Ellipsen semantisch generischer Verben, z.B. Modalverben und „Verben der Bewegung und des Sprechens“ (s. oben die Bsp. (2), (5)) und verweist hier besonders auch u.a. auf Bühnenanweisungen dramaturgischer Texte.

Derartige Ellipsen können sich nun auch auf die Syntax und das ‚Valenz‘-Verhalten von Verben auswirken.

Kurze Formen in der Sprache / Formes brèves de la langue

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