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‚Kürze‘ und kurze Formen in der Geschichte der deutschen Grammatikographie

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Friederike Spitzl-Dupic

Brevitas (Kürze) ist ein Begriff, der bekanntlich aus der antiken Rhetorik stammt und seitdem in Rhetoriken, Stilistiken, aber auch Grammatiken und Poetiken regelmäßig einerseits als Analyseinstrument und andrerseits als Ideal und Maßstab für den sprachlichen Ausdruck vorkommt. Kürze gilt als Mittel der eleganten und überzeugenden Rede, wobei die meist diskutierte „kurze“ Form in der Geschichte der Sprachtheorie die Ellipse ist, deren explikative Kraft besonders in der Grammatikographie zur Erklärung von regelabweichenden Strukturen eingesetzt wird oder auch zu deren Kritik.

In der uns hier interessierenden deutschen Grammatikographie, in der die Ellipse als Analysebegriff seit den Anfängen präsent ist (dazu Lecointre 1990), dient sie ebenfalls einerseits zur Erklärung von Ausdrücken, die als nicht regelkonform angesehen werden, andrerseits wird vor ihrem Gebrauch gewarnt, da sie zum Verlust von Deutlichkeit und Bestimmtheit in der Rede führen könne. Es handelt es sich dabei um zentrale Topoi in der Beurteilung von Sprache, Sprachen und Sprechen. Diese Topoi schreiben sich in die ab dem 17. Jh. virulente sprachkritische und sprachpolitische Diskussion ein, wo in deutschsprachigen Gebieten das Deutsche besonders mit den „Konkurrenz“- und Referenzsprachen Latein und Französisch, aber auch anderen Sprachen (s.u. unter 1.) verglichen wird. Diese Vergleiche führen sehr regelmäßig zu der Nennung von „Vorzügen“ und „Nachteilen“ der deutschen Sprache, aber auch zu Vorschlägen ihrer Verbesserung.

Kürze ist immer ein relativer Begriff, sodass da, wo kurze Formen angenommen werden, gleichzeitig angenommen wird, dass eine längere Form möglich ist, und es dient eine längere Form auf irgendeine Weise als Modell, Gegenmodell oder Schablone. Davon ausgehend stellen sich folgende Fragen: Inwiefern sind lange oder längere und kurze oder kürzere Formen in einem identischen Kontext äquivalent oder auch nicht? Warum wird die eine oder andere Form von einem Sprecher gewählt, wie kann diese Wahl erklärt werden und wie wird sie eventuell von den Sprachtheoretikern erklärt bzw. beurteilt?

Besonders dieser letzten Frage soll in dem Korpus nachgegangen werden, der deutschsprachige Grammatiken des 18.–19. Jhs. umfasst. Da seine umfassende Untersuchung zu dem Thema den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde, werde ich mich auf zwei Werke konzentrieren, d.i. Hempel 1754 und Götzinger 1836–1839. Diese beiden Grammatiker zeichnen sich dadurch aus, dass sie die jeweils zeitgenössische Forschung intensiv rezipieren, dass sie synthetisch vorgehen und als repräsentativ für ihre Zeit bzw. für ein bestimmtes Sprachdenken ihrer Zeit gelten können. Damit ist es trotz dieser beschränkten Textauswahl schließlich möglich, grundsätzliche Ansätze und Entwicklungstendenzen in diesem Zeitraum zu identifizieren.

Zuvor aber möchte ich einige Bemerkungen zur Bedeutung kurzer Formen in der Geschichte des Sprachdenkens und der deutschsprachigen Grammatikographie vornehmen, um die am Anschluss untersuchten Texten besser zu situieren.

Kurze Formen in der Sprache / Formes brèves de la langue

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