Читать книгу Kurze Formen in der Sprache / Formes brèves de la langue - Anne-Laure Daux-Combaudon - Страница 15
3.4 „Logische Ellipsen“
ОглавлениеGötzinger bezeichnet mit ‚logischer Ellipse‘ die Abwesenheit eines grammatisch regierten Elements, die seines Erachtens keine echte Ellipse ist, denn: „Es gilt beim Sprechen überall eine stillschweigende Uebereinkunft, daß der Hörer oder Leser auch seinerseits etwas denke […]“ (G II: 232). So liege in
(15) die Stadt gieng über, der Feind zog ein (G II: 231)
keine Ellipse vor, da für den Hörer klar ist, dass die Stadt an den Feind übergeht, und dieser in die Stadt einzieht. Die kurze Form, in der – modern gesprochen – in die Verbvalenz eingeschriebene Komplemente nicht realisiert werden, wird also von Götzinger als semantisch vollständig angesehen, da sie kommunikativ vollständig ausreichend ist, um Zugang zu dem gesamten vom Sprecher intendierten Sinn zu geben. Götzinger macht diese Überlegung zu einem allgemeinen Prinzip in den Überlegungen zu Ellipsen.
Es sei hinzugefügt, dass ähnliche Überlegungen allgemein im Kontext verfügbare Informationen betreffen. Götzinger betont nämlich, dass nicht immer, wenn etwas ‚hinzugedacht‘ werden muss, dies auf die Präsenz einer Ellipse verweise: Der „Naturforscher“ z.B. spreche einfach von „Kreislauf“, der „Theolog“ von „Abendmahl“, und dies ohne weitere Präzisionen: „Schwerlich kann man dies Ellipsen nennen, sondern nur Verschweigungen; denn wo sollten sonst die Ellipsen ein Ende nehmen?“ (G II: 232). Damit zeigt er, dass er sich der Diskussion um die ‚Ellipsenreiterei‘ bewusst ist, die einen ersten Höhepunkt im 17. Jh. erreicht hatte, aber zeitgenössisch noch virulent ist (vgl. Spitzl-Dupic 2016: 65–67).
Neben den verschiedenen bisher behandelten kurzen Formen, die alle auf der Abwesenheit eines oder mehrerer Elemente in der Konfiguration eines Satzes basieren und die Götzinger auf – im weiten Sinn – kontextuelle Bedingungen zurückführt, werden auch Formen der „Zusammenziehung“ und „Verschmelzung“ angenommen, in denen die Kürzungen zu unterschiedlichen mentalen Vorstellungsinhalten führt.