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Einsamkeit und Teilnahme

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Der Zwangskranke versucht sich in einer Pseudo-Selbstbestimmung völlig allein mithilfe seiner Rituale zu stabilisieren. Er meidet einen Dialog mit anderen, in dem er sich mit seinen Gefühlen anvertrauen und die einsame Kontrolle über seine Innenwelt durch die Kontrolle im Gespräch, im Austausch mit anderen ergänzen müsste.

Der Mensch verfügt über die Fähigkeit, Fantasiewelten aufzubauen, Erinnerungen zu betrachten (sie „widerzuspiegeln“, zu reflektieren) und mit der Hilfe solcher Entwürfe sowohl sich selbst wie auch die Wirklichkeit zu verändern. Das bedeutet unter anderem auch, dass er sich selbst traumatisieren kann, indem er sich von der seelisch notwendigen, aber körperlich entbehrlichen Funktion des Austauschs mit anderen abschneidet. Was einem nicht zur Reflexion begabten Organismus nur ausnahmsweise gelingt, wird für den Menschen zu einem schwerwiegenden Problem. Je mehr Bildung, Information, mediale Durchdringung der Umwelt, desto größer auch das Risiko der Selbsttraumatisierung.

Das Individuum braucht den Spiegel des anderen, um die für den Einzelnen kaum lösbare Aufgabe zu bewältigen, eine in der Fantasie entworfene Wertwelt mit der Realität in Übereinstimmung zu bringen.

Nehmen wir das Abendgespräch eines Paares: Der Mann erzählt von seiner Arbeit, von dem Kollegen, der sich als tückischer Konkurrent entpuppt, die Frau erzählt von ihrer Arbeit, von ihrer Kollegin, bei der ein Brustkrebs diagnostiziert worden ist; beide versuchen, indem sie einander zuhören, die Betroffenheit des anderen zu teilen, ohne doch selbst direkt betroffen zu sein. Ziel des Gesprächs ist, die Störung in die Normalität zu integrieren, die Last, dass es im Leben niemals glatt geht und wir jeden Tag mit Botschaften konfrontiert sind, die uns auf der Fantasieebene oder aber auch bereits in der Realität bedrohen, gemeinsam zu tragen.

Die entlastende Funktion solcher Gespräche beruht darauf, dass die Ebenen der Realität und der Fantasie getrennt bleiben. Dadurch lässt sich eine Gefahr eingrenzen. Die Frau lässt sich von ihrem Partner überzeugen, dass dank ihres glücklichen Sexuallebens oder weil sie ihre Kinder – anders als die Freundin – gestillt hat, keine Krebsgefahr besteht. Der Mann glaubt ihr, dass sein bösartiger Rivale keine Chance hat, die Hochschätzung zu gefährden, die ihm vonseiten des Chefs gehört. Beide Ergebnisse können illusionär sein; menschliche Zuversicht ist häufig wenig mehr als das, was Ibsen „Lebenslüge“ nannte.

Im Bauch des Wals

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