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Triebkontrolle zu zweit

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Die tiefe Verankerung der Bezogenheit auf das Liebesobjekt befähigt den Menschen zu großartigen Leistungen für seinesgleichen; sie führt dazu, dass er fähig wird, in seinem eigenen Handeln immer einen anderen mitzudenken. Sie macht ihn zu Vater und Mutter, zur Priesterin und zum Staatsmann. Aber die Tatsache, dass diese Bezogenheit aus dem Material kindlicher Abhängigkeit geschmiedet ist, kann auch dazu führen, dass in Krisen eine destruktive Wut wiederkehrt, mit der früher das kleine Kind den Eltern einimpfen wollte, dass Verlassenheit unerträglich ist. Nach „normalen“ Trennungsschmerzen kann das Kind die Eltern wieder annehmen; nach traumatischen Trennungen gelingt das nicht – der Säugling, der stundenlang schreien musste, verweigert die Brust; das verletzte Kind, das im Krankenhaus eine Notoperation durchlitt, dreht das Gesicht zur Wand, wenn die alarmierte Mutter erscheint. Kleine Trennungen festigen die Bindung, große Trennungen stören, traumatische Trennungen vernichten sie.

Die sexuellen Triebe sind so mächtig, dass ihre Stärke jeden Menschen – Kinder wie Erwachsene, Männer wie Frauen – bedroht. Das von Natur und Kultur gleichermaßen vorgesehene Gegenmittel ist ein einfühlender Partner. Ihn braucht das Kind ebenso wie der Erwachsene, um seine Libido zu regulieren. Mit seiner Hilfe kann es gelingen, diese Energie zu bändigen; ohne ihn greift das Trauma um sich; es fasst nach dem „nur“ vereinsamten Kind ebenso wie nach dem missbrauchten, das einem Erwachsenen ausgeliefert ist, der sich – ebenfalls aus Mangel an von Empathie bestimmten sozialen Bezügen – an Geschöpfen vergreift, in die er seine eigenen Bedürfnisse projiziert.

Den vieldeutigen Untersuchungen über anatomische Unterschiede im Zentralnervensystem von Männern und Frauen lassen sich bisher nur in populären Magazinen verhaltensnahe Aussagen abgewinnen. Das gesunde Gehirn funktioniert ganzheitlich; Rückschlüsse von neurologischen Störungen auf das normale Verhalten sind daher gerade aus physiologischer Sicht bedenklich. Im Gehirn wurden stammesgeschichtlich ältere Komponenten durch die Entwicklung der Großhirnrinde überformt; diese Situation ist bei Männern und Frauen identisch. Daher gehört ein beträchtliches Maß an psychologischer Ignoranz dazu, von anatomischen Unterschieden im Althirn naiv auf genetisch angelegte Unterschiede im Verhalten zu schließen; das ist ungefähr so wissenschaftlich, wie zu behaupten, dass ein aus Stahl gefertigter Motor anders arbeitet als einer aus Aluminium. Natürlich ist Stahl etwas anderes als Aluminium, und der Metallurg kann dem Konstrukteur wertvolle Hinweise geben. Aber kein Metallurg wäre so dreist, zu behaupten, dass er durch seine Erkenntnisse über das Aluminium gänzlich neue Gesichtspunkte über Explosionsmotoren gewonnen hat.

Kein Zweifel kann hingegen daran bestehen, dass Männer und Frauen in ihren sexuellen Funktionen sehr unterschiedlich sind. Die bisher gültigste Konzeption der Geschlechtsunterschiede basiert auf der seelischen Verarbeitung dieser Situation.

Das männliche Kind beobachtet an der Schwelle zu seiner geistigen Verselbstständigung, dass es anders ist als die Mutter und dass es nie so werden wird wie sie. Es entdeckt, dass es die Mutter nicht kontrollieren und nicht befriedigen kann; wenn die Mutter unglücklich ist, braucht sie einen Mann, keinen Knaben; wenn sie die Illusion aufbaut, sie könne auch ohne Mann dem Knaben alles geben, was er braucht, verführt sie den Sohn zur Größenfantasie, die er später nur schwer wird ablegen können.

Im Bauch des Wals

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