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2.1.1 PolitikPolitik

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Reflektiert die Ethik die moralische Dimension menschlicher PraxisPraxis, so die PolitikPolitik deren politische Dimension. Für ARISTOTELESAristoteles gehören Ethik und PolitikPolitik noch untrennbar zusammen, daher lässt er auf die ›Nikomachische Ethik‹ jene Schrift folgen, die den Titel ›PolitikPolitik‹ trägt, denn es scheint ihm zweckmäßig,

wenn wir … uns mit dem Problem der Polisverfassung in seinem ganzen Umfang beschäftigen, um so nach unseren besten Kräften die Wissenschaft vom menschlichen Leben abzurunden. (Eth. Nic. X, 10; 1181b 12–15)

Im Unterschied zur Ethik, die die Strukturen moralisch richtigen Handelns erörtert, geht die PolitikPolitik auf die für die Polis optimalen Gesetze ein, die eine für alle Bürger der Polis geglückte Lebensform ermöglichen. Dabei setzt die PolitikPolitik MoralitätMoralität/Sittlichkeit als Bedingung der den Gesetzen zugrundeliegenden Gerechtigkeit voraus:

Das Gesetz … hat … zwingende GewaltGewalt: es ist ein OrdnungsprinzipOrdnung, das auf sittlicher Einsicht und Vernunft beruht. (Eth. Nic. X, 10; 1180a 15–16)

Was für ARISTOTELESAristoteles Ethik und PolitikPolitik miteinander verbindet, ist der Begriff der Gerechtigkeit; ta ethika und ta politika sind zwei Aspekte ein und desselben Handelns, das einmal mehr vom Individuum und zum andern mehr vom Individuum, sofern es Individuum unter anderen Individuen ist, her reflektiert wird, wobei GerechtigkeitGerechtigkeit beidemale die schlechthin soziale TugendTugend ist.

In der Neuzeit geht die enge Beziehung zwischen Ethik und PolitikPolitik verloren. Bei MACHIAVELLIMachiavelli, N. löst sich die PolitikPolitik von der Ethik ab; an die Stelle der Idee der Gerechtigkeit tritt das Prinzip der GewaltGewalt im Kampf um die MachtMacht. In Angelegenheiten, die die Staatsgeschäfte betreffen, bekommt die Staatsraison den unbedingten Vorrang vor der bürgerlichen MoralMoral und der FreiheitFreiheit des einzelnen. Moralität wird in den Bereich des Privaten abgedrängt, der politisch bedeutungslos ist. KANTKant, I. hat diese morallose Form politischen Handelns im Anhang zu seiner Schrift »Vom ewigen Frieden« heftig kritisiert und die »wahre Politik« wieder auf die MoralMoral zurückbezogen:

Die wahre PolitikPolitik kann … keinen Schritt tun, ohne vorher der Moral gehuldigt zu haben. [KANTKant, I. kann sich zwar] einen moralischen Politiker, d.i. einen, der die Prinzipien der Staatsklugheit so nimmt, dass sie mit der Moral zusammen bestehen können, aber nicht einen politischen Moralisten denken, der sich eine MoralMoral so schmiedet, wie es der Vorteil des Staatsmanns sich zuträglich findet. (Werke, Bd. 9, 243, 233)

Eine auf dem Prinzip der DemokratieDemokratie beruhende PolitikPolitik weiß sich wiederum den moralischenMoral Grundwerten verpflichtet und steht von daher unter dem moralischen Anspruch, ihre Ziele nicht nur hinsichtlich ihrer politischen Wirksamkeit, sondern auch hinsichtlich ihrer HumanitätHumanität zu rechtfertigen.

Eine praktische politische Theorie, so hat sich gezeigt, kann ohne ethische Prämissen nicht auskommen, da der Anspruch moralischer Normen nicht auf den privaten Handlungsbereich beschränkt ist, sondern auch für öffentliche Willensbildungsprozesse verbindlich ist: Moralische Kompetenz wird auch und gerade von dem gefordert, der sich von Berufs wegen um staatliche und soziale Angelegenheiten zu kümmern hat. Mithin ist die Ethik die Basiswissenschaft, auf deren Ergebnissen die politische Philosophie aufbaut, indem sie das ethische Freiheitsprinzip rechtlich und institutionell absichert.

Otfried HÖFFEHöffe, O. hat darauf hingewiesen, dass von der Antike bis zur Neuzeit die meisten der klassischen Philosophen auch bedeutende RechtsRecht- und Staatsdenker waren, für die die sittliche Perspektive der politischen Gerechtigkeit eine zentrale Rolle spielte.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts bricht diese Tradition jedoch ab. … In den Rechts- und Staatswissenschaften dominieren der Historismus und der Positivismus, die beide der sittlichen Perspektive mißtrauen, sie zum Teil sogar ausdrücklich ablehnen. Mit der EntfremdungEntfremdung der Philosophie von den RechtsRechtsphilosophie- und Staatswissenschaften geht eine EntfremdungEntfremdung beider Seiten von der Ethik einher und damit die Rechts- und Staatsethik verloren. (Politische Gerechtigkeit. Grundlegung einer kritischen Philosophie von Recht und Staat, 13f.)

Neben O. HÖFFEHöffe, O. sind u.a. V. GERHARDTGerhardt, V., W. KERSTINGKersting, W., H. OTTMANNOttmann, H. und E. VOLLRATHVollrath, E. zu nennen, die sich im deutschsprachigen Raum um eine ethische Fundierung von Politik, Staat und Recht bemühen.

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